Maigret und Pietr der Lette. Georges Simenon
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Название: Maigret und Pietr der Lette

Автор: Georges Simenon

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Georges Simenon

isbn: 9783311700562

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СКАЧАТЬ Ich habe ihm einige überlassen, und er hat versprochen, sie sich genauer anzusehen.«

      »Die Autopsie?«

      »Um zehn Uhr war alles vorbei. Vermutetes Alter: zweiunddreißig. Größe: ein Meter achtundsechzig. Keinerlei erbliche Belastungen. Allerdings ist eine Niere in schlechtem Zustand, was vermuten lässt, dass der Mann Alkoholiker war. Der Magen enthielt noch Tee und halb verdaute Nahrung, die man nicht gleich analysieren konnte. Sie werden sich morgen daranmachen.

      Nach beendeter Untersuchung wird die Leiche in der Gerichtsmedizin tiefgefroren.«

      Maigret wischte sich den Mund ab, nahm seinen Lieblingsplatz am Ofen wieder ein und streckte die Hand aus, in die Torrence wie immer sein Tabakpäckchen legte.

      »Was mich betrifft«, sagte er dann, »ich habe Pietr gesehen – oder denjenigen, der seinen Platz eingenommen hat, im Majestic. Da hat er seine Suite bezogen und mit den Mortimer-Levingstons zu Abend gegessen, mit denen er offenbar verabredet war.«

      »Die Milliardäre?«

      »Ja! Nach dem Essen hat er sich wieder auf sein Zimmer begeben. Ich habe den Amerikaner gewarnt. Mortimer ist dann auch hochgefahren. Zweifellos wollten sie zu dritt ausgehen, denn Mrs. Mortimer kam kurz danach in voller Abendmontur herunter. Zehn Minuten später hat man das Verschwinden der beiden Männer festgestellt.

      Der Lette hat seinen Smoking ausgezogen und unauffällige Kleider angezogen. Er trug eine Mütze, deshalb hat ihn der Portier für einen vom Küchenpersonal gehalten. Mortimer ist so gegangen, wie er war, im Abendanzug.«

      Torrence sagte nichts. Und während des langen Schweigens, das nun folgte, hörte man deutlich das Tosen des Orkans, der die Scheiben erzittern ließ, und das Bullern des Ofens.

      »Gepäck?«, fragte Torrence schließlich.

      »Ist durchsucht. Nichts! Kleider. Wäsche … Alles, was ein Luxusreisender so braucht. Aber kein Dokument. Die Mortimer behauptet steif und fest, dass ihr Mann ermordet worden ist.«

      Irgendwo schrillte eine Glocke. Maigret öffnete die Schreibtischschublade, in die er nachmittags die Telegramme zu Pietr dem Letten gelegt hatte.

      Dann betrachtete er die Landkarte. Sein Finger zeichnete eine Linie von Krakau über Bremen, Amsterdam, Brüssel nach Paris.

      In der Nähe von Saint-Quentin hielt er inne: ein Toter.

      In Paris brach die Linie ab. Zwei Männer verschwinden, mitten auf den Champs-Élysées.

      Übrig bleiben das Gepäck in einer Suite und Mrs. Mortimer-Levingston, ebenso gedankenleer wie der Schrankkoffer des Letten mitten in seinem Schlafzimmer.

      Maigrets Pfeife gab ein so entnervendes Gurgeln von sich, dass der Kommissar aus einer anderen Schublade eine Büchse mit Hühnerfedern nahm, das Mundstück reinigte und die schmutzigen Federn dann in den Ofen warf.

      Vier Bier waren getrunken, Schaumreste und Abdrücke fettiger Lippen trübten die Gläser. Aus einem der Nachbarbüros kam ein Mann, verschloss seine Tür und entfernte sich über den Flur.

      »Der hat es für heute hinter sich!«, bemerkte Torrence. »Es ist Lucas. Heute Abend hat er zwei Drogenschmuggler verhaftet. Ein reiches Jüngelchen hat ausgepackt.«

      Maigret schürte das Feuer und richtete sich mit rotem Gesicht wieder auf. Unwillkürlich griff er nach dem Umschlag aus Seidenpapier, holte die Haarsträhne heraus und hielt sie gegen das Licht. Dann stellte er sich wieder vor die Karte, auf der die unsichtbare Linie, die Reiseroute des Letten, eine deutliche Kurve, fast einen Halbkreis beschrieb.

      Warum von Krakau in den Norden, nach Bremen, fahren und von dort wieder nach Süden bis Paris?

      Er hielt immer noch den Umschlag in der Hand und murmelte:

      »Es war einmal ein Porträtfoto darin.«

      Tatsächlich handelte es sich um eine Verpackung, wie sie Fotografen benutzen, wenn sie ihren Kunden die Abzüge überreichen.

      Doch dieses Format, das früher Albumformat genannt wurde, gab es nur noch auf dem Land und in kleinen Provinzstädten.

      Das Foto musste auf einem Karton von halber Postkartengröße aufgezogen gewesen sein, auf dünnem, elfenbeinfarbenem glänzendem Papier.

      »Ist noch jemand im Labor?«, fragte der Kommissar unvermittelt.

      »Ich glaube, ja! Der Fall im Zug macht viel Arbeit, sie müssen die Negative entwickeln.«

      Auf dem Tisch stand nur noch ein volles Glas. Maigret leerte es in einem Zug und schlüpfte in sein Jackett.

      »Kommen Sie mit? Auf diesen Porträtbildern sind gewöhnlich Namen und Adresse des Fotografen aufgedruckt oder geprägt …«

      Torrence begriff. Sie begaben sich in ein kompliziertes Netz von Korridoren und Treppen, gingen unter dem Dach des Palais de Justice entlang und erreichten schließlich das Labor des Erkennungsdienstes.

      Ein Spezialist nahm das Papier, betastete es, schien es sogar zu beschnüffeln. Dann setzte er sich unter eine sehr helle Lampe und zog einen furchterregenden, auf einen Karren montierten Apparat zu sich heran.

      Das Prinzip ist simpel: Ein weißes Blatt Papier, das eine Zeit lang auf einem bedruckten oder mit Tinte beschriebenen zweiten Blatt liegt, absorbiert dessen Beschriftung.

      Das Ergebnis ist mit bloßem Auge nicht zu sehen. Doch die Fotografie macht es sichtbar.

      Da es im Labor einen Ofen gab, musste Maigret zwangsläufig dort landen. Fast eine Stunde blieb er Pfeife rauchend davor stehen, während Torrence dem Fotografen zusah, der seines Amtes waltete.

      Endlich öffnete sich die Tür einer Dunkelkammer.

      »Geschafft! Der Schriftzug auf dem Foto lautete: Léon Moutet, Kunstfotograf, Quai des Belges, Fécamp.«

      Nur ein Profi konnte die kaum wahrnehmbaren Zeichen auf der Platte lesen; jemand wie Torrence nahm nur undeutliche Schatten darauf wahr.

      »Wollen Sie die Fotos von der Leiche sehen?«, fragte der Spezialist gut gelaunt. »Sie sind ausgezeichnet! Obwohl es in der Zugtoilette so eng war! Ob Sie’s glauben oder nicht, wir haben den Apparat an der Decke aufgehängt …«

      »Können Sie hier mit der Stadt telefonieren?«, fragte Maigret, auf das Telefon deutend.

      »Ja … Nach neun ist die Telefonistin aber nicht mehr da … Da muss man selbst wählen.«

      Der Kommissar rief das Majestic an. Ein Dolmetscher war am Apparat.

      »Ist Monsieur Mortimer-Levingston zurück?«

      »Ich werde mich erkundigen. Mit wem habe ich die Ehre?«

      »Polizei!«

      »Er ist noch nicht zurück.«

      »Monsieur Oswald Oppenheim auch nicht?«

      »Nein, auch nicht …«

      »Was macht Mrs. Mortimer?«

      Schweigen.

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