Название: Rein in die Führung
Автор: Susanne Klein
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная деловая литература
Серия: Dein Business
isbn: 9783862009794
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Momentexploration
Ein gängiger Denkfehler
Wesentlich bleibt bei allen Entscheidungen, dass ihre Konsequenzen gut durchdacht werden und wir stets abwägen, ob kurzfristige Erfolge die Ressourcen rechtfertigen. Wir dürfen dabei auch nie vergessen, an langfristigen Strategien zu arbeiten. Das ist nicht ganz einfach, denn unser Denken schließt aus den aktuell gemachten Erfahrungen auf die Zukunft. Wir nehmen also an, dass die Dinge, so wie sie sich im Moment darstellen, immer weitergehen. Dieser Denkfehler heißt »Momentexploration« und hilft uns dabei, die Komplexität zu reduzieren. Aber er führt uns beim Nachdenken über langfristige Strategien in die Irre. Die Rahmenbedingungen, innerhalb derer wir betriebswirtschaftliche Entscheidungen treffen, bleiben nicht immer gleich und sie folgen auch nur bedingt gewissen Schemata.
Langfristige Strategien entwickeln
Es wäre zum Beispiel zu einfach, zu sagen »Der DAX war noch nie dauerhaft im Keller«, und daraus zu schließen, dass es nach einer gewissen Zeit genauso weitergeht wie zuvor. Es ist aller Erfahrung nach eher unwahrscheinlich, dass es wieder so werden wird wie früher. Es wird anders werden. Wie genau, darüber gibt es nur Spekulationen. Und innerhalb derer können wir an langfristigen Strategien zum unternehmerischen Erfolg arbeiten. Ein Szenario könnte zum Beispiel so aussehen: Wie kann das Geschäft entwickelt werden, wenn der DAX sich nicht wieder auf einer sehr hohen Ebene stabilisiert? Möglicherweise ist es sinnvoll, zukünftig zuverlässiger und beständiger wieder mit dem lokalen Geschäft zu wirtschaften. Die vielen neuen Privatbanken, die momentan entstehen, machen uns genau das vor: Geschäfte werden nur noch im lokalen Markt mit persönlich vertrauten Partnern getätigt.
Die Rahmenbedingungen werden sich immer wieder auch in unvorhergesehener Weise verändern. Langfristige Strategien sind dennoch wichtig. Zum einen helfen sie uns dabei, nicht nur reine »Reagierer« zu sein. Wir haben mehr Möglichkeiten, aktiv zu sein und mitzubestimmen, und können so den Markt in eine positive Richtung hin entwickeln. Eine offene und flexible Haltung, die Fähigkeit, sich schnell anzupassen und dennoch langfristig zu denken, ist dem rein spontanen Reagieren deutlich überlegen.
Fokus 5: Flexibilität und Veränderungsfähigkeit
Was bedeutet »Charakter«?
»Je mehr Charakter ein Mensch hat, umso weniger Möglichkeiten hat er«, sagt Fritz Perls, der Begründer der Gestalttherapie. Charakter zu haben bedeutet, in einem werteorientierten Denken fest verwurzelt zu sein und damit auf bestimmte Fragen des Lebens festgelegte Antworten zu wissen. Die Denkund Handlungsflexibilität ist damit begrenzt. Ein Mensch mit Charakter ist ein Mensch mit Kanten, nicht mehr so flexibel. Die Kunst scheint darin zu bestehen, sich insgesamt treu zu bleiben – also Charakter zu haben, wie Perls es nennt –, und sich gleichzeitig seine Flexibilität zu erhalten.
Flexibilität kann uns stark und schwach machen. Als Stärke nutzen wir sie, wenn wir die Dinge immer wieder neu betrachten, die Perspektiven wechseln und Lösungen entwickeln, die neu, mutig und anders sind. Zur Schwäche wird Flexibilität dann, wenn sie an Willkür erinnert, wenn sie haltlos wird und wir ohne werteorientierte Guideline heute so und morgen anders denken.
Vor- und Nachteile von Flexibilität
Ein rechtes Maß an Flexibilität scheint für ein Unternehmen sehr wertvoll zu sein. Eine Familie wäre zum Beispiel auch nicht im positiven Sinne denkbar, wenn alle vierzehn Tage der Vater wechselt beziehungsweise die Person, die diese Rolle ausfüllt. Es ist auch nicht gut, wenn sich die Spielregeln immer wieder ändern und man das nicht nachvollziehen kann: An manchen Tagen gibt es ein gemeinsames Frühstück, an anderen nicht – je nachdem, wie sich das Vorabendprogramm von Mutter oder Vater gestaltet hat. Sicher gibt es begründete Ausnahmen, wenn sich einmal etabliert hat, dass an den meisten Tagen ein gemeinsames Frühstück gut in die zeitlichen Abläufe aller Beteiligten passt. Dienstreisen, veränderte Tagespläne und andere Umstände machen Ausnahmen immer notwendig. Werden diese Spielregeln jedoch quasi nach dem Zufallsprinzip variiert, wird es den Kindern schwerfallen, sich in diesem System gut zu entwickeln.
Vor- und Nachteile unflexibler Systeme
Ein allzu starres System ist aber auch keine gute Lösung. Starre Systeme dulden keine Ausnahmen. Da müssen es zum Beispiel die heranwachsenden Jugendlichen lange und umständlich begründen, wenn sie keine Lust (mehr) auf ein gemeinsames Frühstück haben. Für die Kinder passt das in ihre Entwicklungsphase, für die Eltern ist das eher mühsam. Vielleicht haben sie sich einfach noch nicht daran gewöhnt, dass die Familie nun in eine andere Phase geht und hierfür neue Spielregeln notwendig sind. Manchmal machen die Eltern einfach die Entwicklung der Kinder nicht mit. Sie bleiben bei ihren tradierten Vorstellungen und bemerken gar nicht, wie sich die Kinder weiterentwickeln. Vielleicht sehnen sie sich auch einfach nach der Zeit zurück, in der die Kinder noch klein waren. So behandeln sie dann ihren 14-jährigen Sohn wie den Vierjährigen – und das schon seit zehn Jahren …
Nachteile von zu hoher Prozesskomplexität
Die mangelnde Fähigkeit, Veränderungen wahrzunehmen und sich an diese anzupassen, bringt Starre in ein System – es wird dadurch aber eher zerstört als stabilisiert. Unter dem Vorwand, die Prozesse zu stabilisieren, wird in Unternehmen oft bewusst eine Starre installiert. Großunternehmen sind für diese Starre wesentlich empfänglicher als kleine Unternehmen. Komplexe Systeme brauchen mehr Steuerung, wenn sie nicht auf Vertrauen und Verantwortung basieren. Je unüberschaubarer die Vorgänge sind und je weniger Verantwortung delegiert wird, umso komplexer müssen Prozesse Regeln und Abläufe abbilden, an denen sich die einzelnen Mitarbeiter orientieren können. Und wir haben ja gesehen, dass mit zunehmender Prozesskomplexität die Zahl der Redundanzen und Widersprüche ansteigt. Daraus kann man schließen, dass es kaum eine Möglichkeit gibt, eine absolute Steuerung und Kontrolle für komplexe Prozesse anzubieten.
Was einfache Regelungen bewirken
In Indien gibt es beispielsweise eine Schule, die nur eine bestimmte Haltung von Lehrern und Schülern verlangt. Wenn alle diese Haltung verinnerlichen, dann braucht das Miteinander kaum noch andere Regeln und Prozesse. Diese Einstellung, zu der sich jeder bekennen muss, der an dieser Schule sein möchte, heißt: »Wir lernen, um anderen zu helfen.« Diese Schule hat inzwischen einen enormen Zulauf. Die Einigkeit in der übergeordneten Haltung macht ein starres darunterliegendes System überflüssig.
Dieser Grundsatz ist allerdings nicht flexibel handhabbar. Wer dem System beitritt, akzeptiert das. Übertragen auf ein Unternehmen bedeutet das, dass nur jene Menschen an Bord genommen werden, die in die Unternehmenskultur passen. Kommt es bei aller Unterschiedlichkeit im Denken und Handeln zu Unterschieden in der grundsätzlichen Haltung, dann wird man in der Regel versuchen, diese Einigkeit über starre Regeln und Prozesse wieder herbeizuführen. Dass das nicht gelingen kann, haben Sie sicher schon an vielen Stellen selbst erfahren.
Fokussierung statt Konzentration
Planungen schränken darüber hinaus immer den Blickwinkel ein. Mit der Konzentration auf bestimmte Ziele lasse ich andere außer Acht. Ich treffe Annahmen über meine Erwartungen, die meine Aufmerksamkeit genau auf diese Aspekte lenken. Aufgrund dieser Erwartungen werden gelenkte Entscheidungen getroffen. Erwartungen schaffen genauso viele Probleme wie Pläne und Ziele. Das macht es eben so schwierig, achtsam zu handeln, wenn man zu sehr mit Plänen und Zielen beschäftigt ist. Deswegen unterscheiden wir hier so genau zwischen Konzentration und Fokussierung. Eine Fokussierung ermöglicht СКАЧАТЬ