Название: Sherlock Holmes und die Ohren
Автор: Sir Arthur Conan Doyle
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788726693089
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Es betraf im Grunde nur eine Kleinigkeit. Ich war unerwartet ins Wohnzimmer getreten, und als ich meiner Frau entgegenging, begrüsste sie mich mit einem freundlichen Lächeln, wie sie aber sah, dass ich es war, verschwand das Lächeln, und an seine Stelle trat unverkennbare Enttäuschung. Das genügte mir. Sie konnte meine Schritte nur für die Alec Fairbairns gehalten haben. Wäre er damals zur Stelle gewesen, so hätte ich ihn umgebracht, denn ich war immer wie ein Wahnsinniger, wenn mein hitziges Temperament mit mir durchging. Mary sah die gefährliche Wut in meinen Augen brennen, und sie kam auf mich zugelaufen und legte mir die Hand auf den Arm. ,Jim, bitte, tus nicht, lieber Jim‘, sagte sie. ,Wo ist Sara?‘, fragte ich. ,In der Küche‘, sagte sie. Ich ging in die Küche. ,Sara‘, sagte ich, ,dieser Fairbairn wird nie mehr die Schwelle meines Hauses betreten.‘ ,Warum nicht?‘ fragte sie. ,Weil ich es ihm verbiete.‘ ,O‘, erwiderte sie darauf, ,wenn meine Freunde für dieses Haus nicht gut genug sind, so passe ich wohl auch nicht mehr zu euch.‘ ,Du kannst tun was du willst‘, antwortete ich, aber wenn dieser Fairbairn sein Gesicht jemals wieder unter meinem Dache blicken lässt, so schneide ich ihm die Ohren ab und schicke sie Dir!‘ Meine Wut entsetzte sie offenbar, denn sie sagte kein Wort mehr zu mir und verliess uns am selben Abend.
Ich weiss nun nicht, war es pure Bosheit auf seiten dieses Frauenzimmers oder glaubte sie, dass sie mich gegen meine Frau aufbringen könne, indem sie Mary zu Ungehörigkeiten veranlasste. Zwei Strassen entfernt mietete Sara ein Haus und errichtete eine Pension für Seeleute. Fairbairn wohnte dort, und Mary ging nachmittags oft zum Tee zu ihr hinüber. Wie oft sie hinging, weiss ich nicht, aber eines Tages, als ich ihr folgte und plötzlich im Zimmer erschien, machte sich Fairbairn durch das Fenster und über die Gartenmauer aus dem Staub. Da sah ich so recht, was für ein feiger Hund er war. Ich schwor meiner Frau, es würde sie das Leben kosten, wenn ich sie je wieder in seiner Gesellschaft sähe, und führte sie mit mir zurück, weinend und zitternd und so weiss im Gesicht wie ein Stück Papier. Alle Liebe zwischen uns hatte aufgehört, ja ich konnte sogar bemerken, dass sie mich hasste und fürchtete, und wenn der Gedanke daran mich dem Trunke in die Arme führte, so verachtete sie mich noch dazu.
Sara indessen sah ein, dass sie in Liverpool nicht mehr bleiben konnte, und so ging sie wieder zu ihrer Schwester nach Croydon, während bei mir zu Haus so ziemlich alles beim gleichen blieb. Dann kam diese letzte Woche und mit ihr all der Jammer und das Elend! Die Sache ging so zu: Wir standen vor einer siebentägigen Fahrt, aber ein grosses Fass der Deckladung geriet ins Rollen und schlug einige Planken los, so dass wir für zwölf Stunden in den Hafen zurück mussten. Ich ging von Bord und nach Hause. Allerlei Gedanken wirbelten mir durch den Kopf, als ich in unsere Strasse einbog. In eben diesem Augenblick fuhr eine Droschke an mir vorbei, und da sass sie drin an der Seite dieses Fairbairn; sie lachten und schwatzten zusammen und dachten nicht entfernt an mich, und dass ich sie vom Trottoir aus beobachtete. Ich sage Ihnen und ich gebe Ihnen mein Wort darauf, dass ich von diesem Augenblick an nicht mehr Herr meiner selbst war; es ist mir alles wie ein böser Traum, wenn ich daran zurückdenke. Ich hatte mich in der Zeit vorher noch mehr dem Trunke ergeben, und das und meine Aufregung liessen mich den Kopf verlieren. Noch jetzt hämmert mir etwas im Schädel wie ein Dampfhammer, aber an jenem Morgen, da war es, als ob die Niagarafälle in meinen. Ohren sausten und brausten.
Wie ich sie also da fahren sah, lief ich dem Wagen nach. Ich hatte einen schweren eichenen Stock in der Hand, und ich sage Ihnen, dass ich vom ersten Augenblicke an rot sah. Bald darauf hielten sie am Bahnhof. Es war eine grosse Menschenmenge am Schalter, so dass ich mich ganz nahe herandrängen konnte, ohne gesehen zu werden. Sie nahmen Billette nach Neu-Brighton. Ich auch, aber ich stieg in einen Wagen, der von ihrem Abteil ziemlich entfernt war. In Brighton gingen sie auf der Strandpromenade spazieren, und ich folgte ihnen stets in einem Abstand von etwa hundert Metern. Schliesslich sah ich sie, wie sie ein Boot mieteten und hinausruderten. Es war sehr heiss an diesem Tag, und so sagten sie sich wahrscheinlich, dass es auf dem Wasser kühler sein würde. Das war nun gerade, wie wenn eine höhere Macht sie in meine Hände gegeben hätte. Ein leichter Nebeldunst lag über der See, und man konnte höchstens einige hundert Schritt weit sehen. Ich mietete mir also gleichfalls ein Boot und ruderte ihnen nach. Ich konnte die Umrisse ihres Bootes erkennen, aber sie ruderten fast so schnell wie ich, und es dauerte ziemlich lange, ehe ich sie eingeholt hatte. Nach meiner Schätzung waren wir etwa eine volle Meile vom Ufer entfernt. Der Nebel hing wie ein Vorhang rings um uns herum, und wir drei waren auf dem Meere allein. Mein Gott, werde ich je ihre Gesichter vergessen, als sie erkannten, wer sich ihnen in dem Boot näherte? Sie schrien laut auf. Er fluchte wie ein Wahnsinniger und stiess nach mir mit dem Ruder, denn er musste in meinen Augen seinen Tod gelesen haben. Ich aber wich dem Stoss aus, und dann traf ihn ein Schlag mit meinem Stock, der ihm den Kopf zerschmetterte, wie wenn es ein Ei gewesen wäre. Ich hätte sie vielleicht geschont trotz meiner wahnsinnigen Wut, aber sie schlang ihre Arme um ihn und rief mehrmals „Alec! Alec!“ Ich schlug wieder zu und sie lag neben ihm. Ich war jetzt wie ein wildes Tier, das Blut geleckt hatte. Wäre Sara dabei gewesen, bei Gott, sie wäre ihrem Schicksal nicht entgangen. Dann zog ich mein Messer und — . . . weiter brauche ich nichts zu sagen. Eine wilde Freude erfasste mich bei dem Gedanken, was Sara wohl sagen würde, wenn sie die deutlichen Zeichen davon in Händen hätte, welche Früchte ihre Intrigen gezeitigt. Dann schnürte ich die beiden Leichen in dem Boote fest, schlug eine Planke aus dem Boden heraus und wartete, bis es gesunken war. Ich wusste ganz genau, dass der Vermieter des Bootes annehmen würde, sie hätten in dem Nebel die Orientierung verloren und wären auf die offene See hinausgetrieben. Ich aber ruderte zurück ans Land und ging wieder auf mein Schiff, ohne dass jemand den geringsten Verdacht gehabt hätte. In der Nacht machte ich das Paket für Sara Cushing, und am nächsten Tag schickte ich es von Belfast ab.
Das ist die Wahrheit und alles, was ich zu sagen habe, und nun kann man mich hängen oder kann mit mir tun, was man will — mehr kann man mich nicht strafen, als ich schon jetzt gestraft bin; ich kann kein Auge zumachen, ohne diese beiden Gesichter zu sehen, die mich immer noch wie damals anstarren, als sie bemerkten, wer aus dem Nebel heraus auf sie zugerudert kam. Ich habe sie rasch getötet, aber sie foltern mich langsam zu Tode, und wenn ich noch eine Nacht so wie die letzte zu verbringen habe, so bin ich am nächsten Morgen entweder verrückt oder tot. Ich bitte Sie inständig, lassen Sie mich nicht allein in meiner Zelle! Um der Barmherzigkeit willen, lassen Sie mich nicht allein!“
„Ein Menschenschicksal, Watson!“ sagte Holmes feierlich, als er das Papier wieder auf den Tisch legte. „Wenn die Welt nicht vom Zufall regiert wird, was undenkbar ist, — zu was diese Ereignisse voll Jammer und Gewalttat? Wir stehen hier vor einem Rätsel, von dessen Lösung die Menschheit so weit entfernt ist wie nur je.“ — —
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