Flucht in die Finsternis. Arthur Schnitzler
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Название: Flucht in die Finsternis

Автор: Arthur Schnitzler

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788726544374

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СКАЧАТЬ Er ging rasch und sicher, trällerte vor sich hin, endlich begann er sogar zu singen mit einer schönen dunklen Stimme, die ihm selber fremd vorkam. Vielleicht ist es gar nicht meine Stimme, dachte er, vielleicht bin ich es überhaupt gar nicht selber? Vielleicht träume ich? Vielleicht ist es mein letzter Traum, den ich träume, der Traum auf dem Sterbebett?

      Er erinnerte sich eines Einfalls, den Leinbach vor Jahren in grösserer Gesellschaft ganz ernsthaft, ja, mit einer gewissen Wichtigkeit vorgebracht hatte. Er hatte damals einen Beweis gefunden, dass es eigentlich keinen Tod auf der Welt gebe. Es sei ja zweifellos, erklärte er, dass nicht nur für Ertrinkende, sondern dass für alle Sterbenden im letzten Augenblick das ganze Leben mit einer ungeheuren, für uns andere gar nicht zu erfassenden Geschwindigkeit noch einmal sich abrolle. Da nun dieses erinnerte Leben natürlich auch wieder einen letzten Augenblick habe und dieser letzte Augenblick wieder einen letzten, und so weiter: so bedeute das Sterben im Grunde nichts anderes als die Ewigkeit — unter der mathematischen Formel einer unendlichen Reihe. Robert erinnerte sich noch, wie erbittert Otto dieses Gefasel zurückgewiesen hatte; Robert aber, ohne sich für Leinbachs Auffassung gradezu einzusetzen, hatte keineswegs vermocht, sie völlig unsinnig zu finden. Wenn jene Erklärung stimmte, so wusste man freilich nie, zum wievielten Male man irgendeine Sache durchlebte, und überdies war es gleichgültig, da man ja alles unendliche Male zu durchleben verdammt war. — Ach, Unsinn über Unsinn! Eine fragwürdige Erscheinung, dieser Leinbach, und als Arzt überhaupt nicht ernst zu nehmen! Den konnte man natürlich anschwindeln, wie man nur wollte; es war keine Kunst. Mit Otto würde man kein so leichtes Spiel haben ...

      Das Tor des Gasthofs öffnete sich vor ihm. Als er die Treppen hinaufstieg, standen plötzlich wieder, wie vor beinah zwanzig Jahren, die Wände eines kleinen alten Palasts um ihn; und das verblichene Rot des Stiegenteppichs leuchtete wie Purpur unter seinen Füssen. Zum wievielten Male schritt er wohl diese Treppe jetzt hinauf? Zum hundertsten, zum tausendsten Male? Und immer wieder? Wie oft war sie der arme Höhnburg hinaufgegangen zu seiner geliebten Schauspielerin? Und ging er sie immer noch, und musste sie ewig gehen —?! Zum Teufel mit den unsinnigen Gedanken! Jedenfalls wollte sie nicht enden, diese Treppe. In welche Finsternis verlor sich der Gang? Jäh war die Beleuchtung im Stiegenhaus verlöscht. Robert schrak zusammen. Aber er fasste sich, entzündete ein Streichholz und leuchtete sich so bis zur Tür. Als er sie hinter sich geschlossen und das Zimmerlicht eingeschaltet hatte, atmete er auf, wie einer Gefahr entronnen.

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