Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski. Henryk Sienkiewicz
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Читать онлайн книгу Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski - Henryk Sienkiewicz страница 85

СКАЧАТЬ schau! Und falls sie Verrat üben sollten?«

      »Die üben keinen Verrat, denn in Masovien ist schon für jeden der Pflock bereit, und über einem jeden hängt der Urteilsspruch. Wohl aber ist es nötig, sie mit neuen Gewändern zu versehen, damit sie für eine in Wahrheit von Jurand geschickte Gesandtschaft gelten können – und was die Hauptsache ist: der Brief mit dem Siegel des Jurand.«

      »Es muß eben alles gut eingefädelt werden,« meinte Rotgier. »Vielleicht beabsichtigt aber Jurand, sich wegen des letzten Zusammenstoßes zu dem Fürsten zu begeben, um sich über uns zu beklagen und sich selbst zu rechtfertigen. Möglicherweise eilt er von Ciechanow zu der Tochter auf den Jagdhof und es kommt dann soweit, daß unsere, zu der Tochter Jurands geschickten Leute, sich diesem selbst anvertrauen.«

      »Die Leute, welche ich schicke, sind mit allen Hunden gehetzt. Die werden schon wissen, in welche Gefahr sie sich begeben, so sie sich Jurand anvertrauen. Deren Kopf zum Pfande, daß an ein solches Zusammentreffen nicht zu denken ist.«

      Nun aber ergriff Godfryd, der jüngste unter den Rittern, das Wort und meinte: »Ich begreife weder Euere Vorsicht noch Euere Furcht, es könne ruchbar werden, daß das Mädchen auf unsere Veranlassung hin entführt worden sei. Haben wir sie erst einmal in unserer Gewalt, dann müssen wir doch jemand zu Jurand schicken und ihm sagen lassen: ›Deine Tochter ist bei uns – willst Du, daß sie die Freiheit erlangt, so liefere de Bergow aus oder ergieb Dich selbst.‹ Was soll man denn anders thun? Freilich wird es dann bekannt, daß wir das Mädchen aufgreifen ließen.«

      »Das ist richtig!« rief der Herr de Fourcy, der wenig Geschmack an der ganzen Sache zu finden schien. »Weshalb etwas verbergen wollen, was ans Tageslicht kommen muß?«

      Hugo de Danveld aber wandte sich lächelnd an Godfryd. »Jurand kennt uns besser als Ihr. Man wird folgendermaßen zu ihm reden: ›Deine Tochter steht unter dem Schutze Szombergs, und wenn Du Dich auch nur rührst – denke an die Kinder des Witold‹.«

      »Und daraufhin?«

      »Daraufhin wird de Bergow freigelassen, und auch der Orden wird von Jurand befreit.«

      »Traun!« rief Rotgier, »alles ist so gut ausgedacht, daß unsere Unternehmung sicher glücken wird.«

      Und schweigend ritten sie weiter. Vor ihnen aber schritt, zwei oder drei Büchsenschüsse entfernt, ihr Gefolge, um den Weg zu ebnen, der fußhoch mit Schnee bedeckt war, da es in der Nacht heftig geschneit hatte. An den Bäumen hingen zwar noch dicke Eiszapfen, der Tag aber war neblig, und es war so warm, daß die Pferde mit Schweiß bedeckt waren. Ueber dem Gehölze, den Wohnstätten der Menschen zu, flogen Schwärme von Krähen, die Luft mit ihrem Gekrächze erfüllend.

      Sinnend dahinreitend, blieb Herr de Fourcy ein wenig hinter den Kreuzrittern zurück. Er war seit mehreren Jahren Gast derselben, hatte an den Kämpfen gegen Samogitien teilgenommen, wo er sich durch seine Tapferkeit auszeichnete, und beabsichtigte nun, in den Orden einzutreten, da er bei ihm eine Aufnahme fand, wie sie nur die Kreuzritter im stande waren, einem fremden Kämpen zu gewähren. Bis jetzt hatte er sich bald in Marienburg aufgehalten, bald irgend einen befreundeten Komturen besucht, stets darauf bedacht, auf seinen Fahrten Ergötzung und Abenteuer zu finden. Seit er vor kurzem in Lubow mit dem reichen de Bergow zusammengetroffen war, seit man ihm eingehend über Jurand gesprochen, hatte er seine Lust nicht zügeln können, sich mit einem Manne zu messen, der rings um sich her Schrecken verbreitete. Die Ankunft des siegreichen Majneger hatte nur dazu gedient, die Ausführung des Unternehmens zu beschleunigen. Der Komtur von Lubow hatte ihnen die Kriegsknechte dazu gestellt, er hatte indessen den drei Rittern soviel, sowohl von der Grausamkeit, wie auch von der List und der Treulosigkeit Jurands erzählt, daß jene dessen Aufforderung, die Reisigen zu entlassen, nicht berücksichtigten. Sie fürchteten bei ihrem Unternehmen umzingelt, geschlagen oder in die dunklen Kerker von Spychow geworfen zu werden. Jurand aber, der sofort vermutete, daß es sich hier nicht nur um einen ritterlichen Kampf, sondern auch um Raub und Plünderung handle, hatte sie angegriffen und ihnen eine furchtbare Niederlage beigebracht. De Fourcy sah Bergow mit seinem Pferde zusammenbrechen, er sah Majneger, von einer Lanze durchbohrt, niedersinken, er hörte die Kriegsknechte vergeblich um Barmherzigkeit flehen. Ja, er selbst vermochte sich kaum zu retten. Tagelang irrte er in den Wäldern umher, wo er vor Hunger gestorben oder von wilden Tieren zerrissen worden wäre, wenn er nicht Ciechanow erreicht hätte, wo sich die Brüder Godfryd und Rotgier befanden. Aus dem ganzen Kampfe trug er das Gefühl der Beschämung, der Demütigung, ja des Hasses gegen den Ueberwinder davon. Tiefes Herzeleid, tiefer Schmerz erfüllten ihn wegen de Bergow, der ihm als Freund sehr nahe stand. Aus innerster Ueberzeugung schloß er sich dem Vorgehen der Ordensritter an, als sie Klage erhoben auf Buße und auf Freilassung des unglücklichen Gefährten, und als die Klage erfolglos geblieben war, da gab es für ihn im ersten Augenblicke nichts, was er nicht vollführt hätte, um an Jurand Rache zu nehmen. Jetzt aber regten sich bei ihm plötzlich allerlei Bedenken. Als er hörte, was Hugo de Danveld sagte, ergriff ihn unendliches Staunen. Nachdem er im Laufe der Jahre den Kreuzrittern nähergetreten war, sah er nur zu gut ein, daß man sie bei den Deutschen, überhaupt im Westen, falsch beurteilte. Freilich kannte er in Marienburg gerecht und streng denkende Ritter, und nur zu häufig beklagten diese die Zügellosigkeit, die Zuchtlosigkeit der Brüder, den Mangel an Disziplin bei ihnen – und de Fourcy mußte ihnen in allem recht geben. Allein wegen der großen Tapferkeit, die alle Ordensritter auszeichnete, bewunderte er sie dennoch aufrichtig. Er hatte sie bei Wilna gesehen, wo sie Brust an Brust mit den polnischen Rittern kämpften, bei der Belagerung der Burgen, die mit übermenschlicher Ausdauer von den polnischen Hilfstruppen verteidigt wurden, er sah sie unter den Streichen der Beile und Schwerter fallen, im gemeinsamen Ansturm und im Einzelkampfe. Wohl zeigten sie sich unbarmherzig und grausam gegen die Litauer, allein sie kämpften gleichzeitig wie die Löwen – und im Strahlenkranze des Ruhmes wandelten sie dahin. Nun aber dünkte es de Fourcy, daß Hugo de Danveld auf eine Weise redete, sich in einer Weise gebärdete, die jeden edeldenkenden Ritter in tiefster Seele empören mußte – und seine Begleiter wandten sich darob nicht einmal in Abscheu von ihm ab, sondern sie legten jedem seiner Worte ein besonderes Gewicht bei. Er konnte sich nicht mehr zurechtfinden und schließlich fragte er sich, ob er zu einem solchen Plane die Hand bieten dürfe.

      Wenn es sich nur um die Entführung des Mädchens wegen der Auslieferung de Bergows gehandelt hätte, würde er sich ohne weiteres an dem Unternehmen beteiligt haben. Die Kreuzritter sannen jedoch auf noch ganz andere Dinge. Sie wollten durch die Entführung des Mädchens nicht nur die Freigebung de Bergows erzwingen, sondern auch Macht über Jurand gewinnen – sie hofften, durch Danusia letzteren in ihre Gewalt zu bekommen, um ihn dann zu ermorden und sicherlich mit ihm zugleich auch das Mädchen, damit ihre Grausamkeit, ihr schändliches Verbrechen verborgen bliebe. Bedrohten sie das Mädchen denn nicht schon mit dem Lose der Kinder von Witold für den Fall, daß Jurand sich zu widersetzen wagte? »Keines der beiden werden sie freigeben,« sagte sich de Fourcy, »und doch tragen sie das Kreuz und müßten mehr als alle anderen auf ihre Ehre, auf ihre Pflichten bedacht sein.« Seine ganze Seele bäumte sich in diesem Augenblick gegen all die Schändlichkeiten auf, allein da er sich doch noch vergewissern wollte, ob sein Verdacht begründet sei, wandte er sich aufs neue an Danveld und fragte: »Wie ist’s? Gebt Ihr das Mädchen frei, wenn Jurand sich Euch stellt?«

      »Wenn wir sie losgeben würden, müßte sich ja die ganze Welt davon überzeugen, daß wir beide aufgreifen ließen,« entgegnete Danveld.

      »Traun, was gedenkt Ihr mit dem Mädchen anzufangen?«

      Daraufhin neigte sich Danveld gegen den Sprechenden und erwiderte mit einem bösen Lächeln: »Wornach fragt Ihr? Darnach, was wir früher oder was wir später mit ihr anfangen werden?«

      Jetzt wußte de Fourcy, was er wissen wollte. Während eines Augenblickes kämpfte er mit sich selbst, dann aber hob er sich ein wenig im Bügel und sagte so laut, daß alle vier Ritter ihn hören СКАЧАТЬ