Название: Maigret und der faule Dieb
Автор: Georges Simenon
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Georges Simenon
isbn: 9783311701484
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»Ja. Wissen Sie, mich hat das vorhin sehr geärgert. Und ich bin jetzt noch sauer, aber ich habe mich nicht getraut …«
»Du kannst in deinem Bericht schon schreiben, dass aller Wahrscheinlichkeit nach der Ermordete ein Mann namens Honoré Cuendet ist, ein gebürtiger Schweizer aus dem Kanton Waadt, der fünf Jahre in der Fremdenlegion gewesen ist.«
»Der Name sagt mir etwas … Wissen Sie, wo er gewohnt hat?«
»Nein. Aber ich weiß, wo seine Mutter wohnt, wenn sie noch lebt. Ich würde gern als Erster mit ihr sprechen.«
»Das kriegen die raus.«
»Das ist mir egal. Schreib dir die Adresse auf, aber geh erst hin, wenn ich dir einen Wink gebe. Sie wohnt in der Rue Mouffetard. Ich weiß die Hausnummer nicht. Im Zwischenstock über einer Bäckerei, fast an der Ecke der Rue Saint-Médard.«
»Ich danke Ihnen.«
»Bleibst du noch im Büro?«
»Ich habe noch zwei bis drei Stunden mit dem verfluchten Bericht zu tun.«
Maigret hatte sich nicht getäuscht. Aber neben einer gewissen Befriedigung überkam ihn auch ein Anflug von Trauer. Er verließ sein Büro und ging die Treppe zum Zentralregister hinauf, an dem sich gerade Männer in grauen Kitteln zu schaffen machten.
»Wer kümmert sich um die Fingerabdrücke des Toten im Bois de Boulogne?«
»Ich, Herr Kommissar.«
»Hast du schon was gefunden?«
»Gerade eben.«
»Cuendet?«
»Ja.«
Etwas aufgeregt ging er jetzt durch die Flure, bis er das Dachgeschoss des Palais de Justice erreichte. In den Räumen des Erkennungsdiensts fand er seinen alten Freund Moers – ebenfalls über Papiere gebeugt. Noch nie hatte man solche Papierberge aufgehäuft wie in den letzten sechs Monaten. Natürlich war die Verwaltungsarbeit auch früher wichtig gewesen, aber Maigret schätzte, dass sie seit einiger Zeit in allen Abteilungen ungefähr achtzig Prozent der Zeit beanspruchte.
»Haben sie dir die Kleidungsstücke gebracht?«
»Die von dem Mann im Bois de Boulogne?«
»Ja.«
Moers deutete auf zwei seiner Mitarbeiter, die große Papiersäcke schwangen, in denen sich die Kleidungsstücke des Toten befanden. Das war Teil der Prozedur. Es ging darum, alle möglichen Staubpartikel aufzufangen und sie dann zu analysieren, was manchmal wertvolle Hinweise lieferte: auf den Beruf eines Unbekannten, seine Wohnräume, manchmal auch den Ort, an dem das Verbrechen begangen worden war.
»Die Taschen?«
»Nichts. Keine Uhr. Keine Brieftasche, keine Schlüssel. Nicht einmal ein Taschentuch. Überhaupt nichts.«
»Und die Etiketten an der Wäsche und am Anzug?«
»Die sind weder herausgerissen noch herausgetrennt worden. Ich habe den Namen des Schneiders notiert. Brauchen Sie ihn?«
»Jetzt nicht. Der Mann ist schon identifiziert.«
»Wer ist es?«
»Ein alter Bekannter von mir, ein gewisser Cuendet.«
»Ein Verbrecher?«
»Ein stiller Mensch, der stillste Einbrecher, den man sich vorstellen kann.«
»Glauben Sie, es war ein Komplize von ihm?«
»Cuendet hatte nie einen Komplizen.«
»Warum ist er getötet worden?«
»Das möchte ich auch gerne wissen.«
Wie in den meisten Pariser Büros an diesem Tag arbeitete man auch hier bei künstlichem Licht. Der Himmel war stahlgrau, und der Straßenbelag wirkte so schwarz, als wäre er mit einer Eisschicht bedeckt.
Die Leute gingen schnell und dicht an den Häusern entlang, vor ihren Gesichtern bildeten sich kleine Dampfwolken.
Maigret kehrte zu seinen Inspektoren zurück. Zwei oder drei von ihnen telefonierten, die anderen waren wieder einmal mit Schreibarbeiten beschäftigt.
»Nichts Neues, Lucas?«
»Wir suchen immer noch den alten Fernand. Einer glaubt, ihn vor drei Wochen in Paris gesehen zu haben, kann es aber nicht mit Sicherheit sagen.«
Ein Wiederholungstäter. Vor zehn Jahren hatte dieser Fernand einer Bande angehört, die innerhalb weniger Monate eine beachtliche Zahl an Raubüberfällen verübt hatte. Seine genaue Identität hatte man nie feststellen können.
Die ganze Bande war verhaftet worden, und der Prozess hatte fast zwei Jahre gedauert. Der Anführer war im Gefängnis an Tuberkulose gestorben. Einige Mittäter waren noch hinter Schloss und Riegel, aber nun erhielten sie einer nach dem anderen einen Straferlass und kamen wieder auf freien Fuß.
Davon hatte Maigret dem vom »Anwachsen der Kriminalität« alarmierten Staatsanwalt am Morgen nichts gesagt. Er hatte seine eigene Theorie über diese jüngste Raubüberfallserie. Gewisse Einzelheiten ließen ihn vermuten, dass die entlassenen Sträflinge ihre Finger im Spiel hatten. Vermutlich hatten sie sich zu einer neuen Bande zusammengetan.
Es würde genügen, nur einen von ihnen zu fassen. Und auf dieses Ziel arbeiteten seit fast drei Monaten alle verfügbaren Inspektoren mit viel Ausdauer hin.
Die Fahndung hatte sich schließlich auf Fernand konzentriert, der vor einem Jahr freigekommen war. Vor sechs Monaten hatte man seine Spur verloren.
»Was sagt seine Frau?«
»Sie schwört nach wie vor, ihn nicht wiedergesehen zu haben. Die Nachbarn bestätigen ihre Aussage. Niemand hat Fernand in dem Viertel gesehen.«
»Macht weiter, Kinder. Wenn jemand nach mir fragt … Wenn jemand von der Staatsanwaltschaft mich sprechen will …«
Er zögerte.
»Dann sagt, ich bin etwas trinken gegangen. Denkt euch irgendwas aus …«
Man würde ihn trotz allem nicht daran hindern, sich mit einem Mann zu befassen, den er seit dreißig Jahren kannte und der fast so etwas wie ein Freund für ihn war.
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