Название: Weihnachts-Klassiker für alle Generationen: 280 Romane, Sagen, Märchen & Gedichte
Автор: Martin Luther
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9788027223305
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»Nun, oberflächlich, ein wenig ungeeignet für die Braunecker Herrschaft. Ich meine, sie hätte ebensowohl eines reichen Schlächtermeisters Sohn heiraten können, so in der zweiten Generation, wo das Geld schon etwas gewaschen ist. Ich habe einmal einen wahren Greuel von Bild von ihr gemalt. Und die Leute machen erst noch eine Menge Aufhebens davon. Ich schämte mich dabei. Der Fürst hat auch den guten Geschmack gehabt, das Bild nicht in seinen Ahnensaal zu hängen, es treibt sich irgendwo herum – auf Ausstellungen. Nein, wie ihr Bild ist sie nicht ... Ihre Stieftochter liebt sie ja nicht gerade innig, was man auch kaum von einer jungen lebenslustigen Dame ihrer heranwachsenden Tochter gegenüber verlangen kann. Auch ist das Seelchen durchaus nicht leicht zu verstehen, und wenn man nicht den Schlüssel zu ihrem Wesen hat, reichlich geheimnisvoll. Versteht sich auch auf den passiven Widerstand bei aller Sanftmut. Sie ist darin wie Wasser, weich und sanft und stark. Das alles empfiehlt sie ja einer Stiefmutter nicht sehr. Von irgend welchen Grausamkeiten, welche die Fürstin an ihr verübt hätte, habe ich nie das mindeste gehört.« »Und der Fürst?«
»Oh, ein durchaus vornehmer Mensch. Grand Seigneur, sehr sogar. Er kann darin so wenig aus seiner Haut wie wir alle. Seine Tochter hing ihm sehr am Herzen, ohne daß er sie darum besonders gut verstanden hatte. In seiner Ehe hat er eine Reihe Enttäuschungen erlebt. Haus Brauneck wartet immer noch auf einen Erben.
Die Aufgabe, die mir die Prinzessin zugeteilt, mit ihrem Vater zu reden, ist so ziemlich die peinlichste und schwierigste, die ich mir denken kann. Ich habe den Fürsten seit Jahren nicht mehr gesehen, bin unter Umständen von ihm geschieden, die es mir nahelegten, meine Persönlichkeit für einige Zeit aus seinem Gesichtskreis verschwinden zu lassen. Und tauche nun plötzlich hier auf, wo man mich am allerwenigsten wünscht oder erwartet ...
Ob der Fürst mich anhören will. Ob er nicht von vornherein sich jede Einmischung in seine innersten Angelegenheiten mit mehr oder weniger Höflichkeit verbittet ...
Ich sehe mich schon in Situationen!
Zum erstenmal reut mich bitter, daß ich immer noch weder verheiratet noch verlobt bin. Ich würde mich auf der Stelle verloben, wenn nur irgend ein verlobungsmöglicher Gegenstand in der Nähe wäre. Dem Seelchen muß ich zu Hilfe kommen.«
Der Herr Geheimrat lächelte ein wenig: »Nun, ein solches Opfer, das immerhin seine Konsequenzen hätte, wird doch nicht nötig sein.«
»Wenn ich nur dem Fürsten klar machen könnte, daß kein Mensch sich des Abstandes zwischen mir und seiner Tochter so klar bewußt ist wie ich.«
Harro stand auf. Das ferne Blinken auf dem Meere wurde deutlicher, irgendwo mußte ein Mondschein hinfallen. Ferne Lichter leuchteten auf. Da zog wohl ein stolzer Lloyddampfer vorüber, fern, ganz fern ... Er seufzte auf. »Ich halte Sie auf, Herr Geheimrat, ich hänge meine Unruhe an Sie.«
»Ich gehöre, wenn ich einmal anfange, zu den Hockern, wie man in Tübingen sagte. Ich möchte solche späte Abendstunden, wo der Mensch sich immer mehr von seinem Alltagsgetriebe entfernt und man tiefer in die Seelen eindringt, nicht aus meinem Leben streichen.
Und es ist ganz unmöglich, nicht den allerherzlichsten Anteil an dieser Psyche zu nehmen. Ich habe noch nie ein so adelig vornehmes Mädchen gesehen. Ich hoffe, Sie verstehen mich. Es gibt in jedem Stand vornehme Seelen, – wobei ich allerdings sagen muß, daß mir unter der modernen Arbeiterbevölkerung, so wie sie sich jetzt heimatlos in großen Städten herumtreibt, noch nie eine begegnet ist. Doch da ist wohl meine Erfahrung beschränkt, und es ist mir vielleicht zu wenig gelungen, mich in diese Denkungsweise hineinzufinden. Es wäre schlimm für unser Volk, wenn es so wäre, – aber dies ist nun wieder etwas anderes. Die Prinzessin – sie muß einmal wertvolle Söhne bekommen. Dieser bei einem Mädchen doch ungewöhnlich hohe Begriff von Ehre. Um das, was man sonst Mädchenehre nennt, kann es sich ja nicht handeln.«
»Die Ehre, Herr Geheimrat, das ist ein Kraut, in ihrer innersten Herzkammer gewachsen. Mit elf Jahren hatte sie schon ein Ehrenwort. Kein Mensch wußte, wie sie zu dem Begriff kam. Ihre Erzieherinnen waren nicht geeignet, Seelenkräfte zu entwickeln, sie dressierten nur.«
»Das muß man wissen, Herr Graf. Ich freue mich, daß Sie Künstler sind. Ich sah es Ihren Augen an, – sofort, aber ich wußte nicht, ob Sie der Kunst auch leben.«
»Mit dem allergrößten Teil meines Herzens. Nur einen Winkel habe ich noch für meine Heimat übrig behalten. Es gab da manchmal schmerzliche Kollision der Pflichten. – Ich weiß, Herr Geheimrat, daß es die im höchsten Sinne nicht geben soll, es sieht aber manchmal verzweifelt so aus. Und nun fangen sich ja die beiden Herzensteile zu versöhnen an.«
»Wie mich das freut, Herr Graf ... Ihre Augen ... Gott segne Ihre Augen.«
Zwanzigstes Kapitel.
Von Königinnen
Der Doktor und der Herr Geheimrat saßen bei ihrem gemeinsamen Frühstück in der kleinen Pension am Strande beisammen. Sie waren allein, die anderen Gäste noch nicht erschienen oder schon fertig. Nur der französische Kellner ging auf und ab. Draußen glänzte ein goldener Sonnenschein auf dem blauen Meere.
»Nun, ich habe nichts anderes erwartet, lieber Doktor, die Prinzessin ist in den besten Händen und gibt sich selbst alle Mühe,« begann der Professor.
Der Doktor klopfte sich ein Ei auf. »In der Medizin sind Sie eben doch Laie, Herr Geheimrat.« »Sie müssen doch mit dem Willen rechnen, der Seelenstimmung überhaupt.«
»Der Fürst hat übrigens schon depeschiert, daß er komme.«
»Sehen Sie, das wird auch gut getan haben, das leugnen Sie nun auch nicht.«
»Ach, hätten Sie den Aquili geholt, was für schöne Reden könnte er jetzt an den Herrn Papa halten ...«
Der junge Doktor verneigte sich gegen einen imaginären Fürsten. »Die besten Aussichten, Durchlaucht, nur eine Frage der Zeit bis zur völligen Genesung. – Herr Geheimrat, Sie haben so gute Zuversicht, Sie müssen mir das Geschäft abnehmen.«
»Bis wann kann der Fürst da sein?«
»Einen Tag und eine Nacht noch.«
»Die Engländerin, hat sie sich blicken lassen?«
»Ja, nach ihrem Kirchgang, den dürfte man ihr nicht nehmen, behauptete die Prinzessin. Ich horchte an der Türe, man muß manchmal horchen ... Sie versicherte, daß sie nur noch in der Religion Trost finde, über die plötzliche ...«
»Plötzlich ist gut.«
»Erkrankung der Prinzessin. Und daß es sicherlich mehr Wert habe, wenn sie ihre Knie beuge ... Die Kniebeuge hörte ich deutlich. Auch ihr Zustand schien mir einer Diagnose bedürftig. Ich möchte auf etwas schließen, was wir in Tübingen das heulende Elend nannten.«
»Und Sie werden wohl damit die Sache getroffen haben. Mit ihr ist nichts zu wollen.«
»Herr Geheimrat,« rief der Doktor mit plötzlicher Wärme, »wenn ich Sie nicht hätte! Ich bin Ihnen sehr dankbar. Und die Prinzeß hat einen Glauben an Sie. Der Freund, der geheimnisvoll wie aus der Versenkung auftauchte, – den möchte ich СКАЧАТЬ