Weihnachts-Klassiker für alle Generationen: 280 Romane, Sagen, Märchen & Gedichte. Martin Luther
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СКАЧАТЬ Staaten leider vogelfrei, und der Amerikaner macht davon den ausgiebigsten Gebrauch. Es werden hier deutsche Werke massenhaft nachgedruckt, und die hiesigen Herausgeber – fast hätte ich gesagt Diebe – werden dabei reiche Leute, ohne den Verfassern, welche drüben am Hungertuche nagen, einen Cent zu bezahlen. Der sonst »Sehr moralische« Amerikaner will Geld machen; ob er dabei einen armen Schriftsteller seines sauer verdienten Arbeitslohnes beraubt, das ist ihm vollständig gleichgültig, wenn ihm diese meiner Ansicht nach freilich sehr unmoralische Money-mäkerei nur gelingt. Mir hat zum Beispiel die sehr löbliche »San Francisco-Abendpost« meine Werke nachgedruckt, ohne es nur der Mühe wert zu halten, mich wenigstens davon zu benachrichtigen oder mich dann auf meine wiederholten Anfragen auch nur einer einzigen Antwort zu würdigen. Und das ist eine Zeitung in deutscher Sprache! Es scheint da, man hat gar keine Veranlassung, darauf stolz zu sein, daß man ein Deutscher ist. – – Und selbst wenn wir Deutschen allen möglichen Schutz besäßen, würde ich mich gar nicht darüber wundern, daß dieser salbungsvolle Traktätchenhändler das Gedicht ohne alles Besinnen und Bedenken als sein Eigentum betrachtet hätte, denn wo die Frömmigkeit nur gleisnerische Außensache ist, pflegt sie nur als Deckmantel der Habsucht und noch schlimmerer Eigenschaften zu dienen.«

      »Hätte ich ihm doch die Erlaubnis, es abzuschreiben, nicht gegeben! Was ist denn das für eine entsetzliche Überschrift? Der Mann kann nicht bei Sinnen sein!«

      »Er erzählte mir sogar, daß der Dichter ein Pferdedieb gewesen sei, der kurz bevor er für seine Thaten aufgehängt wurde, aus Reue das Gedicht verfaßt habe. Doch, lassen wir das! Es genügt für jetzt, daß diese Strophen die Veranlassung meines Besuches bei Ihnen sind. Ich glaubte, annehmen zu müssen, daß jemand, der sich für – –«

      »Ah, bitte!« unterbrach sie mich. »Wir waren ganz davon abgekommen. Die Hauptsache ist doch – – sagen Sie, Sie sind der Verfasser dieses Gedichtes?«

      »Ja.«

      Ihre Augen öffneten sich weit, als ob sie meine ganze Gestalt mit einemmal umfassen wollten; sie hob die Arme gegen mich und fragte schnell weiter:

      »Dann sind Sie also der junge Schüler, welchen – –?«

      »Der bin ich,« nickte ich.

      »Welchen wir damals mit noch einem andern in – – in – – in Falkenau in Böhmen sahen?«

      »Ja.«

      »Sie kamen uns dann in die Mühle nach, wo mein guter, alter, lieber Vater starb?«

      »Ja.«

      »Und gaben uns – – gaben uns – –. Oh, ich war damals vor Herzeleid nicht bei mir selbst, sonst hätte ich – – hätte ich – – erlauben Sie! Ich muß ihn rufen, sofort rufen! Das ist einer meiner schönsten Lebenstage! Sie haben uns durch Ihr so ganz und gar nicht zu erwartendes Kommen eine Freude bereitet, die ganz unbeschreiblich ist, denn Sie wissen nicht, nein, Sie können gar keine Ahnung haben, wie oft wir an Sie, an den jungen Mann gedacht haben, der uns damals eine Wohlthat erwies, die wir ihm niemals, niemals vergelten können!«

      Sie wollte eine Nebenthür öffnen; ich hielt sie zurück und sagte:

      »Bitte, wenn Sie nicht wünschen, daß ich sofort wieder gehe, so erwähnen Sie ja nicht wieder, daß mein Mitgefühl mich damals zu einer Handlung hinriß, welche – –.«

      »Was? Welche – –?« unterbrach sie mich, indem sie sich mir rasch wieder zuwendete. »Welche Sie wohl lieber nicht gethan hätten? Das ist nicht wahr! Wenn Sie das sagen wollen, so kennen Sie sich selbst nicht! Ich weiß, daß Sie selbst ein armer, armer Teufel waren und das, was Sie im Gasthause genossen, nicht bezahlen konnten. Wer trotz dieser seiner Armut und ohne sich zu besinnen all sein Geld einem noch Bedürftigeren giebt, der bereut das nie, der wird stets mildthätig bleiben, denn sein offenes Herz ist eine herrliche Gottesgabe, um welche ihn selbst die größten Härten des Lebens nicht zu bringen vermögen. Und, weil wir einmal davon sprachen, ehe mein Sohn bei mir ist, will ich Ihnen folgendes sagen: Ich bin recht wohl in der Lage, Ihnen das Geld, welches Sie mir damals gaben, zurückerstatten zu können, aber ich thue das Ihnen und auch mir nicht an. Das Schärflein der Witwe, oder in diesem Falle richtiger gesagt, das ganze, ganze Vermögen des armen Schülers, welches er auf dem Altare der Liebe, des Erbarmens opferte, darf nicht zu einem mit Zinsen zurückzugebenden Darlehen herabgewürdigt werden; es soll und muß ein Opfer bleiben, welches Gott, der gerechteste Zahlmeister von Ewigkeit zu Ewigkeit, zurückerstatten wird. Vielleicht hat er dies schon gethan, denn aus dem Gymnasiasten, der sogar dann noch der Botenfrau seine letzten Kreuzer in die Hände schüttete, scheint ein Mann geworden zu sein, der seinen Reichtum, wie ich Ihnen anzusehen glaube, nicht allein im Besitz von Gold und Silber sucht. Und mit jenem Gelde, welches mir und meinem Knaben die Reise nach Bremen ermöglichte, habe ich von Ihnen, ohne daß Sie es ahnten, noch eine andere, unendlich wertvollere Gabe empfangen, die ich Ihnen mit allem Golde der Erde, wenn ich es besäße, nicht vergelten könnte, denn Sie haben mich damals von der Verzweiflung errettet. Die Unglücksfälle, welche ohne unser Verschulden damals unsern äußern Wohlstand und unser inneres Glück Schlag auf Schlag niederschmetterten, hatten uns um den Glauben an Gott und um all unser Vertrauen zu ihm gebracht; das war ein größerer Verlust als alle irdischen, die wir erlitten haben. Hungernd und frierend, glaubenstot und hoffnungslos schleppten wir uns bettelnd von Ort zu Ort, und je weiter wir kamen, desto elender wurden wir äußerlich und auch innerlich. Da leuchteten plötzlich mitten in all diese unbeschreibliche körperliche und seelische Armseligkeit hinein die Kerzen des Tannenbaumes in Falkenau, und wie aus Gottes eigenem Munde vom weihnächtlichen Himmel herab erklangen uns die Worte Ihres Gedichtes:«

      »Ich verkünde große Freude,

       Die Euch widerfahren ist,

       Denn geboren wurde heute

       Euer Heiland Jesus Christ.« – –

      Jetzt eine kurze Pause machend, stand sie mit leuchtenden Augen und glühenden Wangen vor mir. Ihr Blick war, wie damals in der Mühle, wie durch die Mauer hindurch ins Weite gerichtet, aber mit einem so ganz, ganz anderem Ausdrucke. Damals seelenlos, stier und leer, besaß er heut Leben, Licht und Energie. Damals auf eine trostlose Wüste des Elends, der Erbärmlichkeit gerichtet, sah er jetzt die Errettung aus diesem Jammer hinter sich, und vor sich vielleicht noch immer die fernen Strahlen des kleinen Weihnachtsbaumes, der sein Licht so unerwartet auf den mühseligen Pfad der Unglücklichen geworfen hatte. Nun fuhr sie fort:

      »Ihre zweite Strophe möchte ich, indem ich zurückblicke, in Beziehung auf uns umändern in:

      »Jubelnd klingt es durch die Sphären,

       Sonnen künden’s jedem Stern;

       Weihrauch duftet auf Altären,

       Und auch uns blieb es nicht fern!«

      denn besonders meinem armen Vater brachten Ihre Verse mehr innerliches Licht, als ihm äußerlich die Kerzen des Baumes leuchteten. Das glaubensleere Dunkel seiner Seele begann sich zu erhellen. Man ahnt gar nicht, was ein kurzes Wort, eine einzige Gedichtstrophe, zur rechten Zeit oder am rechten Orte gesprochen oder gelesen, für eine große, nachhaltige Wirkung auf den Menschen haben kann! Wenn man das beherzigte, wie anders, wie ganz anders würde dann gesprochen und geschrieben werden! Ich war damals mehr mit meinem Vater als mit mir selbst beschäftigt, aber als ich, da ich mich von Gott abgewendet hatte, die Worte hörte:

      »Und der Priester legt die Hände

       Segnend auf des Toten Haupt:

       Selig ist, wer bis ans Ende

       An die ewge Liebe glaubt!«

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