Die Kronprinzessin. Hanne-Vibeke Holst
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Название: Die Kronprinzessin

Автор: Hanne-Vibeke Holst

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die Macht-Trilogie

isbn: 9788726569605

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      Hanne-Vibeke Holst

      Die Kronprinzessin

      Übersetzt

       Frederike Buchinger

      Saga

      Die Kronprinzessin ÜbersetztFrederike Buchinger Original KronprinsessenCoverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 2002, 2020 Hanne-Vibeke Holst und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726569605

      1. Ebook-Auflage, 2020

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

      – a part of Egmont www.egmont.com

      »Die Guten weinten und die Bösen lachten. So kurz konnte man es sagen. Hätte es denn anders gehen können? Hätte es anders gehen müssen? Fuck. Journalisten sind Schweine, Politiker sind Schweine. Aber sie war keins. Das war der einzige Unterschied. Und darin lag das Drama.«

      Sie fürchtet sich nicht vor der Dunkelheit. Nur vor dem Bild.

      Es ist weit nach Mitternacht, die Nacht vom zwanzigsten auf den einundzwanzigsten Dezember. Charlotte schläft nicht. Sie liegt mit weit offenen Augen in ihrem Bett, um es nicht aus der Schlaflosigkeit hervortreten zu sehen. Bemüht sich stattdessen, Gegenstände in der filzartigen Dunkelheit des Raumes auszumachen – den Schrank, den Stuhl, die lateinamerikanischen Webstoffe an der Wand, die Lamellen des Rollladens. Lauscht nach den fernen Verkehrsgeräuschen des Jagtvej, hört den Krach eines Kanonenschlags heraus, folgt einer Notfallsirene, einem Frauenlachen in der Straßenschlucht. Fließt hin in der Musik, die aus der Wohnung von unten kommt, träger Jazz, empfindsame Saxofonsoli, die durch die Decke nach oben steigen wie die bläulichen Rauchfahnen einer glühenden Zigarette. Sie denkt an New York, den Club im The Village, in dem sie damals tanzen waren. Vor den Zwillingen. Den Zwillingen, deren Husten in regelmäßigen Abständen von der anderen Seite der Wand zu hören ist. Besonders Jens’ asthmatisches Bellen. Sie wickelt sich aus den langen Beinen ihres Liebsten, löst seinen Arm von ihrer Schulter. Er fällt schwer aufs Laken. Thomas verschläft alles. Kanonenschläge, Krankenwagen, Kinderhusten. Der Schlaf des Gerechten, sagt er, der nie von Dämonen gejagt wird. Wie sollte er dann ihre verstehen können?

      Ohne Licht anzumachen, geht sie durch das Schlafzimmer auf den Gang zum Kinderzimmer. Tastet sich barfuß um Bauklötze, Puppen und Autos herum bis zu Jens’ Bett vor, setzt sich auf die Bettkante und stützt seinen Hinterkopf, während er, kaum wach, aus dem Wasserglas trinkt, das sie ihm hinhält. Klopft ihm leicht auf den Rücken, redet beruhigend mit ihm, streichelt ihm über die Wange und legt ihn behutsam wieder hin. Ein Lächeln huscht über sein rundes Gesicht, während sie die Bettdecke um ihn herum feststopft und seine Hand hält, bis seine Atmung wieder regelmäßig ist. Unterdrückt den Drang, sich neben ihn in das viel zu kurze Bett zu legen oder ihn in ihr eigenes zu tragen. Dreht sich zu dem anderen Bett, in dem Johanne wie gewöhnlich quer liegt, die Decke weggestrampelt. Sie ist die kleine Schwester, zehn Minuten nach ihrem Bruder geboren. Aber sie ist die Starke. So ist es in ihrer Familie immer gewesen. Auf dieser Seite. Wie ihre Mutter zu sagen pflegte: »Die Kerle waren schon immer nur Schwächlinge.« Während die Frauen das Band gewesen sind, das alles zusammenhält. Generation für Generation. Mit Johanne wurde auch gekuschelt und geschmust. Vielleicht nicht ganz so sanft. Bei ihr hatte sie nie Angst gehabt, sie zu verlieren. Sie kommt schon klar. So wie sie selbst klargekommen ist.

      Thomas breitet die Arme aus, als sie zurückkommt und ihre kalten Füße an seiner Wade reibt.

      »Kannst du nicht schlafen?«, murmelt er.

      »Jens hustet«, antwortet sie und kriecht ganz nah zu ihm hin.

      »Wollen wir uns lieben?«, fragt er und lässt seine Hand über ihren Bauch streichen.

      »Wir müssen schlafen«, konstatiert sie und gähnt. Schließt die Augen. Spürt die Schwere. Jetzt kann sie schlafen. Er ist auf dem Weg, der Schlaf.

      Aber dann trickst er sie doch aus. Gerade als sie glaubt, entkommen zu sein, taucht das Bild auf. Oder besser gesagt die Filmsequenz, die damit anfängt, dass die Mutter den Kuchen aus dem Ofen nimmt und sie bittet, den Vater und Kesse zum Kaffee zu holen. Und sie geht, oder besser, hüpft auf einem Bein über den gekiesten Hof, und es gelingt ihr, sowohl einen Stein zwischen Fuß und Sandale zu bekommen als auch, ihn wieder herauszubefördern und darüber zu spekulieren, ob sie wohl heute Nachmittag am Strand wären. Noch bevor sie die alte Wasserpumpe mit der Zinkwanne, in die die Mutter Ringelblumen gepflanzt hat, in der Mitte des Hofs erreicht hat, hat sie es auch noch geschafft, auf Englisch bis drei zu zählen – one, two, three – und hört ihre Mutter mit dem Porzellan klirren und das Radio aufdrehen. »Es ist was faul in Dänemark/die Dybbøl Mølle mahlt zur Hölle«, grölt John Mogensen durch das offene Küchenfenster, und sie grölt mit.

      In diesem Augenblick ist es so sehr Sommertag, wie es nur sein kann. Bis Kesse aus der Scheune kommt, monumental wie ein Riese, ihren Vater über der rechten Schulter schleppend. Auf dieselbe Art, wie er verreckte Schweine trägt. Seither hat sie nicht mit Sicherheit sagen können, ob Kesses Brüllen oder die baumelnden, strümpfigen Füße ihres Vaters der Grund waren, warum sie in die Hose machte.

      In jedem Fall war das der Moment, in dem ihre Welt zerbrach. Juli 1974. Als sie neun Jahre alt war.

      Sie beißt in eine Ecke ihrer Decke, um die Fortsetzung zu vermeiden. Die Bildfolge dessen, was sie tatsächlich gar nicht gesehen hatte. Wie er es getan hatte. Wie er aus dem Seil des Mähbinders zuerst einen Strick band und danach eine Schlinge knüpfte. Wie er hinaufkletterte und das Reep am Hahnenbalken befestigte. Wie er ein altes Ölfass herbeischaffte, sich die Schlinge um den Hals legte, die Lippen anfeuchtete, die Augen aufriss und die Tonne unter sich wegtrat. Wie ein Zucken über sein Gesicht jagte, weil er es bereute.

      An das Bereuen klammert sie sich. Immer noch. Nach all den Jahren. Natürlich bereute er. Da war es nur einfach zu spät.

      Die Bilder lassen sie los, verblassen stumm. Aber die Angst ist immer noch da. Wie eine kalte Knochenhand, die ihren Nacken gepackt hat. Sie sucht nach Thomas’ Hand.

      »Thomas?«, flüstert sie.

      »Mmmh?«

      »Ich habe Angst ...«

      »Ich bin bei dir, Schatz«, sagt er und zieht sie zu sich. Schließt seine Hand um ihre Brust, die sich plötzlich so schwer anfühlt wie ein milchgefülltes Euter.

      »Oh, wie warm du bist!«, stöhnt er, schon schnell atmend.

      Sie nimmt ihn entgegen, küsst seinen Hals, als er in sie gleitet. So vertraut. So lebendig.

      Danach schläft sie. Sicher. Wie ihre eigenen Kinder.

      Charlotte Damgaard war keine Erfindung des Staatsministers.

      Ihr Name war nie in einem kleinen, schwarzen Buch notiert worden, sie stand nicht auf der Liste, die er so gut wie fertig hatte, als er an diesem frühen, stockdusteren Dezembermorgen aufwachte. Zu früh. Besonders, wenn man in Betracht zog, wie spät es am Abend vorher geworden war. Aber auch wenn es erst kurz vor fünf war, war ihm klar, dass der Versuch, weiterzuschlafen, zwecklos war.

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