Название: Die bekanntesten Werke von Edgar Allan Poe (100 Titel in einem Band)
Автор: Эдгар Аллан По
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027211630
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»Wahrlich, es ist keiner von diesen – doch hüte dich, das Seil zu hastig durch die Finger gleiten zu lassen; denn sollte das Flechtwerk dort an jenem Felsenvorsprung hängen bleiben, so würden die heiligen Gegenstände elendiglich herausstürzen.«
Mit Hilfe einer kunstlos gefügten Einrichtung wurde nun der schwere Korb achtsam zu der Menge hinabgelassen, und aus der schwindelnden Höhe konnte man sehen, wie die Römer sich um ihn drängten; wegen der großenEntfernung aber und eines zunehmenden Nebels konnte man keinen deutlichen Einblick in ihr Gehaben gewinnen.
Schon war eine halbe Stunde dahingegangen.
»Wir werden zu spät kommen,« seufzte der Pharisäer, als er nach Ablauf dieser Zeit in den Abgrund hinunterspähte – »wir werden zu spät kommen! Die Katholim werden uns vom Dienst ausschließen.«
»Nie mehr, nie mehr werden wir im Überflusse leben,« erwiderte Abel-Phittim, »unsre Bärte werden nicht mehr vom Weihrauch duften – unsre Lenden mit hartem Tempelleinen gegürtet sein.«
»Raca!« fluchte Ben-Levi, »Raca! Wollen sie uns mit dem Kaufpreis durchgehen oder, heiliger Moses, prüfen sie am Ende gar die Schekels des Tabernakels auf ihr Gewicht?«
»Sie haben endlich das Zeichen gegeben,« rief der Pharisäer, »sie haben endlich das Zeichen gegeben – zieh an, Abel-Phittim! – und du, Bazi-Ben-Levi, zieh an! – Denn wahrlich, entweder halten die Philister den Korb noch fest, oder der Herr hat ihre Herzen erweicht, ein Tier von gutem Gewicht hineinzutun!« Und die Gizbarim zogen und zogen, während ihre Last durch den stärker zunehmenden Nebel schwerfällig aufwärts schwankte.
*
»Bewahr’ uns!« – brach es nach Ablauf einer Stunde, als am Ende des Seils ein Gegenstand undeutlich sichtbar wurde, von den Lippen Ben-Levis.
»Bewahr’ uns! – Pfui! es ist ein Widder aus dem Dickicht von Engedi und so buschig wie das Tal Josaphat.«»Es ist ein Erstling aus der Herde,« sagte Abel-Phittim, »ich erkenne es am Blöcken seines Mundes und am unschuldigen Bau seiner Glieder. Seine Augen sind schöner as Edelsteine, und sein Fleisch gleicht dem Honig des Hebron.«
»Es ist ein gemästetes Kalb von den Weiden von Baschan,« sagte der Pharisäer, »die Heiden haben wundersam an uns gehandelt! Laßt uns unsre Stimmen in einem Psalm erheben! Laßt uns Dank sagen mit Schalmei und mit dem Psalter – mit Harfe und Flöte und Posaune!«
Erst als der Korb nur noch ein paar Fuß von den Gizbarim entfernt war, bot sich den Blicken mit tiefem Grunzen ein Schwein von ungewöhnlichem Umfang.
»O El Emanu!« entrang es sich langsam dem Trio, als es seine Last fahren ließ und das befreite Borstentier kopfüber unter die Philister stürzte, »El Emanu!« – sie verdrehten die Augen gen Himmel – »Gott steh uns bei! – es ist das unaussprechliche Fleisch!«
Bon-Bon
Quand un bon vin meuble mon estomac, Je suis plus savant que Balzac, Plus sage que Pibrac; Mon bras seul faisant l’attaque De la nation Cossaque, La mettroit au sac; De Charon je passerois le lac En dormant dans son bac; J’irois au fier Eac, Sans que mon cœur fit tic ni tac, Présenter du tabac. Französisches Vaudeville.
Bon-Bon war ein Wirt von vielen Gaben. Keiner, der je im Cul-de-sac Lefebvre zu Rouen seine kleine Kneipe besuchte, wird es, glaube ich, bestreiten. Noch unbegreiflicher aber ist Pierre Bon-Bons Bewandertsein in der Philosophie seiner Zeit. Seine pâtés à la foie waren zweifellos von höchster Vortrefflichkeit; aber welche Feder könnte seinen Essays »Sur la Nature«, seinen Gedanken »sur l’Ame«, seinen Betrachtungen »sur l’Esprit« Gerechtigkeit widerfahren lassen! Wohl waren seine Omelettes und Frikandeaus unschätzbar, doch welcher damals lebende Schriftsteller hätte nicht doppelt soviel für eine »idée de bon-bon« gegeben als für den ganzen Ideenplunder aller übrigen »Weisen«? Bon-Bon hatte Bibliotheken durchstöbert, die noch niemand sonst durchforscht hatte, unwahrscheinlich viel gelesen und Dinge begriffen, deren Auffaßbarkeit jeder andere für ausgeschlossen gehalten hätte. Trotz alledem gab es selbst zu der Zeit, da er auf seiner Höhe war, Autoren in Rouen, die behaupteten,daß »seine Dikta weder die Klarheit der Akademiker noch die Tiefe der Lyzeisten« aufwiesen. Ich kann versichern, daß seine Lehren durchaus nicht allgemein verstanden wurden, obgleich daraus keineswegs gefolgert werden darf, daß sie schwer zu verstehen waren. Ich glaube, es war gerade ihre Selbstverständlichkeit, die sie vielen so verworren erscheinen ließ. Sagt es nicht weiter – aber selbst Kant verdankt im wesentlichen Bon-Bon seine metaphysischen Begriffe. Bon-Bon gehörte weder zur Schule Platos, noch, streng genommen, zu der des Aristoteles, noch verschwendete er, wie der neuzeitlichere Leibniz, kostbare Stunden, die der Erfindung eines Frikassees oder, in leichter Abstufung, der Analyse einer Empfindung gewidmet werden konnten, in leichtfertigen Versuchen, die unverträglichen Öle und Wasser einer Moraldisputation zu verbinden. Ganz und gar nicht. Bon-Bon war ionisch; Bon-Bon war aber auch italisch. Er überlegte a priori; er überlegte a posteriori. Seine Ideen waren angeborene oder erworbene. Er glaubte an Georg von Trapezunt, er glaubte an Bossarion. Bon-Bon war ganz überzeugt ein – Bonbonist.
Ich habe bereits davon gesprochen, wie hochbegabt der Philosoph als Wirt war. Es wäre aber falsch, wenn einer meiner Freunde mutmaßen wollte, daß der Held unserer Geschichte bei der Erfüllung seiner Standespflichten sich nicht vollständig ihrer Wichtigkeit und Würde bewußt gewesen wäre. Weit entfernt. Es war unmöglich zu sagen, auf welchen seiner »Berufe« er am meisten stolz war. Nach seiner Meinung waren die Geisteskräfte innig mit der Leistungsfähigkeit des Magens verbunden. Ich glaube, daß sich seine Auffassung fast mit der der Chinesen deckte, die der Meinung sind, der Aufenthaltsort der Seele seider Bauch. Auf alle Fälle gab er den Griechen recht, die für Geist und Zwerchfell das gleiche Wort gebrauchten. Natürlich fällt es mir nicht bei, durch diese Äußerung die Metaphysiker der Schlemmerei oder ähnlicher Untugenden anzuklagen. Wenn Peter Bon-Bon seine Fehler hatte – und welcher große Mann hätte nicht tausende? – also, wenn Bon-Bon seine Schwächen hatte, waren sie sehr geringfügiger Art – Fehler, die bei anderen Naturen oft eher als Tugenden angesehen werden. Was nun die eine dieser Schwächen betrifft, so würde ich sie überhaupt hier nicht erwähnen, wenn sie nicht so außerordentlich hervorstechend, so sehr in alto rilievo aus der Ebene seines sonstigen Wesens herausragend gewesen wäre. Nie konnte er sich die Gelegenheit entschlüpfen lassen, Geschäfte zu machen.
Nicht, daß er habgierig gewesen wäre – o nein! Zum Vergnügen des Philosophen war es durchaus nicht notwendig, daß der Handel zu seinem eigenen Vorteil ausfiel. Wenn nur ein Geschäft zustande kam – irgendein Handel irgendwelcher Art unter irgendwelchen Bedingungen –, so erstrahlte tagelang sein Antlitz in triumphierendem Lächeln, und ein schlaues Augenzwinkern war der Verkünder seiner Klugheit.
Ein solches Benehmen würde sicher zu jeder Zeit die Aufmerksamkeit und das Befremden der Umwelt herausgefordert haben. Überaus erstaunlich aber wäre es gewesen, wenn diese Eigenheit zur Zeit unserer Erzählung nicht ganzbesonders beachtet worden wäre. Bald lief ein Gerede herum, daß jedesmal dann das von Bon-Bon zur Schau getragene Lächeln sich grundsätzlich von dem Grinsen unterschied, wenn er seine eigenen Witze belachte oder einen akuten Bekannten begrüßte. Und aufregendeAnspielungen wurden gemacht, auf gefährliche Handelsgeschäfte СКАЧАТЬ