Splitter einer vergangenen Zukunft. Eckhard Bausch
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Название: Splitter einer vergangenen Zukunft

Автор: Eckhard Bausch

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die Dunstein-Chroniken

isbn: 9783947721214

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СКАЧАТЬ vielleicht hat Murbolt in Siimart einfach nur versucht, seine Aufzeichnungen aus der Erinnerung nochmals niederzuschreiben“, wandte Ulban ein.

      „Das hat er sogar ganz bestimmt getan“, stimmte der alte Mann mit dem blauen Gewand zu. „Nur handelt es sich eben bei den Aufzeichnungen, die in meinen Besitz gelangt sind, eindeutig nicht um eine von Murbolt gefertigte Zweitschrift.“

      Ulban sah ihn zweifelnd an.

      „Roxolay, alter Freund, kann es sein, dass du Gespenster siehst?“

      Roxolay legte die Stirn in Falten.

      „Ich bin ein Spiritant“, stellte er klar. „Ich würde Gespenster nur sehen, wenn es sie wirklich gäbe. Und jetzt verrate ich dir ein Geheimnis: Ich glaube, es gibt Gespenster! Die Zweitschrift von Murbolts Aufzeichnungen war auf neuem Pergament geschrieben. Die sinnentstellenden Abweichungen des ansonsten wortwörtlich übereinstimmenden Textes wirken äußerst gezielt. Beides lässt sich auch durch eine verblasste Erinnerung nicht erklären. Es ist völlig unmöglich, dass jemand in der Lage ist, über viele Seiten hinweg jedes einzelne Wort genau wieder an die gleiche Stelle zu setzen, dann aber ausgerechnet in den entscheidenden Punkten exakt das Gegenteil der ursprünglichen Fassung niederschreibt. Nein, die Abschrift stammt mit absoluter Gewissheit nicht von Murbolt. Und genau das ist es, was mir Angst einflößt.“

      Nun runzelte Ulban die Stirn: „Dem Meister der Todeszeremonie macht etwas Angst?“

      „Dem ehemaligen Meister der Todeszeremonie“, berichtigte Roxolay. „Ja, es gibt sogar etwas, das selbst mir Angst macht: Gespenster. Niemand konnte in der Lage sein, Murbolts Aufzeichnungen derart exakt zu kopieren. Nicht nur die Wörter, sondern auch die Schriftzüge stimmen bis in die kleinsten Details absolut überein. Obwohl niemand etwas Derartiges zustande bringen kann, ist es dennoch geschehen. Ich werde dir beide Schriften geben und bitte dich, sie eingehend zu studieren. Wenn wir herausfinden, was mit den Abweichungen bezweckt ist, wäre das vielleicht der Schlüssel zur Lösung eines noch viel größeren Rätsels. Allerdings befürchte ich, dass hier eine Macht am Werke ist, die wir uns in unseren kühnsten Träumen nicht vorstellen können.“

      Es trat eine lange Pause ein. Die beiden Frauen mit dem gleichen Äußeren nippten zur gleichen Zeit an ihren Weingläsern. Auch Ulban nahm einen tiefen Schluck.

      Schließlich forderte Roxolay ihn auf: „Aber jetzt erzähle du uns erst einmal, weshalb du uns gebeten hast, nach Modonos zu kommen!“

      „Corbunt, der Oberbefehlshaber des Heeres von Modonos, wurde ermordet“, erklärte Ulban betrübt.

      Roxolay sah ihn überrascht an.

      „Solche Dinge passieren. Du hast doch nicht die gesamte Schulleitung von Rabenstein wegen des Mordes an einem Obesier in die Hauptstadt bestellt. Warum also?“

      Ulban senkte den Kopf und murmelte: „Ich befürchte, dass mein Sohn Atarco der Täter war, und dass ich sein nächstes Opfer sein werde. Er hat sich mit der Witwe Crescals zusammengetan, des Mannes, der den Aufstand gegen die Mon’ghale losgetreten hat. Man sagt, Atarco strebe das Amt des Höchsten Priesters an.“ Roxolay schaute seinen alten Freund prüfend an: „Ich hätte dich sowieso für den Letzten gehalten, der bereit sein würde, die Ordensführung zu übernehmen. Du könntest auch jetzt noch jederzeit zurücktreten, wenn du eine Auseinandersetzung mit deinem Sohn befürchtest. Also, was steckt wirklich dahinter?“

      Ulban hatte die Frage erwartet, wissend, dass er vor dem alten Fuchs nichts geheim halten konnte.

      „Ich wurde gewählt, weil sich der Innere Zirkel auf keinen anderen Kandidaten verständigen konnte“, flüsterte er. „Aber das erklärt natürlich noch nicht, warum ich die Wahl angenommen habe. Ich sah darin die einzige Möglichkeit, an Baradia und die Rezeptur der Wiedererweckung heranzukommen. Ich bin immer noch davon überzeugt, dass meine Frau vergiftet wurde. Ich kann auf Dauer nicht ohne sie leben.“ In seinen Augen standen Tränen. Roxolay hatte Mitleid mit seinem Freund. Aber es gab vorrangige Dinge zu regeln, von denen das Schicksal vieler Menschen abhing.

      „Da du nun schon einmal Höchster Priester bist, müssen wir das ausnutzen, um ein anderes Geheimnis zu lüften“, bestimmte der Alte aus Rabenstein. „Du wirst mir Zutritt zu der Rotunde verschaffen. Danach sehen wir weiter.“ Die Rotunde war das einzige vorgeschichtliche Bauwerk auf dem Kontinent, das in seinem ursprünglichen Zustand noch vollständig erhalten war. Die Priester des Wissens hatten sie als Zentrum des „Inneren Zirkels“ auserkoren. Dieser Gebäudeteil der Akademie von Modonos, der nur von der gleichnamigen Elite des Priesterordens benutzt werden durfte, war rund um die Rotunde errichtet worden. Die Rotunde selbst durfte aber sogar von Mitgliedern des Inneren Zirkels nur in Gegenwart des Höchsten Priesters betreten werden.

      Ulban fragte sich, wozu der ehemalige Meister der Todeszeremonie Einlass in diesen kleinen Kuppelbau begehrte. Er scheute sich jedoch, ihm die entsprechende Frage zu stellen.

      *

      Für die königliche Doppelhochzeit hätte es keinen würdigeren Rahmen geben können. Der gesamte Quaralpalast schimmerte im Glanz abertausender bunter Lichter, die selbst das warme Leuchten der Kristallbänder überstrahlten. Generationen von Menschen hatten jedes Jahr an dem wiederkehrenden Festtag immer weitere kleine Glaslaternen hinzugefügt. Inzwischen bedurfte es deshalb vieler Tage Arbeit, um die brennenden Dauerkerzen in die farbigen Glaskolben einzusetzen. Aus diesem Grunde konnte man nun aber schon Tage vor dem eigentlichen Lichterfest die Vorfreude auf den Anblick genießen, der die letzte dunkle Winternacht in ein buntes Lichtermeer verwandeln würde.

      Schon meilenweit vom Meer und vom Aralt-Gebirge aus war der farbenprächtige Widerschein der großen Festungsanlage auf dem Mittelgebirgskamm zu erkennen, der in den nördlichen Ozean hineinragte.

      Eine feierliche Stimmung hatte die Menschen ergriffen. Allenthalben herrschte Freude, was der Ort auch den ungewöhnlich vielen Gästen verdankte. Aus allen Teilen des Kontinents waren sie gekommen, um einem historischen Ereignis beizuwohnen. Durch die Vermählung mit einem Priester des Wissens brach die mithrische Königin ein Tabu. Niemand schien dies jedoch zu stören. Alle spürten, dass Quintora mit diesem Schritt ein neues Zeitalter der Toleranz und des gegenseitigen Respekts eingeläutet hatte. Dadurch trat die Ungeheuerlichkeit der zweiten Heirat, die noch kurz zuvor ein gleichartiges Aufsehen erregt hätte, völlig in den Hintergrund. Dass ein Mithrier eine Zogh ehelichte, war für beide Völker diesseits und jenseits des Aralt-Gebirges bislang ebenfalls kaum vorstellbar.

      In Liebe und Leidenschaft hatten die beiden Eisgräfinnen mit ihren männlichen Partnern diese Entscheidungen getroffen. Mit kühler Berechnung hatten sie ihr Vorhaben gemeinsam in die Tat umgesetzt. Seite an Seite gaben sich Telimur, der Priester des Wissens aus Modonos, und Königin Quintora, sowie der Fürst zu Drinh und die Herzogin der Höhlen in einer rauschenden Zeremonie im Quaralpalast das Jawort.

      Für Unitor und Tritoria hatte dieser Augenblick eine ganz besonders intensive Symbolkraft, weil er durch Telimur überhaupt erst ermöglicht worden war. Der Priester des Wissens hatte vor einigen Jahren nicht nur den Eisgrafen vor der Hinrichtung in Modonos bewahrt, sondern dabei zugleich den Mörder getötet, der Tritorias geliebten Bruder erstochen hatte. Nicht zuletzt deshalb hatte die stolze Herzogin der Höhlen Quintoras Idee der Doppelhochzeit sofort begeistert zugestimmt. Dass sie dadurch mit einer Jahrhunderte alten Tradition brach, die die Vermählung der Höhlen-Herzöge in Lokolt-2 vorsah, nahm sie gerne in Kauf. Bei Lokolt-2 handelte es sich um die Nachbarhöhle der Eiskaverne, in der die Herzöge beigesetzt wurden. Schon als Kind hatte Tritoria ihren Bruder bemitleidet, weil sie glaubte, dass er als Herzog gezwungen sein würde, in der tristen Umgebung der Todeshöhle seine Hochzeit begehen zu müssen. Aber dazu kam es nicht. Stattdessen war nun sie СКАЧАТЬ