Die poetische Sprache der Hypnose. Agnes Kaiser Rekkas
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       Worte können zaubern – Ein Vorwort

      So aufgeklärt, modern, nüchtern und vernünftig wir sein mögen, wohnt uns dennoch eine romantische Seele inne: Wir lieben den Duft von Blüten, lassen uns vom Vollmond verführen, von Musik stimulieren und geraten durch schöne Erinnerungen ins Träumen. Auch Worte – zumal, wenn sie in Trance erklingen –, die uns vom Duft der Blüten, vom Silber des Vollmondes, von harmonischen Melodien und glücklichen Momenten erzählen, berühren und bringen uns in Schwingung.

      Worte projizieren spontan Bilder. Sie wecken Assoziationen und kreieren so innere Wirklichkeiten. Auf diese Weise bauen sie innere Gefühlswelten auf und stimulieren die Hormonausschüttung. Diese Botenstoffe beeinflussen ihrerseits körperliche Vorgänge, von den seelischen ganz zu schweigen, während sich auf geistiger Ebene verloren geglaubte Erinnerungen, ungeahnte Erkenntnisse und Ideen hervorrufen. Überraschend löst sich Anspannung, Zeit nimmt andere Maße an, die Stimmung steigt, Kräfte wachsen, Ressourcen treten zutage, Schmerz vergeht und das Herz öffnet sich.

      Worte können zaubern. Und von diesen Worten möchte ich Ihnen hier erzählen. Mit Worten und Texten zu spielen machte mir schon immer große Freude. Das habe ich unter anderem gleich zwei meiner Vorfahren zu verdanken: meinem Großvater mütterlicherseits und meinem Großonkel väterlicherseits, beides Schriftsteller, die in meiner Familie große Beachtung fanden, und mit deren Wirken ich mich seit meiner Jugend beschäftigte:

      Mein Großvater Fritz Amsler (* 1896 in Biel, † 1954 in Langenthal) war Oberförster in den Berner Alpen und Schriftsteller. Er schrieb sowohl Lyrik als auch Theaterstücke, unter anderem als Kriegsgegner und Pazifist Das Vermächtnis, und war mit einer Gruppe von Literaten befreundet, die sich regelmäßig bei ihm trafen. Ich liebte meinen Großvater sehr, denn er konnte zaubern. Das tat er aber nur für mich. Leider erlebte ich diesen still-bescheidenen Mann selten, da er weit entfernt lebte, in dem Land mit der leckeren Schokolade und den Almen voller Enziane und Alpenrosen. Und ich verlor ihn früh, als ich gerade mal 5 Jahre alt war. Mein Großvater litt unter schweren Depressionen und stürzte sich aus schwindelnder Höhe in den Abgrund, um sich und die Seinen zu befreien.

      »Doch Sappho singt nicht mehr, sie singt nicht mehr.

      Das leichte Lied, das vogelleichte Lied

      Singt Sappho nicht mehr. Als sie von uns schied

      Sang sehnsuchtsvoll entgegen ihr das Meer.«

      Fritz Amsler, Klage um Sappho, Bern 1947

      Weitaus berühmter war »Onkel Georg«, den ich nur aus Erzählungen kenne. Für Georg Kaiser (* 25. November 1878 in Magdeburg, † 4. Juni 1945 in Ascona), einen hochbegabten, scharfsinnigen Exzentriker, galten keine Regeln. Sechzehnjährig brach er 1895 seine schulische Laufbahn ab und resümierte damals:

      »Den Schulzwang erfüllte ich im Gymnasium Zum Kloster unserer lieben Frauen. Nach den großen Anstrengungen des Vergessens aller unfreiwillig erworbenen Kenntnisse, fasste ich – von nun an von außen unbehindert – unbeschränktes Vertrauen zu mir selbst.«

      Zum Entsetzen seiner großbürgerlichen Familie verdingte er sich daraufhin als »Kohletrimmer« auf einem Frachtschiff unterwegs nach Südamerika. In Buenos Aires fand er zunächst Arbeit als Büroangestellter in einem Kaffeekontor, dann bei der Firma AEG. Doch kehrte er im Jahre 1901 halbtot, weil schwer an Malaria erkrankt, nach Deutschland zurück, wo ihm allerdings 1914 mit seinem Theaterstück Die Bürger von Calais der literarische Durchbruch gelang. Dank seiner geistvoll-pointierten Sprache, seinen Metaphern und Wortneuschöpfungen sowie seinem typisch expressionistischen Bild vom neuen Menschen wurde er – vollkommener Autodidakt – bald der erfolgreichste Dramatiker des Expressionismus und neben Gerhart Hauptmann in Deutschland der meistgespielte Bühnenautor seiner Zeit!

      Kein Wunder, dass ihn das NS-Regime für seine Propagandapamphlete einspannen wollte. Doch mein Onkel verweigerte sich. Am 18. Februar 1933, während der Uraufführung seines Dramas Der Silbersee, stürmte die Sturmabteilung (SA) das Leipziger Schauspielhaus. Das Stück wurde vom Spielplan gestrichen und ein Publikationsverbot gegen ihn erlassen. Im Mai 1933 brannten seine Bücher. Georg Kaiser fand über Umwege Zuflucht in der Schweiz, wo seine Stücke aufgeführt wurden und er neue verfasste, wie Der Soldat Tanaka und Das Floß der Medusa. Bis zuletzt arbeitete er an dem Roman Ard, in dem er unter anderem Bezug auf das Konzentrationslager Theresienstadt nahm. Verarmt starb mein Großonkel kurz nach Kriegsende im Schweizer Exil.

      »Kannibalismus – Militarismus – Nationalismus.«

      »Revolution? Der Besitz wechselt die Taschen.«

      »Sein Denken formen – das allein ist Glück.«

      »Lasse keiner sich vom Wahn verführen, dass er mehr als jeder andre gelt‹:

      Cäsar wollte mit dem Schwert regieren, und ein Messer hat ihn selbst gefällt.« (geschrieben 1932)

      »Das Drama schreiben ist: einen Gedanken zu Ende denken.« (Georg Kaiser, 1966)

      Nicht nur meine Vorfahren inspirieren mich, sondern auch andere Menschen. Michelangelo, zum Beispiel, gab die Initialzündung für die Hypnose Meine wahre Gestalt zum Thema Übergewicht, mit seinem berühmten Ausspruch:

      »La figura era già nella pietra grezza. Ho solo dovuto buttare via tutto ciò che era superfluo.«

      (Die Figur war schon in dem rohen Stein. Ich musste nur noch alles, was überflüssig war, wegmeißeln.)

      Mein Gastroenterologe lehrte mich, wie ironische Absurdität den Geist erst durcheinanderwirbeln und anschließend in umso bessere Verfassung katapultieren kann. Mit verschmitztem Lächeln verkündete er mir direkt nach dem Aufwachen aus der Narkose das Ergebnis der Koloskopie: »Ich konnte beim besten Willen nichts finden« – so als ob er in den Höhlengängen meines Darms nach Goldvreneli (einer Schweizer Goldmünze) gesucht hätte. Total verwirrt brauchte ich einige Zeit, bis ich verstand, dann aber umso größere Entlastung empfand.

      Meine erste bewusste Lektion in Reframing und Ressourcensprache erhielt ich vor 40 Jahren auf Trinidad in der Karibik durch einen fürsorglichen Vater der besonderen Art: Auf einer Gartenparty im Freundeskreis wurde mir ein prachtvoller Mann vorgestellt. Gewinnend lachte er mich mit blitzend weißen Zähnen an. Sein nackter Oberkörper schien ein Paket spielender Muskeln zu sein, seine Arme waren durchtrainiert und seine Hände angenehm fleischig, sodass einem spontan der verrückte Wunsch überkommen konnte, sich wie Däumelinchen in eine dieser Handflächen zu kuscheln. Sein Untergestell war verpackt in kanarienvogelgelbe Bermudashorts, eine Farbe, die mit dem Ton seiner Haut einzigartig harmonierte. Aus den Shorts lugten herrlich pralle Oberschenkel heraus, die in wohlgeformte Knie übergingen. Seine Waden ließen demgegenüber etwas zu wünschen übrig, und die Füße waren platt, doch das verzieh man gerne. Unübersehbar, der Kerl war ein unschlagbarer Womanizer! Deshalb staunte ich auch nicht, als eine Freundin mir zuraunte, wie er seiner Manneskraft überall auf der Insel freien Lauf gelassen hatte: Mit knapp 30 Jahren hatte er schon sieben Frauen ein Kind angehängt. Er selbst schien das anders zu sehen und verkündete voller Stolz: »I have seven children, and each of them has its own mother.«

      Meine Mutter, die ich – eher zu meinem Leidwesen – nicht mit einem Geschwister teilen musste und die wie alle guten Mütter nicht fehlerfrei war, hat sich ohne Zweifel ebenfalls um meinen schier unbegrenzt sprudelnden Ideenreichtum verdient gemacht: Ich ging gerne zur Schule, und meine mittelmäßigen Noten bereiteten mir nicht den СКАЧАТЬ