Die beliebtesten Weihnachtsklassiker. Martin Luther
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die beliebtesten Weihnachtsklassiker - Martin Luther страница 57

Название: Die beliebtesten Weihnachtsklassiker

Автор: Martin Luther

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги для детей: прочее

Серия:

isbn: 9788027237555

isbn:

СКАЧАТЬ läutet und läßt abtragen, und Adolf mag sich billig über ihren Appetit verwundern. Am nächsten Abend schickt Rosmarie gleich wieder den Diener fort, und sie braucht nicht lange zu warten. Mandarinenbäume umgeben diese Seite des Hauses, unter den tief herabhängenden Zweigen konnten wohl kleine Gestalten hindurchkriechen. Da kommt schon die Hand. –

      »Spätzchen, bist du da?«

      Aber es sind zwei Spätzchen diesmal. Zu dem Spatzen ist eine magere, noch elendere und womöglich noch scheuere Spätzin gekommen. Heute werden alle Schüsseln leer. Wenn nur die Kinder nicht gar so scheu wären. Halb tierisch kommen sie ihr vor, vielleicht werden sie sich gewöhnen. Sagt Rosmarie es der Köchin, so wird die sie wegjagen, wie sie es schon einmal mit einer armen Frau gemacht. Rosmarie kann auch am Tage nicht entdecken, wie die Kinder heraufkommen, vielleicht ist eine Leiste in dem Schlinggewächse verborgen, worauf sie ihre Füße stellen. –

      Rosmaries Hauptmahlzeit ist abends, und für die ist nun gesorgt, doch empfindet sie nicht, daß ihr etwas entgangen ist. Nein, es ist ihr leichter und freier zumute, nun sie die sonderbaren Dinge nicht mehr essen muß. Es ist zu schön zu sehen, wie es den Kindern schmeckt, und vielleicht gelingt es doch, sie ein wenig zu zähmen. Und eines Abends sagt das Bübchen »Spatz.«

      Er hat begriffen, daß die weiße Frau ihm den Namen gegeben hat. Das Wort ist ihm nun Ausdruck für alle Gefühle, wie er es bald flehend, bald ängstlich, bald fröhlich sagt, je mehr seine Sättigung fortschreitet. Sonderbar ist's, wie das Menschenwesen das Wort sagt, fast als ob ein Tier zu reden anfinge.

      Leider genügt dies eine Wort schon, um die ganze Skala seiner Gefühle auszudrücken. Die Spätzin kommt überhaupt nicht so weit. Und schon nach wenigen Tagen sieht man ihnen an, daß sie rundlicher werden. Doch bleiben ihre Tischmanieren noch dieselben urwüchsigen, und berühren lassen sie sich immer noch nicht. Und doch freut sich die einsame Rosmarie jeden Tag auf die Zaungäste. Und es ist so seltsam, etwas hergeben zu können. Rosmarie hat noch nie etwas hergegeben, was ihr nicht sofort ersetzt worden wäre. Und der Tag hat so wenig Freuden. Jeder Tag bringt einen neuen Druck auf ihr Herz mit. Mag sie noch so schön auf weißem Marmorbalkon zwischen Palmen und am blauen Meere wohnen, es ist doch eine Verbannung. Ihr Vater wird sich daran gewöhnen, daß er eine Tochter hat, die heimtückisch, verlogen und trotzig ist, und er wird sie aus seinem Leben streichen. Er wird froh sein, wenn sie ihm keine neuen schlimmen Dinge bereitet.

      Wie ein täglich niedergehender giftiger Meltau senkt sich das auf sie. Wenn sie ausgeht, – es geschieht nur noch selten –, kann der Professor seinem jungen Freunde nichts Gutes von der Hohenstaufin berichten. Ans Capo geht sie gar nicht mehr, es sind zu viele elegante Menschen da, die auftauchen und verschwinden, Schemen. Am besten ist's noch, auf der grün umsponnenen Marmorveranda zu liegen, durch die drolligen kleinen Marmorlöwen, die sie bewachen, durchzusehen nach dem Stück Meeresblau. Dann wird es Rosmarie so seltsam leicht zumute, namentlich seit das Diner wegfällt. Dann tauchen allerhand Bilder vor ihr auf, glänzend liebliche, heimatlich vertraute.

      Jeder Festtag aus der wundervollen Zeit der Kindheit, der Lilientag – sie sieht Harro durch den Wald gehen am kalten Brunnen, wie er durch das Riedgras streicht, die Hand über die Augen hält, um nach ihr auszusehen im Sonnenglast, wie er neben ihr am Rain unter den Federnelken und nickenden Gräsern liegt. Wie der Thymian duftet, mit dem sie ihm die Rocktasche füllt. Und all die Leute mit leichten Füßen, wie sie durch die Gänge und Wendeltreppen der alten Heimat schritten, sie kommen wieder.

      Wie schön, daß Miß Granger hinter ihrer Riesenzeitung eingenickt ist und nicht mehr von da aus ihr eine Information zukommen lassen kann.

      Und noch eine Entdeckung macht sie, – je weniger sie den Tag über fremde Eindrücke in sich aufgenommen hat, desto glänzender, deutlicher und klarer werden die Bilder. Sieht sie denn wirklich in die Ruine? Warum steht Harro neben einer gelben Marmorsäule, und warum gibt es ihr einen solchen Stoß ans Herz, wie das Bild plötzlich verschwindet?

      Rosmarie sinnt darüber nach, wie sie an ihrer Rosendecke stickt. Und unter ihren Händen entsteht Stich für Stich ein seltsames Kunstwerk. Rosmarie hat aufgehört, etwas anderes zu frühstücken als ein wenig Tee, Honig und Brötchen. Das zweite Frühstück braucht um ihretwillen gar nicht aufgetragen zu werden, sie schickt es unberührt wieder fort. Die getreue Lisa würde sich ängsten, wenn nicht Adolf ihr von dem wundervollen Appetit der Prinzessin bei ihrem einsamen Diner berichtete.

      Und Rosmarie stickt ihre schlimmen Gedanken in die Decke, und manchmal lächelt sie ganz seltsam vor sich hin. – »Ich mache es fein, sehr fein, Vater, und es ist besser für dich, du hast keine Kinder, als die dir der Haß geboren und die mit einem Schrägbalken herumlaufen müssen. Und du wirst es nie wissen, nie.«

      Wenn sie einmal, sehr selten ist es noch, ausgeht, und dem Herrn Professor begegnet, – er hat etwas, das sie an den Stiftsprediger erinnert – so schrickt sie zusammen. Und Weihnachten kommt näher. Ihr Vater schreibt ihr.

      »Es ist mir ein unbehaglicher Gedanke, daß Du Weihnachten so allein verbringst. Wenn Du es dringend wünschen würdest, könnte ich vielleicht doch auf einige Tage nach dem Feste abkommen. Dein Wunschzettel war recht bescheiden, und ich weiß nicht, ob ich es diesmal treffe –« Rosmarie erschrickt. Nein. Vater soll noch nicht kommen. Er würde neben ihr sitzen, sie würde seine Hand halten, seine Stimme hören und doch so sterneneinsam, so fern von ihm sein. In ihren Briefen, da tun sie ja, als ob die schreckliche Wand nicht zwischen ihnen sei. Und sie schreibt sehr freundlich und fast munter von den italienischen Bettlerkindern, die sie ernährt – daß es mit dem eigenen jungen Leben geschieht, kann er ja nicht ahnen –, und erwähnt sein Anerbieten, zu kommen, mit keinem Worte.

      Mit einem tiefen Seufzer legt der Fürst den Brief beiseite. So weit ist er ihr entgegen gekommen, viel zu weit. Er ist ein schwacher Vater. Könnte er überhaupt einen Sohn erziehen, wenn er seinen Kindern gegenüber so schwach ist! Und sich so sehr nach seinem trotzigen, schuldbeladenen Kinde sehnen muß, und zu allem bereit wäre, wenn sie nur ein einziges Wort, eine einzige Bitte ihm gewähren wollte!

      Aber an ihrem Weihnachtsgeschenk soll trotz alldem nichts abgebrochen werden.

      Und die Braunecker Weißtanne macht allen Zollscherereien zum Trotz ihren Weg, und da steht sie nun in der Villa Riposa zwischen den vielen goldenen Spiegeln, dunkel, streng und einfach, denn Rosmarie hat nur Lichter aufgesteckt. Alle möglichen schönen und kostbaren Dinge hat Lisa der Kiste entnommen und auf dem Tisch ausgebreitet, und Miß Granger hat mit etwas zitternden Händen – in der letzten Zeit ist sie recht zitterig geworden – daran herumgezupft. Es kamen auch die köstlichen Braunecker Lebkuchen, die nach uraltem Rezept in der Schloßküche bereitet werden und einen so heimatlichen Duft verbreiten.

      Die Post hat noch eine Kiste gebracht an Ihre Durchlaucht aus Rom. Soll man das auch öffnen?

      Lisa macht alle möglichen wilden Zeichen mit einem Stemmeisen in der Luft und schreit: »Open, open!« Miß Granger ist erst fünfzehn Jahre in Deutschland, und man kann es ihr daher nicht zumuten, daß sie die schwere Sprache beherrscht, und namentlich, wenn sie, wie bei der guten Lisa, etwas dialektgefärbt ist. Miß Granger erschrickt, »no, no« und setzt sich konfus und jämmerlich auf einen hellen Morgenrock der Prinzessin.

      »Die wird immer einfältiger,« denkt Lisa ärgerlich.

      Und Rosmarie kommt zu ihrer Bescherung herein, langsam und mühselig, und die Lisa erschrickt heftig. Sie sieht ja ihre Herrin jeden Tag, und darum bemerkt sie es nicht so sehr. Aber nun ist's, als sähe sie zum erstenmal genau, wie sie aussieht. Kaum daß sie noch auf den Lippen einen blassen rosa Schein hat, und sie hängt ganz vorne herein. Und die Hände! Wie hat Lisa das übersehen können? – ganz kraftlos und weiß hängen sie herunter mit dicken blauen Adern wie Schnüre darauf.

      O СКАЧАТЬ