Название: Der Nachsommer
Автор: Adalbert Stifter
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788726630862
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Da die Sonne immer wärmer, wenn auch nicht gar heiß schien, wunderte ich mich, daß keiner von meinen zwei Begleitern eine Bedeckung auf dem Haupte trug. Sie waren ohne einer solchen von dem Hause fortgegangen. Der alte Mann breitete dem Glanze der Sonne die Fülle seiner weißen Haare unter, und der Zögling trug auf seinem Scheitel die dichten, glänzenden, braunen Locken. Ich wußte nicht, kamen mir die beiden ohne Kopfbedeckung sonderbar vor, oder ich neben ihnen mit meinem Reisehute auf dem Haupte. Der Jüngling hatte wenigstens den Vorteil, daß ihm die Sonne die Wangen noch mehr rötete und noch schöner färbte, als sie sonst waren.
Ich betrachtete ihn überhaupt gerne. Sein leichter Gang war ein heiterer Frühlingstag gegen den zwar auch noch kräftigen, aber bestimmten und abgemessenen Schritt seines Begleiters, seine schlanke Gestalt war der fröhliche Anfang, die seines Erziehers das Hinneigen zum Ende. Was sein Benehmen anbelangt, so war er zurüdegezogen und bescheiden und mischte sich nicht in die Gespräche, außer wenn er gefragt wurde. Ich wendete mich häufig an ihn und fragte ihn um verschiedene Dinge, besonders um solche, die die Gegend umher betrafen und deren Kenntnis ich bei ihm voraussetzen mußte. Er antwortete sicher und mit einer gewissen Ehrerbietung gegen mich, obwohl ich ihm an Jahren nicht so ferne stand als sein Erzieher. Er ging meistens, auch wenn der Weg breit genug gewesen wäre, hinter uns.
Als wir den Hügel vollends umgangen hatten und an mehreren ländlichen Wohnungen vorbeigekommen waren, stiegen wir auf der nämlichen Seite und auf dem nämlichen Wege gegen das Haus empor, auf welchem ich gestern gegen dasselbe hinangekommen war. Da wir es erreicht hatten, traten uns die Rosen entgegen, wie sie mir gestern entgegengetreten waren. Ich nahm von diesem Anblicke Gelegenheit, meinen Gastfreund der Rosen wegen zu fragen, da ich überhaupt gesonnen war, dieser Blumen willen einmal eine Frage zu tun. Ich bat ihn, ob wir denn zu besserer Betrachtung nicht näher auf den großen Sandplatz treten wollten. Wir taten es und standen vor der ganzen Wand von Blumen, die den unteren Teil des weißen Hauses deckte.
Ich sagte, er müsse ein besonderer Freund dieser Blumen sein, da er so viele Arten hege, und da die Pflanzen hier in einer Vollkommenheit zu sehen seien wie sonst nirgends.
„Ich liebe diese Blume allerdings sehr“, antwortete er, „halte sie auch für die schönste und weiß wirklich nicht mehr, welche von diesen beiden Empfindungen aus der anderen hervorgegangen ist.“
„Ich wäre auch geneigt“, sagte ich, „die Rose für die schönste Blume zu halten. Die Kamelia steht ihr nahe, dieselbe ist zart, klar und rein, oft ist sie voll von Pracht; aber sie hat immer für uns etwas Fremdes, sie steht immer mit einem gewissen vornehmen Anstande da: das Weiche, ich möchte den Ausdruck gebrauchen, das Süße der Rose hat sie nicht. Wir wollen von dem Geruche gar nicht einmal reden; denn der gehört nicht hieher.“
„Nein“, sagte er, „der gehört nicht hieher, wenn wir von der Schönheit sprechen; aber gehen wir über die Schönheit hinaus und sprechen wir von dem Geruche, so dürfte keiner sein, der dem Rosengeruche an Lieblichkeit gleichkömmt.“
„Darüber könnte nach einzelner Vorliebe gestritten werden“, antwortete ich, „aber gewiß wird die Rose weit mehr Freunde als Gegner haben. Sie wird sowohl jetzt geehrt, als sie in der Vergangenheit geehrt wurde. Ihr Bild ist zu Vergleichen das gebräuchlichste, mit ihrer Farbe wird die Jugend und Schönheit geschmückt, man umringt Wohnungen mit ihr, ihr Geruch wird für ein Kleinod gehalten und als etwas Köstliches versendet, und es hat Völker gegeben, die die Rosenpflege besonders schützten, wie ja die waffenkundigen Römer sich mit Rosen kränzten. Besonders liebenswert ist sie, wenn sie so zur Anschauung gebracht wird wie hier, wenn sie durch eigentümliche Mannigfaltigkeit und Zusammenstellung erhöht und ihr gleichsam geschmeichelt wird. Erstens ist hier eine wahre Gewalt von Rosen, dann sind sie an der großen weißen Fläche des Hauses verteilt, von der sie sich abheben; vor ihnen ist die weiße Fläche des Sandes, und diese wird wieder durch das grüne Rasenband und die Hecke wie durch ein grünes Samtband und eine grüne Verzierung von dem Getreidefelde getrennt.“
„Ich habe auf diesen Umstand nicht eigens gedacht“, sagte er, „als ich sie pflanzte, obwohl ich darauf sah, daß sie sich auch so schön als möglich darstellten.“
„Aber ich begreife nicht, wie sie hier so gut gedeihen können“, entgegnete ich. „Sie haben hier eigentlich die ungünstigsten Bedingungen. Da ist das hölzerne Gitter, an das sie mit Zwang gebunden sind, die weiße Wand, an der sich die brennenden Sonnenstrahlen fangen, das Überdach, welches dem Regen, Taue und dem Einwirken des Himmelsgewölbes hinderlich ist, und endlich hält das Haus ja selber den freien Luftzug ab.“
„Wir haben dieses Gedeihen nur nach und nach hervorrufen können“, antwortete er, „und es sind viele Fehlgriffe getan worden. Wir lernten aber und griffen die Sache dann der Ordnung nach an. Es wurde die Erde, welche die Rosen vorzüglich lieben, teils von anderen Orten verschrieben, teils nach Angabe von Büchern, die ich hiezu anschaffte, im Garten bereitet. Ich bin wohl nicht ganz unerfahren hieher gekommen, ich hatte auch vorher schon Rosen gezogen und habe hier meine Erfahrungen angewendet. Als die Erde bereit war, wurde ein tiefer, breiter Graben vor dem Hause gemacht und mit der Erde gefüllt. Hierauf wurde das hölzerne Gitter, welches reichlich mit Ölfarbe bestrichen war, daß es von Wasser nicht in Fäulnis gesetzt werden konnte, aufgerichtet, und eines Frühlings wurden die Rosenpflanzen, die ich entweder selbst gezogen oder von Blumenzüchtern eingesendet erhalten hatte, in die lockere Erde gesetzt. Da sie wuchsen, wurden sie angebunden, im Laufe der Jahre versetzt, verwechselt, beschnitten und dergleichen, bis sich die Wand allgemach erfüllte. In dem Garten sind die Vorratsbeete angelegt worden, gleichsam die Schule, in welcher die gezogen werden, die einmal hieher kommen sollen. Wir haben gegen die Sonne eine Rolle Leinwand unter dem Dache anbringen lassen, die durch einige leichte Züge mit Schnüren in ein Dach über die Rosen verwandelt werden kann, das nur gedämpfte Strahlen durchläßt. So werden die Pflanzen vor der zu heißen Sommersonne und die Blumen vor derjenigen Sonne geschützt, die ihnen schaden könnte. Die heutige ist ihnen nicht zu heiß, Ihr seht, daß sie sie fröhlich aushalten. Was Ihr von Tau und Regen sagt, so steht das Gitter nicht so nahe an dem Hause, daß die Einflüsse des freien Himmels ganz abgehalten werden. Tau sammelt sich auf den Rosen, und selbst Regen träufelt auf sie herunter. Damit wir aber doch nachhelfen und zu jener Zeit Wasser, geben können, wo es der Himmel versagt, haben wir eine hohle Walze unter der Dachrinne, die mit äußerst feinen Löchern versehen ist, und aus Tonnen, die unter dem Dache stehen, mit Wasser gefüllt werden kann. Durch einen leichten Druck werden die Löcher geöffnet, und das Wasser fällt wie Tau auf die Rosen nieder. Es ist wirklich ein angenehmer Anblick, zu sehen, wie in Zeiten hoher Not das Wasser von Blättern und Zweigen rieselt und dieselben sich daran erfrischen. Und damit es endlich nicht an Luft gebricht, wie Ihr fürchtet, gibt es ein leichtes Mittel. Zuerst ist auf diesem Hügel ein schwacher Luftzug ohnehin immer vorhanden und streicht an der Wand des Hauses. Sollten aber die Blumen an ganz stillen Tagen doch einer Luft bedürfen, so werden alle Fenster des Erdgeschosses geöffnet, und zwar sowohl an dieser Wand als auch an der entgegengesetzten. Da nun die entgegengesetzte Seite die nördliche ist und dort die Luft durch den Schatten abgekühlt wird, so strömt sie bei jenen Fenstern herein und bei denen der Rosen heraus. Ihr könnt da an den windstillsten Tagen ein sanftes Fächeln der Blätter sehen.“
„Das sind bedeutende Anstalten“, erwiderte ich, „und beweisen Eure Liebe zu diesen Blumen; aber aus ihnen allein erklärt sich doch nicht die besondere Vollkommenheit dieser Gewächse, die ich nirgends gesehen habe, so daß keine unvollkommene Blume, kein dürrer Zweig, kein unregelmäßiges Blatt vorkömmt.“
„Zum Teile erklärt sich die Tatsache doch wohl aus diesen Anstalten“, sagte er. „Luft, Sonne und Regen sind durch die südliche Lage des Standortes und die Vorrichtungen so weit verbessert, als sie hier verbessert werden können. Noch mehr ist an der Erde getan worden. Da wir nicht wissen, welches denn der letzte Grund des Gedeihens lebendiger Wesen überhaupt ist, so schloß ich, daß den Rosen am meisten gut tun müsse, was von Rosen kömmt. Wir ließen daher seit jeher alle Rosenabfälle sammeln, СКАЧАТЬ