Der Landvogt von Greifensee. Gottfried Keller
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Название: Der Landvogt von Greifensee

Автор: Gottfried Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783962173500

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СКАЧАТЬ ab, wobei ihm Salome die Schnüre ausspannen und die Pflöcke einschlagen half. Er grub die Löcher in die weiche Erde, wie er sie haben wollte, und Salome hielt die zarten Stämmchen aufrecht, während er die Grube wieder zuwarf und das Erdreich in gehöriger Art festmachte. Dann holte Salome aus einer Kufe, die ein Knecht ab- und zugehend mit Wasser füllte, das belebende Element mit der Gießkanne und begoß die Bäumchen so reichlich, als Salomon gebot.

      Um die Mittagszeit, als der Schatten der Sonne sich um die neugepflanzten Bäumchen drehte, schickte die Herrschaft dem fleißigen Paare scherzhafterweise ein ländliches Essen hinaus, wie Feldarbeitern geziemt; es schmeckte ihnen auch vortrefflich, als sie es auf dem grünen Rasen sitzend genossen, und Salome behauptete, sie dürfe jetzt so gut wie eine Bauerntochter einige Gläser Wein trinken, da sie so heftig arbeite. Hievon und von der fortgesetzten Bewegung, die bis gegen Abend dauerte, geriet ihr Blut in wärmere Wallung; es trat vor das Licht ihrer Lebensklugheit, und diese verfinsterte sich vorübergehend wie die Sonne bei einem Monddurchgang.

      Salomon verhielt sich bei seiner Arbeit so ernsthaft und unverdrossen, er führte das Geschäft so geschickt und gewissenhaft durch, dabei war er wieder so gleichmäßig heiter, zutraulich und kurzweilig und schien so glücklich, ohne sich doch einen Augenblick während des ganzen Tages mit einem unbescheidenen Blick oder Worte zu vergessen, daß eine holde Überzeugung sie durchdrang, es ließe sich wohl, wie dieser Tag, so das ganze Leben mit dem Gefährten verbringen. Eine warme Neigung gewann die Oberhand in ihr, und als das letzte Kirschbäumlein fest in der Erde stand und nichts mehr zu tun war, sagte sie mit einem leichten Seufzer: »So nimmt alles ein Ende!«

      Salomon Landolt, von dem bewegten Tone dieser Worte hingerissen, sah sie beglückt an; er konnte aber wegen des Glanzes der Abendsonne, der auf ihrem schönen Gesichte lag, nicht erkennen, ob es von dem Scheine oder von Zärtlichkeit gerötet sei; nur leuchteten ihre Augen durch allen Glanz hindurch, und sie reichten sich unwillkürlich alle vier Hände. Weiteres begab sich jedoch nicht, da der Knecht eben Harke, Schaufel und Gießkanne und das übrige Geräte zu holen kam.

      Unter veränderten Gestirnen kehrten sie durch die zierliche Kirschenallee zurück, die sie gepflanzt hatten. Da sie sich nur noch mit verliebten Augen anzusehen vermochten, so verkehrten sie im Hause weniger und behutsamer miteinander, und es wurde hiedurch und noch mehr durch eine gewisse Zufriedenheit, die sie zu beleben und zugleich zu beruhigen schien, deutlich genug sichtbar, daß etwas Neues sich ereignet habe.

      Jedoch ließ es Salamon nicht manchen Tag anstehen; er flüsterte ihr wenige andeutende Worte zu, die sie wohl aufnahm, und ritt in rascher Gangart nach Zürich, um die Möglichkeit einer Verlobung in beiden Familien herbeizuführen.

      Vorerst aber drängte es ihn, der Geliebten in einem Briefe sein Herz darzulegen, und wie er kaum im Zuge war und das Dringlichste angebracht hatte, stach ihn der Vorwitz, die Festigkeit ihrer Neigung auf die Probe zu stellen durch eine mysteriös bedenkliche Schilderung seiner Abkunft und Aussichten.

      Die erstere war allerdings, was die mütterliche Seite betraf, von eigentümlicher Art.

      Seine Mutter, Anna Margareta, war eine Tochter des holländischen Generals der Infanterie Salomon Hirzel, Herrn zu Wülflingen, der mit seinen drei Söhnen große niederländische Pensionsgelder bezog und damit die bekannte wunderliche Wirtschaft auf der genannten Gerichtsherrschaft in der Nähe von Winterthur führte. Ein am Hoftor statt eines Kettenhundes angebundener Wolf, der wachsam heulte und boll, konnte gleich als Wahrzeichen des absonderlichen Wesens gelten. Nach frühem Tode der Hausfrau und bei der häufigen Abwesenheit des Vaters tat jeder, was er wollte, und die Söhne, sowie drei Töchter erzogen sich selbst, und zwar so wild als möglich. Nur wenn der alte General da war, kehrte eine gewisse Ordnung insofern ein, als am Morgen auf der Trommel Tagwache und Abends der Zapfenstreich geschlagen wurde. Im übrigen ließ jeder den Herrgott einen guten Mann sein. Die älteste Tochter, Landolts Mutter, führte den Haushalt, und die ihr auferlegte Pflicht bewirkte, daß sie die beste und gesetzteste Person der Familie war. Dennoch ritt auch sie mit den Männern auf die Jagd, führte die Hetzpeitsche und pfiff durch die Finger, daß es gellte. Die Herren übten den Brauch, ihre Gewohnheiten und Taten in humoristischer Weise auf die Wände ihrer Gebäulichkeiten malen zu lassen. So gab es denn in einem Pavillon auch ein Bild, auf welchem der alte General mit den drei Söhnen und der ältesten Tochter, die schon verheiratet war, über Stein und Stoppeln dahinjagt und der kleine Salomon Landolt an der Seite der stattlichen Mutter reitet, eine förmliche Zentaurenfamilie.

      Solche Reiterzüge pflegten zuweilen einen zahmen Hirsch zu verfolgen, der abgerichtet war, vor Jägern und Hunden her zu fliehen und sich zuletzt einfangen zu lassen; das war indessen eine bloße Reitübung; das wirkliche Jagen wurde unablässig betrieben und wechselte nur mit Gastereien und der Aufführung zahlloser Schwänke ab, die sich selbst auf die Ausübung der Gerichtsbarkeiten erstreckten.

      Über all diesem wilden Wesen erhielt sich, wie gesagt, Landolts Mutter mit hellem Verstande und heiterer Laune bei guten Sitten, und sie war ihren eigenen Kindern später eine zuverlässige und treue Freundin, während jenes Vaterhaus unterging.

      Nachdem der alte General im Jahre 1755 gestorben und die Anna Margareta ihrem eigenen Hausstand gefolgt war, ergaben sich die Söhne einem täglich wüster werdenden Leben. Ihre Jagden arteten in Raufereien mit benachbarten Gutsherren aus wegen Bannstreitigkeiten, in Mißhandlungen der Untergebenen. Einen Pfarrer, der sie auf der Kanzel angepredigt hatte, überfielen sie, als er durch ihren Forst ritt, und hetzten ihn, mit Peitschen hinter ihm drein jagend, in den Tößfluß hinein, hindurch, über das Feld, bis er mit seiner Mähre zusammenbrach und auf den Knien liegend zitternd um Verzeihung bat. Gerichtsboten aber, welche eine ihnen für diese Tat auferlegte beträchtliche Geldbuße abholten, ließen sie auf dem Rückwege durch Vermummte niederwerfen und des Geldes wieder entledigen.

      Zu der sinnlosen Verschwendung, welche sie trieben, gesellte sich eine Spielsucht, der sie wochenlang ununterbrochen frönten. Herbeigelockten Verführten nahmen sie Hab und Gut ab, gewährten dann aber so lange Revanche, bis sie das Doppelte wieder an die Verunglückten verloren hatten, um ihre Kavaliersehre zu behalten. Zuletzt aber nahm alles ein trauriges Ende. Einer nach dem andern mußte vom Schlosse weichen und der letzte die Herrschaftsrechte und Gefälle, Wälder und Felder, Haus und Hof in eilender Folge dahingeben und entfliehen. Einer der Brüder geriet so ins Elend, daß er in einem ausländischen Arbeitshause versorgt wurde; der zweite lebte eine Zeitlang einsam in einer Waldhütte, mußte aber, von Schulden geplagt und von Krankheiten verwüstet, diesen kümmerlichen Zufluchtsort verlassen und im Dunkel der Ferne verschwinden; der dritte flüchtete sich wieder in den fremden Kriegsdienst, wo er auch verdarb.

      Freilich verließ der wilde Humor die Herren bis zum letzten Augenblicke nicht. Ehe sie das Schloß preisgaben, liehen sie von ihrem rustiken Hofmaler alle die Untergangsszenen und Untaten, bis auf das letzte Herrschaftsgericht, das sie abhielten, an die Wände malen; hinter dem Ofen prangten die Titel aller veräußerten Lehenbriefe und Privilegien, und auf einer vom Monde beschienenen Waldlichtung spielten Füchse, Hasen und Dachse mit den Insignien der verlorenen Herrschaft. Über der Tür aber ließen sie sich selbst von der Rückseite darstellen, wie sie zuguterletzt, die Hüte unter dem Arm, würdevoll bei einem Markstein über die Grenze der Herrschaft schreiten. Mit verkehrter Schrift stand darunter das Wort »Amen«!

      Indem Salomon Landolt nun diese bedenklichen Geschichten in seinem Briefe an Salome entwickelte, ging er auf die melancholische Befürchtung über, daß das unglückselige Blut und Schicksal der drei Oheime auch in ihm wieder aufleben und nur dank einem günstigen Sterne seine edle Mutter übersprungen haben könnte. Um so eher dürfte aber, folgerte er, der Unstern fast naturgemäß bei ihm abermals aufsteigen. Dagegen nach bestem Wissen und Gewissen anzukämpfen, sei zwar sein inbrünstiger Vorsatz. Allein schon habe er zu bekennen, daß auf seinen Reisen bedeutende Summen verspielt und nur durch die geheime Beihülfe der Mutter gedeckt worden seien. Bereits habe er auch, mit fremden Mitteln und ohne Wissen des Vaters, über sein vermögen Pferde gehalten, und was bares Geld betreffe, СКАЧАТЬ