FM4 Wortlaut 20. Kontakt. Elisabeth Etz
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Название: FM4 Wortlaut 20. Kontakt

Автор: Elisabeth Etz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Wortlaut

isbn: 9783903081826

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СКАЧАТЬ sage ich.

      Emma wischt sich die Tränen aus den Augen. „Ich glaube, mir reicht das nicht mit den Wahrscheinlichkeiten”, sagt sie. „Ich muss das wissen.”

      Wissen bedeutet rein in die Raumkapsel, hat Doktor Gruber gesagt. Den Rest erklärt uns das Internet. Fruchtwasserpunktion tippen wir ein, Risiko Fehlgeburt denkt die Suchmaschine unsere Sorgen zu Ende. Eine Antwort hat sie auch. Schon wieder eine Wahrscheinlichkeit, eins zu zweihundert. So ein Loch in der Raumkapsel kann man unmöglich flicken.

      „Stell dir vor, es hat gar nichts und dann stirbt es wegen der Untersuchung”, sage ich.

      „Stell dir vor, wir machen es nicht und dann stellt sich im siebten Monat heraus, dass es behindert ist”, entgegnet Emma und dass eine Spätabtreibung noch viel schlimmer wäre.

      „Nur weil es behindert ist, muss man aber nicht abtreiben”, sage ich.

      „Ich kriege aber kein behindertes Kind, Johannes”, sagt Emma und verwendet meinen Vornamen als Rufzeichen. „Sicher nicht.”

      „Ich wusste gar nicht, dass du das alleine entscheidest.”

      „Na ja, du entscheidest es sicher nicht.” Sie streckt mir den Löffel entgegen wie einen Duellsäbel.

      „Geiler Morgen schon wieder”, sage ich im Weggehen und knalle die Tür hinter mir zu. Viel zu heißer Milchkaffee schwappt über meine Hand.

      Im Traum ist Doktor Grubers Spritze so dick und grau wie eine Stricknadel. Emma liegt am Behandlungstisch und er lässt die Nadel in ihren Bauchnabel gleiten. Ich wundere mich, wie leicht sie eindringt und dass es gar nicht weh tut. Emma ist ganz ruhig. Doktor Gruber stochert ein paarmal herum, dann sagt er „fertig”. Er zieht die Nadel heraus und wischt sie mit einem Papierhandtuch ab, wie den Ölmessstab eines Autos. Emma will sich aufrichten, aber Doktor Gruber drückt sie mit dem Arm zurück auf die Liege. „Bitte kurz noch liegen bleiben. Jetzt kommt noch die Fruchtblase raus.” Ich kriege Panik. „Was, das war schon die Abtreibung?" Zwischen ihren Beinen wird Emmas Hose blutig.

      Es ist spät. Wir liegen im Bett und wischen uns durch Instagram. „Mir wird schon lauter Babyzeug angezeigt”, sagt Emma und hält mir ihr Smartphone hin. In der Story führt eine Frau in unserem Alter durch ein fertig eingerichtetes Kinderzimmer.

      „Ist die überhaupt schwanger?”, frage ich.

      Emma nickt. „Viertes Monat oder so. Eh wie bei mir.”

      „Sollten wir uns darum auch schon mal kümmern?"

      Emma schüttelt den Kopf. „Die machen das jetzt, damit sie Sachen von den Firmen geschenkt bekommen.”

      In der nächsten Story filmt eine Frau mit, als sie ihrem Freund erzählt, dass sie schwanger ist. Das Handy steht auf einem Stativ in der Ecke des Schlafzimmers. Sie umarmen sich und scheinen gar nicht zu merken, dass sie beobachtet werden. Ich erinnere mich, als Emma es mir gesagt hat. Kurz davor war ich auf dem Klo. Während wir uns umarmt haben, musste ich daran denken, dass an meinem Gewand vielleicht Klogeruch klebt und es den Moment ruiniert. Jetzt denke ich, dass genau das vielleicht den Unterschied ausmacht, zwischen uns und den Leuten im Handy.

      „Stell dir vor, eine von denen kriegt ein behindertes Kind”, sage ich.

      „Kriegen die nicht”, sagt Emma und knipst das Licht aus. „Passt doch gar nicht in den Feed rein.”

      „Weißt du, woran ich immer denken muss?”, sage ich in die Dunkelheit hinein.

      „Hm?”, antwortet Emma nach einer Weile, ohne sich zu mir umzudrehen.

      „Neulich habe ich eine Doku gesehen über die Mondlandung.”

      „So was schaust du?”, fragt Emma, aber ich erzähle einfach weiter.

      „Da gab es die beiden Astronauten, die gelandet sind. Und dann war da noch ein dritter, den immer alle vergessen. Jedenfalls ist der, während die beiden anderen am Mond waren, einmal rundherum geflogen, um sie danach wieder abzuholen. Und auf der Rückseite vom Mond gab es nichts. Kein Funksignal, keinen Kontakt. Nichts. Er war ganz alleine im Weltraum. Der einsamste Mensch des Universums haben sie ihn in dieser Doku genannt. Aber wenn er nicht zurückgekommen wäre, dann wären die anderen beiden am Mond verloren gewesen.”

      „Stimmt”, sagt Emma leise, obwohl das als Antwort eigentlich gar nicht passt. Vielleicht ist sie auch schon eingeschlafen. Aber dann sagt sie viel später doch noch etwas.

      „Mich würde das freuen.”

      „Was?”

      „Na, wenn ich ganz alleine bin und auf der anderen Seite des Mondes warten zwei sehnsüchtig darauf, dass ich bald komme."

      „Ich glaube, die haben sich nicht gefreut. Die hatten einfach eine Scheißangst”, sage ich.

      „Vielleicht beides”, sagt Emma.

      Am Samstag scheint die Sonne und wir machen einen Ausflug mit dem Rad. Danach kehren wir im Kaffeehaus mit der unfreundlichen Kellnerin ein. Ich fädle Möglichkeiten aneinander wie Perlen auf eine Kette. „Es kann immer sein, dass es gar nicht behindert ist”, sage ich. „Und wenn es behindert ist, dann kann es immer noch sein, dass es eine ganz leichte Behinderung ist. Etwas, mit dem man gut leben kann.”

      „Wenn es behindert ist, will ich es nicht kriegen”, schneidet Emma die Kette ab und die Möglichkeiten kullern in alle Richtungen davon.

      „Ich glaube, dass das wegen der Marie ist bei dir”, sage ich, ohne von meinem Kuchen aufzuschauen.

      „Was?”, sagt Emma. Sie weiß, was ich meine, aber sie verschleppt ihre Antwort, um Zeit zu gewinnen.

      „Na, dass man mit dir überhaupt nicht darüber sprechen kann.”

      Emma antwortet nicht. Also rede ich weiter.

      „Du hast selbst gesagt, dass es bei deinen Eltern damals nicht an ihr gelegen hat.”

      „Es spielt aber keine Rolle, an wem es gelegen hat, weil das Resultat dasselbe war”, sagt sie.

      Ich gebe nicht auf. „Deine Mama sagt immer, dass sie rückblickend froh ist, dass sie die Marie damals bekommen hat.”

      „Ja, weil rückblickend jeder über alles froh ist.” Emma legt ihre Gabel ab und schiebt den Teller mit dem Kuchen weg. „Ich war aber dabei. Ganz unrückblickend. Und da war sie noch nicht froh, irgendwie und eigentlich. Da war es einfach nur Scheiße.”

      Emma hält das Gespräch für beendet, aber ich will nicht. Ich sage, dass das unsere gemeinsame Entscheidung sein sollte und dass ich nicht ihr Vater bin.

      „Das kannst du jetzt leicht behaupten.” Sie lehnt sich mit ihrer Kaffeetasse im Sessel zurück.

      „Was du mir zutraust”, sage ich.

      „Na ja, mein Vater ist ja nicht der Einzige, der jemals seine Familie verlassen hat. Es ist einfach eine Tatsache, dass Frauen am Ende oft alleine dastehen”.

      „Jetzt mach nicht wieder so eine scheiß Feminismusdiskussion draus!”

      Das war zu viel. Emma СКАЧАТЬ