Название: Die Löwenskölds - Romantrilogie
Автор: Selma Lagerlöf
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788711475027
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»Ja«, fuhr er fort, »es ist mir ernst mit dem, was ich sagte. Ich war bange, dieser schöne Sommer könne mich verleiten, etwas Irdisches zu lieben. Wie oft habe ich das Ende dieses herrlichen Wetters herbeigewünscht, gewünscht, der Sommer möge uns Blitz und Donner, Dürre und Schwüle, Landregen und kalte Nächte bringen, wie das schon so oft in andern Jahren geschehen ist.«
Thea Sundler sog alle seine Worte in sich hinein. – Wo wollte er hin? Was wollte er damit sagen? Sie wußte es nicht, wünschte es aber fast krampfhaft, er möchte fortfahren, damit sie noch lange den Wohllaut seiner Stimme, die schönen Worte und das ausdrucksvolle Mienenspiel genießen könnte.
»Verstehen Sie mich?« rief er aus. »Aber über Sie hat die Natur vielleicht keine Macht. Sie spricht nicht zu Ihnen mit starken, geheimnisvollen Worten. Sie fragt Sie nie, warum Sie nicht dankbar alle ihre guten Gaben genießen, warum Sie das Glück nicht ergreifen, das so erreichbar nahe liegt; warum Sie sich nicht ein eigenes Heim gründen und sich mit der Geliebten Ihres Herzens vermählen, wie alle Geschöpfe in diesem gesegneten Sommer es tun?«
Er nahm den Hut ab und strich sich mit der Hand über die Stirne.
»Der schöne Sommer«, fuhr er fort, »ist ein Bundesgenosse für Charlotte geworden. Sehen Sie, dieser Reichtum, diese Freundlichkeit, diese allgemeine Lebenslust hat mich berauscht. Ich bin umhergegangen wie ein Blinder. Charlotte hat meine Liebe und auch meine Sehnsucht, meinen Wunsch, sie zu besitzen, wachsen sehen.
Ach, Sie wissen ja nicht ... Jeden Morgen gegen sechs Uhr gehe ich von dem kleinen Anbau, in dem meine Zimmer liegen, hinüber in das Haupthaus, um meinen Morgenkaffee zu trinken. Da kommt mir Charlotte in dem großen hellen Eßzimmer, wo die Luft durch die offenen Fenster hereinströmt, entgegen. Sie ist fröhlich und zwitschert wie ein Vöglein, und wir trinken unseren Kaffee zusammen, wir zwei allein. Weder der Propst noch seine Frau sind dabei.
Sie glauben vielleicht, Charlotte nehme die Gelegenheit wahr, mit mir von unserer Zukunft zu sprechen. Oh, ganz gewiß nicht! Sie spricht mit mir über meine Armen, meine Kranken, sie spricht über die Gedanken in meiner Predigt, die ihr am meisten zu Herzen gegangen sind. Sie zeigt sich in allen Dingen so, wie es sich für eine gute Pfarrfrau gehört. Nur einzelne Male, ganz im Vorbeigehen, nur scherzhaft, spricht sie auch von dem Lektorat. So ist sie mir Tag für Tag lieber geworden. Wenn ich dann wieder an meinem Schreibtisch sitze, wird mir das Arbeiten schwer. Ich träume von Charlotte. Ich habe Ihnen ja vorhin gesagt, wie ich mein Leben einzurichten gedenke. Nun träumte ich davon, wie meine liebe Charlotte sich von all den weltlichen Ketten loslöst und sie mir freudig in meine kleine graue Hütte folgt.«
Bei diesem Bekenntnis konnte Thea Sundler einen Ausruf nicht unterdrücken.
»Gewiß haben Sie recht«, sagte er. »Ich bin blind gewesen. Charlotte hat mich an einen Abgrund geführt. Sie hat nur einen Augenblick der Schwachheit abgewartet, um mir das Versprechen abzulocken, mich um ein Lektorat zu bewerben. Sie sah, wie dieser Sommer dazu beitrug, mich sorglos zu machen. Sie glaubte sich sicher am Ziel, und so hat sie Sie und alle die andern auf meinen Berufswechsel vorbereitet. Aber Gott hat mich beschützt.«
Noch einmal trat Karl Artur auf Thea Sundler zu. Er las vielleicht auf ihrem Gesicht, daß seine Worte ihr Freude machten, daß sie sich glücklich darüber fühlte. Aber nun schien es ihn zu reizen, daß sie sich an der durch sein Leiden hervorgerufenen Beredsamkeit erfreute. Ein schmerzlicher Zug flog über sein Antlitz.
»Glauben Sie nur ja nicht, ich freue mich über das, was Sie mir gesagt haben!« brach er los.
Thea Sundler erschrak. Er ballte die Fäuste und schüttelte sie.
»Ich danke es Ihnen nicht, daß Sie mir die Binde von den Augen gerissen haben. Sie sollen sich nicht über das freuen, was Sie soeben gehört haben! Ich hasse Sie, weil Sie mich nicht in den Abgrund stürzen ließen. Ich will Sie nie wieder sehen.«
Er wandte sich ab und eilte den schmalen Pfad zwischen Frau Sundlers schönen Rosen hinab der Landstraße zu. Aber Thea Sundler ging in ihr Stübchen, warf sich in ihrer Zerknirschung auf den Fußboden und weinte, wie sie noch nie geweint hatte.
Im Garten der Propstei
Die kurze Strecke vom Kirchdorf bis in die Propstei nahm für jemand, der so rasch und stürmisch dahinging wie Karl Artur, nicht mehr als fünf Minuten in Anspruch. Aber während dieser fünf Minuten überlegte er sich viele strenge und stolze Gedanken, mit denen er seine Braut zu beglücken gedachte, sobald er mit ihr zusammentreffen würde.
»Ja«, murmelte er, »der rechte Augenblick ist gekommen. Nichts soll mich abhalten. Heute noch muß es zu einer Entscheidung kommen. Sie muß endlich einsehen, daß trotz aller meiner Liebe zu ihr mich nichts bewegen kann, nach den weltlichen Vorteilen zu trachten, die sie anstrebt. Ich habe keine Wahl, ich muß Gott dienen. Eher will ich sie aus meinem Herzen reißen.«
Stolze Zuversicht erfüllte ihn. Er fühlte es deutlich, heute standen ihm Worte zur Verfügung, um zu zerknirschen, zu rühren, zu überzeugen. Die heftige Gemütsbewegung hatte sein Innerstes in Wallung versetzt, und eine Tür war aufgerissen worden, die in einen Raum seiner Seele führte, in den er bisher noch nie geblickt hatte. In diesem Raum waren die Wände mit reichen Trauben und schönen Blumenranken behängt. Aber diese Trauben und Ranken waren Worte, herrliche, klare, formvollendete Worte. Er brauchte nur hinzutreten und sich ihrer zu bemächtigen. Alles dies stand zu seiner Verfügung. Es war ein Reichtum, ein unerhörter Reichtum.
Er lachte über sich selbst. Bis jetzt hatte er seine Predigt stets mit großer Mühe zusammengebracht, er hatte die Gedanken gleichsam aus seiner Seele herausquälen müssen. Und doch hatte dieser Reichtum die ganze Zeit über in ihm gelegen!
Was Charlotte betraf, so durfte es so nicht länger bleiben. Wahrhaftig, bisher war sie es gewesen, die versucht hatte, ihn zu beherrschen. Das mußte anders werden. Er würde reden, sie zuhören. Er würde führen, sie folgen. Von nun an sollten ihre Blicke an seinem Munde hängen wie vorhin die der armen Organistenfrau.
Das gab natürlich Streit, aber nichts sollte ihn dazu bringen, nachzugeben.
»Lieber reiße ich sie aus meinem Herzen!« rief er aus.
Gerade als er vor der Propstei angelangt war, flog die Gittertür auf, und ein eleganter, von vier Rappen gezogener Wagen fuhr heraus.
Es war ihm klar, nun hatte der Hüttenbesitzer Schagerström einen Besuch in der Propstei gemacht. Zugleich erinnerte er sich an Charlottes Äußerung bei jener Kaffeegesellschaft am Anfang des Sommers. Wie ein Blitz fuhr es ihm durch den Kopf, Schagerström sei in die Propstei gekommen, um seine Braut zur Frau zu begehren.
Das war ein unsinniger Gedanke; aber trotzdem krampfte sich ihm das Herz zusammen.
War das nicht ein ganz besonderer Blick, den der reiche Mann ihm zuwarf, als der Wagen auf die Landstraße einbog? Lag nicht eine spöttische Neugier darin und zugleich etwas wie Mitleid?
Nein, er konnte nicht zweifeln. Er hatte recht geraten. Aber das war doch ein gar zu schwerer Schlag. Sein Herz stockte, und es wurde ihm schwarz vor den Augen. Er hatte gerade noch so viel Kraft, sich bis ans Gartentor zu schleppen.
Charlotte hatte ja gesagt. Er würde sie verlieren. Er würde vor Verzweiflung sterben.
Mitten in diesem Kummer sah er Charlotte aus dem Wohnhause treten und eilig auf ihn zukommen. Er sah die erhöhte Farbe ihrer Wangen, den Glanz ihrer Augen, die Siegermiene um den Mund. Nun kam sie, um ihm zu erklären, daß sie den reichen Mann in Korskyrka heiraten СКАЧАТЬ