Название: Lektorat, Programmplanung und Projektmanagement im Buchverlag
Автор: Michael Schickerling
Издательство: Bookwire
Жанр: Социология
Серия: BRAMANNBasics
isbn: 9783959031059
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1.1
Programmentwicklung
Stärker als ein einzelnes Buch prägt das Gesamtprogramm das Erscheinungsbild eines Verlags. So gehört das kritische Sachbuch zum Westend Verlag wie modische Kochbücher zu Gräfe und Unzer. Während bei Westend der aufklärerische Anspruch im Vordergrund steht, beruht die Programmplanung bei GU auf intensiver Marktforschung. Beiden ist jedoch ein Ziel gemeinsam: Trends rechtzeitig erkennen, teure Flops vermeiden und aus einzelnen Büchern ein erfolgreiches, gewinnbringendes Programm mit unverwechselbarem Profil machen.
Bei Verlagen mit einem hohen Titelausstoß geht die Zahl der lieferbaren Bücher leicht in die Hunderte oder gar Tausende, und auch #Self-Publisher tragen ihren Teil zur Titelflut bei. Doch damit stellt sich die Frage: Wie kann die langfristige Programmstrategie eines Verlags aussehen, welche Veränderungen sind notwendig? Alle Verlage wünschen sich, dass sich ein neu erschienenes Buch möglichst lange und erfolgreich am Markt behaupten kann. Doch kaum ein Titel verkauft sich auf unbegrenzte Zeit. Wichtig ist also, in einem überschaubaren Zeitraum einen ausreichenden Umsatz zu erzielen, der die Entwicklungskosten ausgleicht und einen Gewinn abwirft.
Produktlebenszyklus
Jedes Buch hat einen charakteristischen Lebenszyklus. Dieser zeigt, wie Absatz und Gewinn über die gesamte Lebensdauer verlaufen. Der Produktlebenszyklus, für den es unterschiedliche Modelle gibt, teilt sich üblicherweise in fünf Phasen, deren Dauer je Titel unterschiedlich ausfallen kann. Dieses Konzept aus der Marketingpraxis bietet eine nützliche Orientierungshilfe, nicht mehr und nicht weniger. Entscheidend ist, rechtzeitig zu erkennen, an welcher Stelle sich einzelne Reihen oder Titel befinden – um die programm- und absatzpolitisch passenden Entscheidungen zu treffen.
PRODUKTLEBENSZYKLUSKONZEPTEin ›Urheber‹ lässt sich nicht benennen. Erste Ansätze hierzu finden sich schon Anfang des 20. Jahrhunderts, ausführliche Darstellungen seit den 1950er und 1960er Jahren. Somit gibt es kein verbindliches ›Urmodell‹, sondern diverse Ausprägungen, die sich hinsichtlich der Zahl und Benennung der Phasen unterscheiden. Oft werden fünf Hauptphasen genannt: Einführung, Wachstum, Reife, Sättigung und Degeneration, wobei die beiden letzten manchmal zusammengefasst werden. Hinzu können vorgelagerte Phasen (Beobachtung, Entwicklung) ebenso kommen wie nachgelagerte Phasen (Entsorgung, Desinvestition).
Produktlebenszyklus12
•ProduktentwicklungEin neues Buchprojekt entsteht und verursacht Kosten, zum Beispiel für Honorarvorschüsse, Übersetzung, Lektorat oder Herstellung, aber es gibt noch keine Verkaufserlöse.
•MarkteinführungDie Neuerscheinung wird dem Handel angeboten, und das Buch erscheint. Noch decken die Einnahmen nicht die Kosten für Projektentwicklung und Marketing.
•WachstumDie Markteinführung ist erfolgreich verlaufen, das Buch wird von den Lesern angenommen, die Medien berichten positiv. Der Absatz steigt, die Gewinne wachsen.
•ReifeDer Absatz ist möglichst lange hoch, schwächt sich aber zunehmend ab; eventuell erscheinen erste Konkurrenzprodukte. Um die Verkäufe auf diesem Niveau zu halten, muss wieder stärker in Marketing und Vertrieb investiert werden. Denkbar ist auch, #Lizenzen für günstigere Taschenbuch- oder Sonderausgaben zu vergeben oder diese selbst zu produzieren.
•AbsatzrückgangDer Markt ist gesättigt, der Absatz geht endgültig zurück, die Gewinne sinken. Eventuell läuft das Buch aus, um durch einen Nachfolgetitel ersetzt zu werden. Mit einer überarbeiteten Neuauflage lässt sich der Titel vielleicht mit frischem Schub wieder in die Wachstumsphase zurückführen.
Neuerscheinungen, die diese kritische Einführungsphase überstehen, haben gute Chancen, sich als Backlisttitel über einen langen Zeitraum zu verkaufen. Dabei helfen regelmäßige Erwähnungen in den Medien, den Titel am Laufen zu halten. Die Werbung setzt den Schwerpunkt nicht mehr auf den Inhalt, sondern nutzt hohe Auflagenzahlen oder positive Statements bekannter Medien und Persönlichkeiten, sogenannter Testimonials, als Verkaufsargumente. Über zusätzliche Absatzkanäle werden neue Käufer gefunden. Neuauflagen in veränderter Ausstattung, eventuell in Verbindung mit Preisanpassungen, können den Absatz ebenfalls ankurbeln.
Aber selbst der beste Longseller hat irgendwann alle seine Käufer gefunden. Der Rückgang der Verkaufszahlen mag dabei langsam verlaufen, aber allzu oft wurde die Größe der Zielgruppe falsch eingeschätzt oder die Zielgruppe nicht erreicht. Auf keinen Fall darf der Verlag nun den Fehler begehen, einem veralteten oder schwachen Titel zu viel Aufmerksamkeit zu widmen. Denn diese Kapazitäten können produktiver für die Entwicklung neuer – hoffentlich erfolgreicherer – Projekte eingesetzt werden.
Programmportfolio
Der Produktlebenszyklus zeigt zwar, wie sich ein einzelner Titel entwickelt, er gibt jedoch wenig Aufschluss über die Positionierung des Gesamtprogramms. Mithilfe einer einfachen Matrix, die von der Unternehmensberatung Boston Consulting Group entwickelt wurde, lassen sich Marktanteile und Wachstumschancen anschaulich darstellen:13
BCG-MATRIXDieses Modell beruht auf der Portfoliotheorie der Finanzwirtschaft aus den 1950er Jahren, bei der es um eine Zusammenstellung unterschiedlicher Anlagemöglichkeiten zur Risikominimierung geht. 1968 wurde sie vom Gründer der Boston Consulting Group Bruce Henderson vorgestellt und ist noch immer ein wichtiges Werkzeug der Strategieentwicklung. Das Modell berücksichtigt nicht das Potenzial schrumpfender Märkte, wie sie für Teile des Verlagsgeschäfts typisch sind.
•Fragezeichen(›Question Marks‹) befinden sich oft in der Einführungsphase und besitzen einen geringen Marktanteil in wachsenden Märkten. Wie sie sich entwickeln werden, lässt sich schwer abschätzen. Um den Marktanteil auszubauen, sind Investitionen in Marketing und Vertrieb notwendig.
•Stars(›Stars‹) weisen hohe Wachstumsraten und einen hohen Marktanteil auf. Um Marktanteil und hohes Wachstum zu halten, sind weitere Investitionen in Marketing und Vertrieb nötig. Bei kontinuierlicher Programmpflege entwickeln sie sich oft zu Melkkühen.
•Melkkühe(›Cash Cows‹) sind eingeführte und erfolgreiche Titel. Sie habe geringe Wachstumsraten, verursachen kaum Kosten, bringen aber hohe Umsätze und Gewinne – ein Glücksfall für jeden Verlag.
Boston-Matrix
•Lahme Hunde(›Poor Dogs‹) sind Problemtitel ohne Zukunftsperspektive: Der Markt ist gesättigt, der Verkauf rückläufig, im besten Fall spielen sie ihre Kosten ein. Der Verlag sollte sie aufgeben – es sei denn, sie dienen der Autorenbindung oder leisten einen unverzichtbaren Beitrag zu Image und Profil des Verlags.
Eine optimale Programmstruktur weist möglichst keine lahmen Hunde auf, dafür sollten Stars und Melkkühe etwa 80 Prozent des Umsatzes ausmachen. Für jeden Programmbereich eines Verlags stellt sich also regelmäßig die Frage nach der eigenen Position: Wie hoch ist der Marktanteil? Gibt es ein Wachstum? Welche СКАЧАТЬ