Название: Gesammelte Werke
Автор: Ricarda Huch
Издательство: Bookwire
Жанр: Философия
isbn: 4064066388829
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Eine große politische Rolle spielte Willegis, wozu ihn schon seine Stellung zuerst als Kanzler Ottos I., dann als Erzbischof von Mainz und Erzkanzler berief. Er hat zur Zeit der beiden letzten Ottonen die Einheit des Reiches gewahrt und dem tüchtigen Herzog von Bayern, Heinrich II., die Krone zugewendet. Willegis war ein Sachse, wie man annimmt in Schöningen geboren; daß er niederen Herkommens, etwa gar ein Höriger gewesen sei, wird neuerdings bezweifelt, aber gewiß ist, daß er in den Kreisen des hohen Adels nicht beliebt war. Für die Armen sorgte er durch Almosenspenden und Speisungen, wobei er sich persönlich beteiligte; er selbst aß erst, nachdem er die Armen bedient hatte. Ebenso war er streng in der Beobachtung der Gebetsstunden, aber auf grundsätzliche mönchische Askese legte er keinen Wert; auf Gottesfurcht komme es an, pflegte er zu sagen, ein Kanoniker, ja ein Laie könne Gott ebenso angenehm sein wie ein Mönch. Von der kluniazensischen Reform wollte er nichts wissen. Mit viel Verständnis ordnete er das Schulwesen und sorgte dafür, daß die armen Schüler nicht zurückgesetzt wurden. Seine Bautätigkeit war außerordentlich. Ein seltsames Geschick wollte, daß sein Dom am selben Tage, wo er ihn geweiht hatte, durch Feuer zerstört wurde; nur ein Teil der Fundamente ist in der Prachtgestalt des heutigen Domes erhalten. Am Marktportal desselben befinden sich die Erztüren mit den Löwenköpfen, die Willegis in Nachahmung der Türen des Aachener Doms für die während der Französischen Revolution zerstörte Liebfrauenkirche gießen ließ.
Willegis dankte seinen Aufstieg einem Geistlichen namens Volkold, der ihn unterrichtete, erzog und dem Könige empfahl. Die Vertreibung Volkolds, der später Bischof von Meißen wurde, durch die aufrührerischen Tschechen gab Willegis Gelegenheit, seine Dankbarkeit zu erweisen: er nahm den Pflegevater herzlich auf und bereitete ihm in Erfurt eine Heimat. Seinerseits brachte Willegis durch seine Empfehlung einen tüchtigen Mann auf den Bischofsstuhl zu Worms, Burchard, der als erster ein geschriebenes Recht für seine Familie, nämlich die auf dem Stiftsgebiet ansässigen, der Kirche und ihrer Gerichtsbarkeit untergebenen Leute, verfaßte. »Wegen der unablässigen Klagen der Armen«, so beginnt das berühmte Hofrecht, »und der zahlreichen Gewalttaten vieler Personen, die wie Hunde die Familie des heiligen Petrus zerfleischten, indem sie den dieser Familie Zugehörigen alle möglichen Gesetze aufbürdeten und die Schwachen durch ihre Urteile unterdrückten, habe ich, Bischof Burchard, unter dem Beirat meines Klerus, meiner Vasallen und der ganzen Familie diese Gesetze aufzeichnen lassen, damit kein Stiftsvogt, Viztum, Ministerial oder sonst eine rechtweisende Person der genannten Familie etwas Neues auferlegen könne, sondern daß reich wie arm ein und dasselbe Gesetz vor Augen gestellt werde und allen gemeinsam sei.« Der mächtige Bischof erließ kein Gesetz ohne die Mitwirkung und Zustimmung nicht nur des Klerus und seiner Vasallen, sondern auch seiner Untergebenen.
Burchard zeigte sich als geschickter Politiker, indem er die salischen Herzöge zum Verlassen der Stadt Worms zu bewegen wußte und dadurch ihr alleiniger Herr wurde. Als solcher hat er sie in fünfundzwanzigjähriger Regierung innerlich und äußerlich gepflegt und gehoben. Willegis nacheifernd baute er den Dom auf einer alten Kultstätte, wo eine frühchristliche Basilika gestanden hatte, die vom Blitz vernichtet und noch nicht wieder aufgebaut war. Das herrliche Gebäude ist wohl mehrfach verändert, aber in der Grundanlage erhalten geblieben; die Festigkeit seiner Mauern hat im Jahre 1689 der systematischen Zerstörungswut der Franzosen getrotzt. Bis zur Vollendung des Doms von Speyer war der Dom von Worms die Begräbnisstätte der Salier; hier ruht Herzog Konrad der Rote, der Schwiegersohn Otto I., der in der großen Ungarschlacht fiel. Jetzt ist der Dom fast das einzige Denkmal aus Worms' großen Tagen.
Ein großer Bauherr war Burchards Zeitgenosse, Erzbischof Poppo von Trier. Von einer Reise nach Jerusalem brachte er den Einsiedler Simeon mit, der sich in der Porta Nigra einnistete und dort sein Eremitendasein weiterführte. Als er gestorben und heiliggesprochen war, wandelte Poppo das Heidentor in eine christliche Doppelkirche um, so daß das zweite Stockwerk desselben die untere, das dritte die Oberkirche wurde; die Wehrgänge des Tors bildeten die Seitenschiffe. Als ein Wahrzeichen des triumphierenden Christentums überwuchs Sankt Simeon phantastisch die Riesenspur der römischen Kaisermacht. Den Anlaß zu Poppos Pilgerfahrt nach Jerusalem soll gegeben haben, daß er das alte, in der Merowingerzeit gegründete Kloster Pfalzel aufgehoben hatte, dessen Insassen den Ansprüchen der Reformzeit nicht genügten; eine Nonne ging so weit, sich in den Erzbischof zu verlieben und ihm einen Liebeszauber in die Schuhe zu nähen. Den aus der letzten römischen Zeit stammenden Dom ließ Poppo zu einem dreischiffigen Hallenbau mit zwei Türmen umbauen. Als er im Jahre 1047 auf dem Bauplatz den Arbeitern zusah, ereilte den Mächtigen der Tod durch einen Sonnenstich. Er war ein Sohn des Markgrafen Leopold I. von Österreich.
Sein Namensvetter, Patriarch Poppo von Aquileja, der ungefähr gleichzeitig regierte, ist der Erbauer des Domes von Aquileja und des Palastes, von dem nichts mehr als zwei Säulen übriggeblieben sind. Von der Höhe des Campanile, den krächzende Dohlen umschwärmen, sieht man im Norden die Häupter der Alpen, Triglav und Krn und Monte Matajur, im Süden die Lagunen und das Meer, im Westen die grüne flimmernde Ebene des Friaul, damals ein dem Patriarchat unterworfenes Gebiet. Der Patriarch Poppo war ein Günstling der Kaiser Heinrich II. und Konrad II., deren Schenkungen ihn zu einem der reichsten Fürsten seiner Zeit machten. Wie alle damaligen Bischöfe, umgab er sich mit Ministerialen und Vasallen und richtete Hofämter nach dem Muster der Kaiserlichen ein. Ebenso bedeutend als Kriegsmann wie als Staatsmann besiegte er die Ungarn, die in Krain einfielen.
Bischof Pilgrim von Passau faßte den kühnen Plan, das benachbarte Ungarn in seine Diözese einzubeziehen, sein Bistum zum Mittelpunkt der ungarischen Kirche, sich selbst zum Erzbischof von Ungarn zu machen. Zu diesem Zweck wollte er durch gefälschte Urkunden glaubhaft machen, daß das alte Lauriakum an der Mündung der Enns in die Donau in früherer Zeit ein Erzbistum gewesen sei, mit dem Passau zusammengehangen habe, und ersuchte den Papst, das untergegangene wiederherzustellen. Dadurch wäre Passau von Salzburg unabhängig geworden, eine Veränderung, der der Erzbischof von Salzburg sich natürlich widersetzt hätte. Weder Papst noch Kaiser hatten für den großartigen, folgenreichen Plan Verständnis. Otto III. unterstützte vielmehr das Bestreben der Herzöge Geisa und Stephan von Ungarn, ihr Land zu einem selbständigen Staat zu machen, und stand ihnen bei, das Erzbistum Gnesen für Ungarn zu gründen, womit die Möglichkeit schwand, das Land, das bisher politisch und kulturell vom deutschen Reiche abhängig gewesen war, kirchlich an Deutschland zu binden. Das seltsame Auftauchen von Pilgrims Namen im Nibelungenliede hat zu der Annahme geführt, das größte Epos der Deutschen sei an seinem Hofe, vielleicht unter seinem Einfluß entstanden. Da wo die Donau sich der Ostmark zuwendet, mögen sich wohl die Lieder von der burgundischen Königstochter, die vom Rheine her, ungesättigte Rache im Herzen, den schilfumraschelten Strom hinunter zu tragischer Hochzeit fuhr, im Gedächtnis des Volkes erhalten haben.
Ein Freund der alten Volksgesänge war der schöne Bischof Günther von Bamberg, der auf einer Pilgerfahrt ins Heilige Land mehrmals für den König gehalten wurde, was wohl mit seiner Schönheit und stolzen Haltung zusammenhing. Bei den vielen Abenteuern, die die Pilger, unter denen noch andere Kirchenfürsten und mehrere Grafen und Herren waren, zu bestehen hatten, ging Günther allen an unerschütterlichem Mut voran. Kurz vor Jerusalem wurden sie von Arabern überfallen; ein Teil wurde ermordet, ein anderer warf sich unter Günthers Führung in einen festen Turm und verteidigte sich dort. Nachdem ein Waffenstillstand geschlossen war, wurden mehrere Araberfürsten eingelassen, um über den Preis der Befreiung zu verhandeln. Einer von diesen bedrohte Bischof Günther, den er für den höchsten von allen hielt, in rohen Worten mit dem Tode. Kaum hatte Günther durch den Dolmetscher erfahren, was der Mann gesagt hatte, als er, nicht im geringsten beunruhigt, den Feind mit einem Faustschlag zu Boden streckte und ihm mit dem Fuße die Kehle zudrückte. Einige Wochen später konnten die Andächtigen am Heiligen Grabe ihre Gebete verrichten. Als die Pilger auf der Rückreise die Donau erreicht hatten, kniete Günther nieder und küßte die Erde; gleich darauf erkrankte er und starb, noch jung, ohne sein geliebtes Bamberg wiedergesehen zu haben. Von ihm sagt der zeitgenössische Chronist, er habe sich nicht mit Augustin oder Gregor, sondern mit Etzel, Amalung und ähnlichen Ungeheuern beschäftigt, und habe die Schneidigkeit des Schwertes für ein besseres Beweismittel gehalten als die Spitzfindigkeit gelehrter Untersuchungen.
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