Название: Mörderhände: 7 Strand Krimis
Автор: Cedric Balmore
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783745214512
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Plötzlich meinte er, ein leises Geräusch aus dem Garten unter ihm zu vernehmen. Es klang wie vorsichtig tastende Schritte. Er drehte den Kopf. Das Laubwerk der Kastanie verdeckte den Ort, wo er die Quelle des Geräuschs vermutete.
Wilhelm Papendieck lauschte eine Zeitlang, doch außer dem Rascheln der Blätter war nichts zu hören. Mit einem Seufzer wandte er sich wieder seiner Arbeit zu.
Ohne jede Vorwarnung sackte die Leiter unter ihm weg, nachdem ein kurzes Krachen und Knirschen zu hören war.
Eimer und Schaufel fielen ihm aus der Hand, und er versuchte verzweifelt, den Rand der Dachrinne zu erwischen.
Vergebens.
Mit Armen und Beinen wild rudernd stürzte er zu Boden und stöhnte laut auf, als er schmerzhaft auf die Granitplatten prallte, die er selbst dort verlegt hatte.
Er spürte, wie die Knochen seines rechten Unterarms brachen, als er versucht hatte, seinen Sturz abzufangen. Ein rasender Schmerz durchzuckte seinen Körper, und in seinen letzten Sekunden vermeinte er zu hören, wie jemand etwas sagte.
Es klang wie: „Das war´s für dich, Alter!“
Wilhelm Papendieck spürte einen festen Griff an seinem Hals, dann setzte sein Herz aus, und sein Kopf rollte haltlos zur Seite.
*
„Willst du schon wieder raus?“
Tjade Winkels betrachtete seinen Hund, der an der Haustür saß und leise vor sich hin jaulte.
Es handelte sich um eine Promenadenmischung mit einem weißbraunen Fell, die Winkels auf den Namen Harm getauft hatte. Der Hund hatte ursprünglich einem Mordopfer gehört. Der Tote hatte keine Angehörigen gehabt, und niemand wollte den Hund haben.
Winkels war damals als Hauptkommissar der Polizeiinspektion Aurich der leitende Ermittlungsbeamte gewesen. Er hatte es nicht über sich bringen können, den damals noch kleinen Hund ins Tierheim bringen zu lassen und hatte sich entschieden, ihn selbst zu sich zu nehmen und für ihn zu sorgen.
Das hatte er bisher nicht bereut, denn Harm hatte sich zu einem echten Partner entwickelt, was vielleicht auch daran lag, dass Winkels keine weiteren Verwandten besaß. Also blieb nur der Hund, mit dem er seine Fälle besprechen konnte. Das hatte den großen Vorteil, dass seinen Ansichten niemals widersprochen wurde.
Er war schon seit längerer Zeit geschieden, und für das Großziehen von Kindern war irgendwie nie Zeit gewesen. Manchmal fragte er sich, ob diese Tatsache zum Ende seiner Ehe beigetragen hatte. Mit seiner Frau hatte er nie so richtig darüber geredet. Nun, jetzt war es zu spät.
Tjade war seit kurzer Zeit pensioniert, und auch wenn er sich das noch nicht eingestehen wollte – es machte ihm jetzt schon sehr zu schaffen
Er fühlte sich noch absolut im Vollbesitz seiner Kräfte, vor allem der geistigen. Und wenn er an seinen Nachfolger dachte, der einst sein Untergebener war, kam ihm die Galle hoch. Kriminalhauptkommissar Uwe Dröver hatte seiner Ansicht nach keine Ahnung von echter Ermittlungsarbeit. Daher fühlte Tjade sich immer noch verpflichtet, in seiner alten Dienststelle nach dem Rechten zu sehen.
Seufzend stemmte er sich aus seinem bequemen Sessel hoch, nahm die Hundeleine von einem Haken und befestigte sie an Harms Halsband. Der Hund wedelte heftig mit dem Schwanz und konnte es kaum erwarten, dass die Tür endlich aufging.
Es war angenehm warm. Nur ein laues Lüftchen wehte. Hier in Ostfriesland war man an heftigere Winde gewöhnt.
Tjade schnupperte. Die Luft war frisch und roch gut. Harm zerrte an seiner Leine. Sein Herrchen folgte ihm zum Gartentor.
Die Nachbarin von Gegenüber sah ihn kommen. Frau Schrader lebte allein wie er selbst in einem alten Haus mit einem kleinen Garten. Sie wusste immer alles, was in der Nachbarschaft geschah, und hatte nichts Eiligeres zu tun, als jede Einzelheit und jedes Gerücht haarklein weiter zu erzählen, ob man zuhören wollte oder nicht.
Winkels wusste inzwischen, dass man ihr nur etwas unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit anvertrauen musste, wenn man sichergehen wollte, dass die entsprechende Information sich in Windeseile in der Nachbarschaft verbreitete.
Sie winkte ihm zu, und Winkels wusste, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als der alten Klatschtante eine Zeitlang zuzuhören.
Harm hatte inzwischen seinen bevorzugten Baum benutzt und folgte Tjade eifrig auf die andere Straßenseite. Im Gegensatz zu seinem Herrchen schätzte er Frau Schrader sehr, da sie ihm hin und wieder Leckerbissen zusteckte.
„Moin“, sagte Frau Schrader.
„Moin“, gab Winkels zurück.
„Haben Sie schon gehört?“, rief sie ihm zu, als er noch ein paar Meter entfernt war.
„Was gehört?“
„Na, vom alten Papendieck?“
„Kenne ich nicht.“
Frau Schrader war in ihrem Element. Ihre Augen glänzten, und sie unterstrich ihre Ausführungen mit heftigen Handbewegungen.
„Er wohnt nur eine Querstraße weiter. Sie müssen ihn doch kennen! Er kauft im gleichen Supermarkt ein wie wir. Da müssen Sie ihn doch schon gesehen haben!“
„Schon möglich, aber deshalb kenne ich seinen Namen noch lange nicht. Was ist denn mit ihm passiert?“
Frau Schrader konnte nicht mehr an sich halten.
„Na, er ist tot. Das ist passiert!“
„Wie alt war er denn?“
„Das ist es ja. Er ist nicht normal gestorben. Er ist von der Leiter gefallen. Keiner hat es gesehen. Er soll sich alle Knochen gebrochen haben. Blutüberströmt hat er da gelegen. Ist gerade eben geschehen.“
„Woher wissen Sie das?“ fragte Winkels mit gespieltem Interesse.
„Käthe Boll, meine Schulfreundin, sie wohnt nur drei Häuser weiter von Papendieck entfernt, die müssen Sie doch kennen, sie ist manchmal bei mir zu Besuch, und dann reden wir über die alten Zeiten, doch als ich sie vorhin auf der Straße traf, hat sie mir erzählt, dass sie mitgekriegt hat, wie die Polizei…“
„Was genau hat sie Ihnen erzählt?“, unterbrach Winkels ihren Redestrom, denn beim Stichwort Polizei war sein Interesse schlagartig geweckt worden.
Frau Schrader sah ihn irritiert an.
„Die Polizei ist jetzt dort.“
Tjade Winkels drückte ihr die Hundeleine in die Hand. „Passen Sie bitte eine Zeitlang auf den Hund auf. Ich hole ihn später wieder ab. Ich sehe mir das mal an.“
Harm sprang sofort an Frau Schrader hoch. Sein Interesse galt jetzt einzig und allein den zu erwartenden Leckereien.
*
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