Die Stadt ohne Juden. Hugo Bettauer
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Название: Die Stadt ohne Juden

Автор: Hugo Bettauer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711487525

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СКАЧАТЬ schnorr’ in Wien oder in Berlin oder Paris, ist gleichgültig. Nur wer’ ich dann nichts erzählen mehr vom Pogrom, sondern davon, daß man hat mich alten Juden ausgewiesen. Aber sagen Sie, Herrleben, glauben Sie, man soll noch kaufen vor Torschluß Julisüd oder is besser Siemens?“

      4. Kapitel.

      Ein Schuss.

      In der Villa des Schriftstellers Herbert Villoner in Alt-Aussee war der Freundeskreis versammelt. Literaten von bekanntem Namen, Maler, Bildhauer, Musiker, Verleger. Sonst pflegten sie erst im Hochsommer die Sommerfrische aufzusuchen, diesmal hatten sie schon im Juni die Stadtflucht ergriffen, um von den politischen Schmutzwellen wenigstens nicht unmittelbar bespritzt zu werden.

      Es war nach dem Abendessen, man saß in Korbstühlen auf der Terrasse, blickte auf den lieblichen See, in dem sich der Mond spiegelte, der Rauch der Zigaretten kräuselte in der unbeweglichen Luft empor, jeder war in seine Gedanken versunken. Villoner unterbrach das tiefe Schweigen.

      „So ist denn kein Zweifel mehr, daß die meisten von uns zum letztenmal den Sommer in Aussee verbringen werden und daß wir wie vagabundierende Strolche den Staub von unseren Stiefeln werden schütteln und in die Fremde gehen müssen. Wie seltsam! Mein Vater, ein berühmter Kliniker, der nicht wenig zum Ruhm der Wiener medizinischen Schule beitrug, mein Großvater, schon ein erbangesessener Kaufmann vom Mariahilfer Grund und ich selbst. – — Nun, man behauptet, daß ich in meinen Dramen und Romanen das Wiener. Wesen tief erfaßt und wie kein anderer die Wiener Jugend, das süße Mädel erkannt und geschildert habe. Und nun ist das alles nichts gewesen, ich bin einfach ein fremder Jude, der hinaus muß, wie irgendein galizischer Flüchtling, den eine Spekulationswelle nach Wien verschlagen!“

      „Immerhin,“ sagte der junge Lyriker Max Seider leise mit zitternder Stimme, „immerhin, Sie werden auch fern von der undankbaren Heimat sich wohl fühlen können. Berlin wird Sie mit offenen Armen aufnehmen, schon sind dort unter den Intellektuellen besondere Ehrungen für Sie geplant, und Sie sind so reif und stark, daß Sie mächtige Zweige werden treiben können, wo immer Sie sind. Aber was soll ich tun? Ich bin erst am Anfang, und ich kann nur leben und arbeiten, wenn ich durch das grüne Gelände des Wienerwaldes schlendere, wenn ich als Wegweiser die zierliche Silhouette des Kahlenberges vor mir sehe. Aus Ihnen strömt des Lebens Quelle in unerschöpflichem Maß, ich muß um jede Zeile, um jeden Vers mit mir ringen und kämpfen und das kann ich nur in Wien.“

      „Ach was,“ schrie der Komponist Wallner ergrimmt, „der Teufel soll dieses Wien mit seiner vertrottelten Bevölkerung holen! Ich geh’ nach Süddeutschland, miete mir ein Häuschen im Schwarzwald und werde dort mit meiner Lene herrlich leben. Was, Schatz?“

      Seine blonde junge Frau ließ es ruhig geschehen, daß der Gatte ihr Madonnenköpfchen an seine Schulter zog, aber ein boshaftes Lächeln huschte über den üppigen Mund und ihre Blicke kreuzten sich verständnisvoll mit denen des Schriftstellers Walter Haberer. Diesem schwellte Triumph die Brust. Er wußte, die Frau des Komponisten blieb hier, niemand konnte sie zwingen, mit ihrem Gatten ins Exil zu gehen, und verabredetermaßen würde sie endlich, wenn der Mann erst fort, sein werden. Sein würde aber nicht nur sie werden, sondern ganz Wien, ganz Österreich! Denn sie alle, hinter denen er zurückstehen mußte, sie alle, deren Theaterstücke aufgeführt wurden, während die seinen jahrelang in den Schubladen der Dramaturgen schliefen, sie alle, die gestern noch die großen Modeschriftsteller gewesen waren, sie alle, der Villoner und der Seider, der Hoff und der Thal, der Meier und der Marich, sie alle mußten fort und er blieb allein als Herrscher im Reiche der Musen!

      Frau Lene nickte ihm lächelnd zu, während der Gatte ihr liebkosend die Wangen streichelte.

      Donnernd und polternd lachte der große Schauspieler Armin Horch auf.

      „Meine Herrschaften, nun muß es heraus! Auch ich werde Österreich verlassen müssen! Denn ich, den die ‚Wehr‘ und andere Zeitungen immer als den Verkörperer des christlichen Schönheitsideales gepriesen haben, ich bin ein ganz gewöhnlicher Judenstämmling! Mein Vater stammte aus Brody und hieß nicht Horch, sondern Storch!“

      Schallendes Gelächter ringsumher, Galgenhumor quoll auf, Scherze, die zur Situation paßten, wurden erzählt.

      „Na und Sie, Herr Pinkus, wohin werden Sie Ihren Buchverlag transferieren?“ fragte einer den dicken, kleinen Verleger mit den krummen Beinen und dem prononziert jüdischen Gesicht.

      „Ich? Ich bleibe! Ich bin doch Urchrist!“

      Und als alles lachte, sagte er behaglich schmunzelnd:

      „Spaß beiseite, ich bin ein waschechter Goi! Mein Großvater Amsel Pinkus war ein Tuchhändler in Frankfurt am Main und ein braver, frommer Jude. Als er sich aber in meine Großmutter, Christine Haberle, eine kleine Sängerin aus Stuttgart, verliebte, ließ er sich, da sie anders nicht die Seine werden wollte, taufen. Nun, mein Vater heiratete wieder eine Christin und so bin ich Christ in dritter Generation, also werde ich nicht ausgewiesen, obwohl ich in Art und Äußerem ganz entschieden ein Duplikat meines Großvaters bin.“

      „Es lebe der Urchrist Pinkus,“ rief der Hausherr belustigt und alle hoben lachend die Gläser. Da klang vom See her ein Knall wie ein Peitschenhieb. Und von seltsamer Ahnung ergriffen, rief Villoner: „Wo ist Seider?“

      Aber schon brachten Leute die Leiche des jungen Lyrikers. Er hatte sich unten am See erschossen, um seine müde, empfindsame Seele nicht in der Fremde frieren lassen zu müssen.

      5. Kapitel.

      Mädchen unter sich.

      Bei der Lona in der Gumpendorferstraße herrschte geradezu Panikstimmung. Acht junge Damen, eine schöner als die andere, waren schon versammelt und immer wieder mußte die dicke Wirtschafterin, Frau Kathi Schoberlechner, die Wohnungstür öffnen und ein Fräulein hereinlassen.

      Im Salon roch es außerordentlich kräftig nach Houbigant, Ambre, Coty Rouge und Zigaretten, und es leuchtete und funkelte von hellblonden, rotblonden, schwefelgelben und schwarzen Haaren, Diamanten und Perlen. Alle waren in Spitzen und Seide gekleidet, nur die Lona trug einen duftigen Schlafrock, der vorn offen war, so daß ihr der schneeweiße Busen fast entquoll, und ihre nackten Füße steckten in roten Pantöffelchen.

      Die schwarze Yvonne weinte zum Herzzerbrechen, die rote Margit aber schlug auf den Tisch und schrie erbost:

      „Mir müssen demonschtrieren! Wann i so an Nationalpülcher derwisch, kratz’ i eahm die scheangleten Augen aus!“

      „A so a Gemeinheit! Was soll’n mir denn machen, wann s’ die Juden hinausschmeißen?“

      Yvonne weint noch heftiger. „Und grad jetzt, wo mir der Fredi Pollak a neuches Automobil bestellt hat.“

      „Mir gibt der Reizes, mit dem was ich seit zwei Wochen geh’, zehn Millionerln im Monat! Möcht’ wissen, ob die Herren Christen auch so splendid sein werd’n?“

      „Ihr wißt ja eh, ich hab’ den Zwitterbauch aus Mährisch-Ostrau, der mich ganz aushält und nur amal im Monat auf a Wochen nach Wien kummt!“

      Eine üppige Juno mit gelben Haaren schlug die starken, aber schönen Beine übereinander, daß man die blauseidenen Strumpfhalter sah, leerte ein Gläschen Cointreau und sagte mit klingender Altstimme:

      „Kinder, am meisten Erfahrung habe wohl ich im Leben! Und ich kann nur sagen, wenn die Juden verschwunden sind, müssen wir alle verhungern oder uns um Stellen als Klosettfrauen in Kaffeehäusern umsehen. Geldlassen tun nur die Juden, die anderen wollen alle viel Liebe und wenig Spesen! Zehn Jahre bin ich mit dem Baron Stummerl vom Auswärtigen Amt gegangen, und in diesen zehn СКАЧАТЬ