Название: Sturm über der Eifel
Автор: Katja Kleiber
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Eifel Krimi
isbn: 9783960416524
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»Vielleicht, weil ihm das Geld ausgegangen war, um weiterzurenovieren.«
»Wir werden beantragen, Einblick in seine Bankkonten zu erhalten. Dann wissen wir, ob er Geldprobleme hatte. Eine Hypothek, laufende Ratenzahlungen, die er nicht mehr bedienen konnte.«
Claes verdrehte die Augen. »Das kann dauern.« Er warf einen angeekelten Blick auf die Felle. »Muss nachts ganz schön kalt gewesen sein.«
»Eben. Unser Opfer hätte sich doch ein Schlafzimmer im Haus einrichten können. Hat ja genug Zimmer. Zur Not hätte es eine Couch im Büro getan.« Tanja umfasste mit einer kreisförmigen Geste den Innenraum der Jurte: »Ich glaube, der hat hier gewohnt, weil es ihm gefiel.« Sie trat den Rückzug an. »Das ist ein Fall für die Kollegen von der Tatortgruppe, wir kümmern uns um die Sachlage.«
Draußen zeigte ihr Claes, was er hinter der Jurte auf einem kleinen Wiesenstück gefunden hatte. Lange Weidenzweige, im Kreis in den Boden gesteckt und oben zu einer Kuppel zusammengebunden.
»Land Art?«, fragte Tanja. Als sie merkte, dass Claes nicht verstand, setzte sie hinzu: »Kunst?«
»Oder ein Hühnerstall aus Naturmaterialien, der nicht fertig geworden ist?« Claes klang wenig inspiriert.
Im Vorbeigehen hatte Tanja bemerkt, dass er nach Alkohol roch. Schwach, aber deutlich. Hatte er schon morgens gebechert? Sie würde von jetzt an darauf achten, ob er heimlich trank. In der Schulung zu »Suchtverhalten im Beruf« war sie erst vor Kurzem dafür sensibilisiert worden, Alkoholismus zu erkennen und damit umzugehen.
Sie machte mit dem Handy ein paar Fotos von dem Gebilde, bevor sie gemeinsam ins Haus zurückgingen.
Claes schnaufte unüberhörbar, als sie die drei Stufen vom Hintereingang hinaufstiegen.
Seit letztem Jahr hatte er an die zehn Kilo zugelegt, schätzte sie. Sport war offensichtlich nicht sein Ding – während sie ihre Karatestunden schon jetzt vermisste. Hoffentlich kämen sie gut voran, sodass sie am Freitag keine Nachtschicht einlegen müsste und pünktlich zurück in Koblenz wäre, um im Dojo zu trainieren. Oder sie würde einfach früher Schluss machen und Claes die Arbeit aufs Auge drücken. Schließlich musste sie sich auch noch auf die Fallanalyse für ihren Vortrag bei der Fortbildung vorbereiten. Auch das galt als Arbeitszeit.
Tanja ging in das Büro mit dem schweren Schreibtisch und nahm den Hörer von dem altmodischen Telefon. Das Freizeichen erklang. »Angeschlossen. Wir werden die Telefongesellschaft um eine Liste der letzten Verbindungen bitten. Dieses Ding speichert ja nichts.«
Mit einem Stöhnen ließ sich Claes auf den Stuhl hinter dem Tisch fallen.
Der Ötzi hatte in seinem Büro mehr Bücher gelagert, als alle Bauern der Umgebung zusammen je besessen hatten. Tanja würde wetten, dass er zur Uni gegangen war. Nach dem Zufallsprinzip zog sie einige Werke aus dem Regal. »Gott und Mammon – Biblische Perspektiven zum Umgang mit Geld«, »Eine Geschichte der Eifel in Wort und Bild«, »Alte Steinsetzungen in Simmerath«. Der Band »Windenergie im Binnenland: Handbuch der Wirtschaftlichkeit und Projektplanung an Binnenlandstandorten« war besonders schwergewichtig. Fünfhundert Seiten dick. Tanja erkannte kein System in der Lektüre. Offensichtlich hatte ihr Opfer sehr vielseitige Interessen gehabt. Dann fiel ihr auf, dass auf einer Seite des Regals fast alle Bücher einen grünen Rücken hatten. Sie beugte den Kopf und überflog die Titel. Bücher über Kräuter, Ratgeber zur Verwendung von Heilpflanzen und Bücher zur Bestimmung der heimischen Flora. Ihr Ötzi war ein Pflanzenfan gewesen.
Tanja dachte an ihr eigenes Bücherregal mit den Schmökern. Liebesromane, Krimis, solches Zeug. Leichte Lektüre für den Feierabend. Im Regal des Ötzi war kein einziger Roman zu finden. Sie stellte die Bände, die sie herausgezogen hatte, an ihren Platz zurück. Die Kriminaltechnik würde sich die Zeit nehmen müssen, sämtliche Titel durchzugehen, um eventuell darin versteckte Papiere oder Hinweise auf einen Mörder zu finden. Gut möglich, dass die Kollegen auf Bargeld stoßen würden. Womöglich hatte ihr Ötzi keiner Bank vertraut.
»Schau mal hier, das ist interessant«, sagte Claes plötzlich hinter ihr.
Sie drehte sich um und trat an den Schreibtisch.
Ihr Kollege hatte die Schubladen aufgezogen. In der obersten rechts war ein großer Kasten aus Holz. Claes hatte ihn aufgeklappt. Er enthielt Dutzende gelber, linierter Kärtchen.
Karteikarten, wie Tanja sie zum Englischlernen benutzte, um sich wichtige Vokabeln einzuprägen.
Eine Karte lag oben auf den anderen. »Ella Dorn/Antweiler«, stand darauf, zusammen mit einer Telefonnummer.
»Kommt dir die bekannt vor?« Claes’ Frage war rein rhetorisch. »Das war doch die letztes Jahr mit der Wünschelrute.«
Nie hätte Tanja diesen Namen vergessen. »Die Eifelhexe!«
Polizeibesuch
Ella lockerte den nächsten Dachziegel und ließ ihn nach unten in den Container fallen, den die Entsorgungsfirma ihr hingestellt hatte. Dann blickte sie auf. Von der Leiter aus hatte sie eine tolle Aussicht, fast noch besser als von ihrer Veranda. Wald, Wald und nochmals Wald, so weit sie blicken konnte. Nur an einigen Stellen waren braune Flecken zu sehen, wo der Sturm neulich die Bäume abgeknickt hatte. Die Forstarbeiter waren noch immer damit beschäftigt, den Windbruch zu beseitigen.
Sie atmete tief ein und wandte sich wieder dem Dach des Anbaus zu. Der Sturm mit dem freundlichen weiblichen Namen hatte einen Teil der Ziegel heruntergefegt. Ein Zeichen, dass es nun wirklich an der Zeit war, den Schuppen zu renovieren. Wenn sie die restlichen Ziegel selbst abdeckte, käme die Renovierung viel billiger, als wenn der Dachdecker das übernehmen würde. Der konnte anschließend neu eindecken, das war eine Aufgabe für Profis. Handwerker waren offensichtlich auf Monate im Voraus ausgebucht. Ella hatte betteln müssen, bis ihr einer versprochen hatte, sich in der übernächsten Woche ihr Dach anzusehen. Was bitter nötig war, wenn es vor dem Winter fertig sein sollte. Sie hatte noch zehn Tage, um mit ihrem Teil der Arbeit fertig zu werden.
Heute war sie spät in die Gänge gekommen. Morgens war es recht kalt gewesen, dann hatte sie umständlich Mittagessen gekocht und erst danach angefangen. Besser spät als nie, dachte sie jetzt und warf ihre störrischen Locken nach hinten.
Im nächsten Jahr würde sie hier Heu lagern. Für das Pferd, das dann hoffentlich bei ihr leben würde. Eine Weide brauchte sie auch noch, aber das dürfte kein großes Problem darstellen. Bestimmt würde einer aus dem Dorf daran interessiert sein, ihr eine Wiese zu verpachten.
Wenn sie zwei oder drei zusätzliche Gutachten für ihren ehemaligen Chef schreiben würde, wäre auch die Finanzierung kein Problem. Sie selbst brauchte in der Eifel kaum Geld. Außer Lebensmittel kaufte sie nur selten etwas ein. Beeren und Früchte aus Garten und Wald ergänzten ihren Speiseplan, die Nachbarn brachten manchmal etwas aus eigener Ernte vorbei. Dafür revanchierte sie sich bei ihnen mit einer Heilsalbe oder einem Kräutertee. Neulich hatte ihr Olga vom Forellengut drei dicke Wirsingköpfe aufgedrängt, die sie noch verarbeiten musste.
Shoppen war nicht ihr Ding, und eine große Auswahl gab es hier sowieso nicht. Wenn Ella mal nach Adenau fuhr, kam sie meist mit einem Kofferraum voller Einmachgläser oder ähnlich praktischer Dinge zurück. Ihr Haus thronte hoch oben über dem Ort Antweiler, der nur einen Kilometer entfernt war. Außer dem Bäcker gab es dort nur einen Landwirtschaftshandel.
Modische Kleidung brauchte sie ebenfalls nicht. Seit sie hergezogen war, hatte sie ein Paar СКАЧАТЬ