Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg
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Название: Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band)

Автор: Rosa Luxemburg

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788075833211

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СКАЧАТЬ Schema weit ab, und die pedantische Vorstellung, in der der reine politische Massenstreik logisch von dem gewerkschaftlichen Generalstreik als die reifste und höchste Stufe abgeleitet, aber zugleich klar auseinandergehalten wird, ist von der Erfahrung der russischen Revolution gründlich widerlegt. Dies äußert sich nicht bloß geschichtlich darin, dß die Massenstreiks, von jenem ersten großen Lohnkampf der Petersburger Textilarbeiter im Jahre 1896-1897 bis zu dem letzten großen Massenstreik im Dezember 1905, ganz unmerklich aus ökonomischen in politische übergehen, so dß es fast unmöglich ist, die Grenze zwischen beiden zu ziehen. Auch jeder einzelne von den großen Massenstreiks wiederholt sozusagen im kleinen die allgemeine Geschichte der russischen Massenstreiks und beginnt mit einem rein ökonomischen oder jedenfalls partiellen gewerkschaftlichen Konflikt, um die Stufenleiter bis zur politischen Kundgebung zu durchlaufen. Das große Massenstreikgewitter im Süden Rußlands 1902 und 1903 entstand, wie wir gesehen, in Baku aus einem Konflikt infolge der Mßregelung Arbeitsloser, in Rostow aus Lohndifferenzen in den Eisenbahnwerkstätten, in Tiflis aus einem Kampf der Handelsangestellten um die Verkürzung der Arbeitszeit, in Odessa aus einem Lohnkampf in einer einzelnen kleinen Fabrik. Der Januar-Massenstreik 1905 entwickelt sich aus dem internen Konflikt in den Putilow-Werken, der Oktoberstreik aus dem Kampf der Eisenbahner um die Pensionskasse, der Dezemberstreik endlich aus dem Kampf der Post- und Telegraphenangestellten um das Koalitionsrecht. Der Fortschritt der Bewegung im ganzen äußert sich nicht darin, dß das ökonomische Anfangsstadium ausfällt, sondern vielmehr in der Rapidität, womit die Stufenleiter zur politischen Kundgebung durchlaufen wird und in der Extremität des Punktes, bis zu dem sich der Massenstreik voranbewegt.

      Allein die Bewegung im ganzen geht nicht bloß nach der Richtung vom ökonomischen zum politischen Kampf, sondern auch umgekehrt. Jede von den großen politischen Massenaktionen schlägt, nachdem sie ihren politischen Höhepunkt erreicht hat, in einen ganzen Wust ökonomischer Streiks um. Und dies bezieht sich wieder nicht bloß auf jeden einzelnen von den großen Massenstreiks, sondern auch auf die Revolution im ganzen. Mit der Verbreitung, Klärung und Potenzierung des politischen Kampfes tritt nicht bloß der ökonomische Kampf nicht zurück, sondern er verbreitet sich, organisiert sich und potenziert sich seinerseits in gleichem Schritt. Es besteht zwischen beiden eine völlige Wechselwirkung.

      Jeder neue Anlauf und neue Sieg des politischen Kampfes verwandelt sich in einen mächtigen Anstoß für den wirtschaftlichen Kampf, indem er zugleich seine äußeren Möglichkeiten erweitert und den inneren Antrieb der Arbeiter, ihre Lage zu bessern, ihre Kampflust erhöht. Nach jeder schäumenden Welle der politischen Aktion bleibt ein befruchtender Niederschlag zurück, aus dem sofort tausendfältige Halme des ökonomischen Kampfes emporschießen. Und umgekehrt. Der unaufhörliche ökonomische Kriegszustand der Arbeiter mit dem Kapital hält die Kampfenergie in allen politischen Pausen wach, er bildet sozusagen das ständige frische Reservoir der proletarischen Klassenkraft, aus dem der politische Kampf immer von neuem seine Macht hervorholt, und zugleich führt das unermüdliche ökonomische Bohren des Proletariats alle Augenblicke bald hier, bald dort zu einzelnen scharfen Konflikten, aus denen unversehens politische Konflikte auf großem Mßstab explodieren.

      Mit einem Wort: Der ökonomische Kampf ist das Fortleitende von einem politischen Knotenpunkt zum andern, der politische Kampf ist die periodische Befruchtung des Bodens für den ökonomischen Kampf. Ursache und Wirkung wechseln hier alle Augenblicke ihre Stellen, und so bilden das ökonomische und das politische Moment in der Massenstreikperiode, weit entfernt, sich reinlich zu scheiden oder gar auszuschließen, wie es das pedantische Schema will, vielmehr nur zwei ineinandergeschlungene Seiten des proletarischen Klassenkampfes in Rußland. Und ihre Einheit ist eben der Massenstreik. Wenn die spintisierende Theorie, um zu dem »reinen politischen Massenstreik« zu gelangen, eine künstliche logische Sektion an dem Massenstreik vornimmt, so wird bei diesem Sezieren, wie bei jedem anderen, die Erscheinung nicht in ihrem lebendigen Wesen erkannt, sondern bloß abgetötet.

      3. Endlich zeigen uns die Vorgänge in Rußland, dß der Massenstreik von der Revolution unzertrennlich ist. Die Geschichte der russischen Massenstreiks das ist die Geschichte der russischen Revolution. Wenn freilich die Vertreter unseres deutschen Opportunismus von »Revolution« hören, so denken sie sofort an Blutvergießen, Strßenschlachten, an Pulver und Blei, und der logische Schluß daraus ist: der Massenstreik führt unvermeidlich zur Revolution, ergo dürfen wir ihn nicht machen. In der Tat sehen wir in Rußland, dß beinahe jeder Massenstreik im letzten Schluß auf ein Renkontre mit den bewaffneten Hütern der zarischen Ordnung hinausläuft; darin sind die sogenannten politischen Streiks den größeren ökonomischen Kämpfen ganz gleich. Allein die Revolution ist etwas anderes und etwas mehr als Blutvergießen. Im Unterschied von der polizeilichen Auffassung, die die Revolution ausschließlich vom Standpunkte der Strßenunruhen und Krawalle, d. h. vom Standpunkte der »Unordnung« ins Auge fßt, erblickt die Auffassung des wissenschaftlichen Sozialismus in der Revolution vor allem eine tiefgehende innere Umwälzung in den sozialen Klassenverhältnissen. Und von diesem Standpunkt besteht zwischen Revolution und Massenstreik in Rußland auch noch ein ganz anderer Zusammenhang als der von der trivialen Wahrnehmung konstatierte, dß der Massenstreik gewöhnlich im Blutvergießen endet.

      Wir haben oben den inneren Mechanismus der russischen Massenstreiks gesehen, der auf der unaufhörlichen Wechselwirkung des politischen und des ökonomischen Kampfes beruht. Aber gerade diese Wechselwirkung ist bedingt durch die Revolutionsperiode. Nur in der Gewitterluft der revolutionären Periode vermag sich nämlich jeder partielle kleine Konflikt zwischen Arbeit und Kapital zu einer allgemeinen Explosion auszuwachsen. In Deutschland passieren jährlich und täglich die heftigsten, brutalsten Zusammenstöße zwischen Arbeitern und Unternehmern, ohne dß der Kampf die Schranken der betreffenden einzelnen Branche oder der einzelnen Stadt, ja Fabrik überspringt. Mßregelungen organisierter Arbeiter wie in Petersburg, Arbeitslosigkeit wie in Baku, Lohnkonflikte wie in Odessa, Kämpfe um das Koalitionsrecht wie in Moskau sind in Deutschland auf der Tagesordnung. Kein einziger dieser Fälle schlägt jedoch in eine gemeinsame Klassenaktion um. Und wenn sie sich selbst zu einzelnen Massenstreiks auswachsen, die zweifellos einen politischen Anstrich haben, so entzünden sie auch dann noch kein allgemeines Gewitter. Der Generalstreik der holländischen Eisenbahner, der trotz wärmster Sympathien mitten in völliger Unbeweglichkeit des Proletariats im Lande verblutete, liefert einen frappanten Beweis dafür.

      Und umgekehrt, nur in der Revolutionsperiode, wo die sozialen Fundamente und die Mauern der Klassengesellschaft aufgelockert und in ständiger Verschiebung begriffen sind, vermag jede politische Klassenaktion des Proletariats in wenigen Stunden ganze, bis dahin unberührte Schichten der Arbeiterschaft aus der Unbeweglichkeit zu reißen, was sich sofort naturgemäß in einem stürmischen ökonomischen Kampf äußert. Der plötzlich durch den elektrischen Schlag einer politischen Aktion wachgerüttelte Arbeiter greift im nächsten Augenblick vor allem zu dem nächstliegenden: zur Abwehr gegen sein ökonomisches Sklavenverhältnis; die stürmische Geste des politischen Kampfes läßt ihn plötzlich mit ungeahnter Intensität die Schwere und den Druck seiner ökonomischen Ketten fühlen. Und während z. B. der heftigste politische Kampf in Deutschland: der Wahlkampf oder der parlamentarische Kampf um den Zolltarif kaum einen vernehmbaren direkten Einfluß auf den Verlauf und die Intensität der gleichzeitig in Deutschland geführten Lohnkämpfe ausübt, äußert sich jede politische Aktion des Proletariats in Rußland sofort in der Erweiterung und Vertiefung der Fläche des wirtschaftlichen Kampfes.

      So schafft also die Revolution erst die sozialen Bedingungen, in denen jenes unmittelbare Umschlagen des ökonomischen Kampfes in politischen und des politischen Kampfes in ökonomischen ermöglicht wird, das im Massenstreik seinen Ausdruck findet. Und wenn das vulgäre Schema den Zusammenhang zwischen Massenstreik und Revolution nur in den blutigen Strßen-Renkontres erblickt, mit denen die Massenstreiks abschließen, so zeigt uns ein etwas tieferer Blick in die russischen Vorgänge einen ganz umgekehrten Zusammenhang: in Wirklichkeit produziert nicht der Massenstreik die Revolution, sondern die Revolution produziert den Massenstreik.

      4. Es genügt, das Bisherige zusammenzufassen, um auch über die Frage der bewußten Leitung und der Initiative bei dem Massenstreik Aufschluß zu bekommen. Wenn der Massenstreik СКАЧАТЬ