Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola
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Название: Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen

Автор: Emile Zola

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075835802

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СКАЧАТЬ sich ertränken mögen, wenn ihr schwacher Leib eines nervösen Weibes nicht eine entsetzliche Furcht vor dem Tode gehabt hätte. Wiederholt dachte sie daran, zu fliehen und ihren Liebhaber an der Grenze aufzusuchen; sie blieb nur deshalb in diesem Hause, dem verächtlichen Stillschweigen und den geheimen Roheiten ihres Sohnes ausgesetzt, weil sie nicht wußte, wohin sie flüchten solle. Peter sah ein, daß sie ihn längst verlassen haben würde, wenn sie einen Zufluchtsort hätte. Er wartete auf eine Gelegenheit, ihr irgendwo eine kleine Wohnung zu mieten, als ein Zufall, auf den er nicht zu hoffen gewagt hatte, eine plötzliche Verwirklichung seiner Wünsche herbeiführte. Man erfuhr in der Vorstadt, daß Macquart an der Grenze von den Zollwächtern in dem Augenblicke erschossen worden sei, als er eine Ladung Genfer Uhren einschmuggeln wollte. Es hatte seine Richtigkeit mit diesem Gerücht. Selbst der Leichnam des Schmugglers ward nicht nach Plassans gebracht; er ward irgendwo auf einem kleinen Dorfkirchhofe in den Grenzgebirgen eingescharrt. Adelaide ward durch den Schmerz über diesen Verlust um den geringen Rest ihres Verstandes gebracht. Ihr Sohn, der sie neugierig beobachtete, sah sie nicht eine Träne vergießen. Macquart hatte sie zu seiner Erbin gemacht. Sie erbte die Hütte im Saint-Mittre-Sackgäßchen und den Karabiner, den einer der Genossen des Erschossenen ihr ehrlich wiederbrachte. Schon am folgenden Tage zog sie sich in Macquarts Häuschen zurück; sie hängte das Gewehr über dem Kamin an der Wand auf und lebte da still und einsam, abgeschieden von aller Außenwelt.

      Endlich war Peter Rougon alleiniger Herr des Hauses.

       Der Gemüsegarten der Fouque war tatsächlich, wenn auch nicht rechtlich, in seinem Besitz. Es war ihm nie eingefallen, sich daselbst niederzulassen. Es war für seinen Ehrgeiz ein gar zu enges Gebiet. Die Erde zu bearbeiten, Gemüse zu ziehen schien ihm gemein, seiner Fähigkeiten unwürdig. Es drängte ihn, aus dem Bauernstande herauszutreten. Seine durch den nervösen Charakter der Mutter verfeinerte Natur empfand ein unwiderstehliches Verlangen nach den Freuden des Bürgerstandes. Darum hatte er in allen seinen Plänen den Verkauf des Grundstückes als Lösung in Aussicht genommen. Der Erlös für dieses Grundstück mußte ihm ein hübsches Stück Geld bringen und ihn in den Stand setzen, die Tochter irgendeines Bürgers heimzuführen, der ihn dann zum Genossen seines Geschäftes machen würde. Die Feldzüge des ersten Kaiserreiches lichteten zu jener Zeit sehr stark die Reihen der heiratsfähigen jungen Männer. Die Eltern zeigten sich weniger schwierig in der Wahl ihrer Schwiegersöhne. Peter sagte sich, daß das Geld alles ausgleichen und daß man über den Klatsch der Vorstadt leicht hinweggehen werde. Er wollte sich als Opfer ausgeben, als ein wackeres Herz, das durch die Schmach der Familie leidet, sie beklagt, ohne davon berührt zu werden und ohne sie zu entschuldigen. Seit mehreren Monaten schon hatte er sein Auge auf Felicité Puech, die Tochter eines Ölhändlers geworfen. Das Haus »Puech & Lacamp«, dessen Magazine in einem der dunkelsten Gäßchen der Altstadt lagen, war keineswegs in einem Zustande der Blüte. Es genoß am Platze nur wenig Kredit und man sprach von seinem bevorstehenden Bankerott. Gerade im Hinblick auf diese Gerüchte richtete Peter Rougon seine Hoffnungen nach dieser Seite. Er sah ein, daß ein in guten Verhältnissen befindlicher Kaufmann ihm niemals seine Tochter zur Frau geben werde. Er dachte, in dem Augenblick sein Ziel zu erreichen, wenn der alte Puech nimmer weiter könne, und wollte dann durch seine Klugheit und Tatkraft das Haus neu aufrichten. Das war ein geschicktes Mittel, eine Staffel höher zu steigen, sich um Kopfeslänge über seinen Stand aufzuschwingen. Er wollte vor allem diese abscheuliche Vorstadt fliehen, wo man auf seiner Familie herumtrat; er wollte das schändliche Gerede zum Verstummen bringen, indem er selbst den Namen des Fouqueschen Gartens aus der Welt schaffen würde. Darum schienen die übelriechenden Gassen der Altstadt ihm ein Paradies. Hier erst wollte er eine neue Haut annehmen.

      Bald sollte der von ihm so heiß ersehnte Augenblick kommen. Das Haus Puech & Lacamp lag in den letzten Zügen. Der junge Mensch leitete jetzt mit kluger Geschicklichkeit die Unterhandlungen wegen seiner Heirat ein. Er ward nicht gerade wie ein Retter aufgenommen, aber doch wie ein notwendiges und annehmbares Aushilfsmittel. Als die eheliche Verbindung eine beschlossene Sache war, schritt er zum Verkaufe des Gemüsegartens. Der Eigentümer des Jas-Meiffren, der seinen Besitz abrunden wollte, hatte ihm schon wiederholt Anerbietungen gemacht; bloß eine dünne, niedrige Mauer schied die beiden Besitztümer voneinander. Peter rechnete auf den Wunsch seines Nachbars, eines sehr reichen Mannes, der, um seine Laune zu befriedigen, bereit war, bis zu fünfzigtausend Franken zu gehen. Dies hieß den Gemüsegarten mit dem Zweifachen seines Wertes bezahlen. Mit der Schlauheit eines Bauern ließ Peter sich erst bitten; er wolle nicht verkaufen, sagte er; niemals werde seine Mutter einwilligen, ein Besitztum wegzugeben, auf dem die Fouque seit zweihundert Jahren von Geschlecht zu Geschlecht gelebt hatten. Doch während er zu zögern schien, bereitete er den Verkauf vor. Es waren einige Bedenken in ihm wach geworden. Nach seiner rücksichtslosen Logik gehörte der Garten ihm, und hatte er das Recht, darüber nach seinem Belieben zu verfügen. Allein auf dem Grunde dieser Sicherheit regte sich die unbestimmte Ahnung, daß er mit dem Gesetze in Widerspruch geraten könne. Er entschloß sich, einen Gerichtsvollzieher der Vorstadt zu Rate zu ziehen. Da erfuhr er schöne Dinge. Der Gerichtsvollzieher meinte, Peter habe in dieser Sache gebundene Hände. Seine Mutter allein dürfe den Garten veräußern. Dies hatte er vermutet; aber was er nicht gewußt hatte und was wie ein Keulenschlag auf ihn wirkte, war die Nachricht, daß auch Anton und Ursula, die Bastarde, die Wolfsjungen, Rechte auf dieses Besitztum hätten. Was? dieses Hurenpack wollte ihn, den legitimen Sohn, berauben? Doch die Ausführungen des Gerichtsvollziehers waren ganz klar. Adelaide habe Rougon allerdings unter der Bedingung der Gütergemeinschaft geheiratet; allein da das ganze Vermögen in unbeweglichem Besitztum bestand, war die Frau nach dem Tode des Gatten im Sinne des Gesetzes wieder seine alleinige Eigentümerin geworden; da anderseits Macquart und Adelaide ihre Kinder anerkannt hatten, waren diese Miterben des Vermögens ihrer Mutter. Als einziger Trost erfuhr Rougon, daß das Gesetz den Anteil der außerehelichen Kinder zugunsten der ehelichen verkürze. Aber dies war ihm kein Trost, denn er wollte alles haben. Nicht zehn Sous würde er mit Anton und Ursula geteilt haben. Diese Bresche des Gesetzes eröffnete ihm neue Gesichtspunkte, die er mit einer eigentümlich nachsinnenden Miene prüfte. Er sah bald ein, daß ein geschickter Mensch das Gesetz stets auf seine Seite bringen müsse. Ohne jemanden zu Rate zu ziehen – selbst den Gerichtsvollzieher nicht, dessen Argwohn er zu erwecken fürchtete – ersann er folgendes. Er wußte, daß er über seine Mutter gebieten könne wie über seine Sache. Eines Morgens führte er sie zu einem Notar und ließ sie eine Verkaufserklärung unterzeichnen. Wenn man ihr nur ihre Keusche im Saint-Mittre-Gäßchen ließ, war Adelaide bereit, ganz Plassans zu verkaufen. Peter sicherte ihr übrigens eine Jahresrente von sechshundert Franken zu und schwor ihr hoch und teuer, daß er seine Geschwister nicht verlassen werde. Ein solcher Schwur beruhigte das arme Weib. Sie sagte vor dem Notar alles her, was ihr Sohn ihr eingetrichtert hatte. Am folgenden Tage ließ der junge Mann sie ein Papier unterschreiben, in dem sie den Empfang von fünfzigtausend Franken als Erlös für den Gemüsegarten bestätigte. Dies war sein Hauptstreich. Seiner Mutter, die erstaunt war, ein solches Schriftstück unterzeichnen zu müssen, da sie doch keinen Heller gesehen hatte, sagte er, es sei dies bloß eine Formsache ohne alle Folgen. Indem er das Papier in seine Tasche steckte, dachte er: »Nun mögen die Wolfsjungen mich zur Rechenschaft ziehen; ich werde sagen, die Alte habe alles aufgezehrt. Sie werden es niemals wagen, mir den Prozeß zu machen.« Acht Tage später war die Scheidemauer verschwunden; der Pflug ging über die Gemüsebeete hinweg; der Fouquesche Garten ward zu einer Fabel, wie Rougon es gewünscht hatte. Einige Monate später ließ der Eigentümer des Jas-Meiffren selbst das alte Wohnhaus der Gemüsegärtner niederreißen.

      Als Peter die fünfzigtausend Franken in Händen hatte, heiratete er Felicité Puech. Sie war ein kleines, schwarzes Weib, wie man in der Provence so viele sieht. Sie erinnerte an jene braunen, dürren, zirpenden Grillen, die in ihrem regellosen Flug mit den Köpfen an die Mandelbäume stoßen. Mager, flachbrüstig, mit spitzigen Schultern und dem Gesicht eines Marders mit merkwürdig scharfen, ausgeprägten Zügen schien sie kein bestimmtes Alter zu haben; man hätte sie ebensogut für fünfzehn Jahre wie für dreißig Jahre alt halten können, obgleich sie nur neunzehn Jahre zählte, um vier weniger als ihr Gatte. Eine katzenhafte Schlauheit lag in ihren schwarzen, schmalen Augen, die wie mit dem Bohrer ausgehöhlt waren. Ihre niedrige, gewölbte Stirne; ihre an der Wurzel leicht eingedrückte Nase, deren Flügel sich stark aushöhlten, fein und СКАЧАТЬ