Unterm Birnbaum. Textausgabe mit Kommentar und Materialien. Theodor Fontane
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СКАЧАТЬ Erbschaft«, wiederholte Szulski. »So, so; daher. Nun, gratuliere. Habe neulich auch einen Brocken geerbt und in Lemberg angelegt. Lemberg ist besser als Krakau. Ja, das muss wahr sein, Erbschaft ist die beste Art, zu Gelde zu kommen, die beste und eigentlich auch die anständigste …«

      »Und namentlich auch die leichteste«, bestätigte Kunicke. »Ja, das liebe Geld. Und wenn’s viel ist, das heißt sehr viel, dann darf man auch dran denken! Nicht wahr, Szulski?«

      »Natürlich«, lachte dieser. »Natürlich, wenn’s viel ist. Aber, Bauer Kunicke, denken und denken ist ein Unterschied. Man muss wissen, dass man’s hat, so viel ist richtig, das ist gut und ein angenehmes Gefühl und stört nicht …«

      »Nein, nein, stört nicht.«

      »Aber, meine Herren, ich muss es wiederholen, denken und denken ist ein Unterschied. An Geld immer denken, bei Tag und bei Nacht, das ist so viel, wie sich immer drum ängstigen. Und ängstigen soll man sich nicht. Wer auf Reisen ist und immer an seine Frau denkt, der ängstigt sich um seine Frau.«

      »Freilich«, schrie Kunicke. »Quaas ängstigt sich auch immer.«

      Alle lachten unbändig, und nur Szulski selbst, der auch darin durchaus Anekdoten- und Geschichtenerzähler von Fach war, dass er sich nicht gern unterbrechen ließ, fuhr mit allem erdenklichen Ernste fort: »Und wie mit der Frau, meine Herren, so mit dem Geld. Nur nicht ängstlich; haben muss man’s, aber man muss nicht ewig daran denken. Oft muss ich lachen, wenn ich so sehe, wie der oder jener im Postwagen oder an der Table d’hôte mit einem Male nach seiner Brieftasche fasst, ›ob er’s auch noch hat‹. Und dann atmet er auf und ist ganz rot geworden. Das ist immer lächerlich und schadet bloß. Und auch das Einnähen hilft nichts, das ist ebenso dumm. Ist der Rock weg, ist auch das Geld weg. Aber was man auf seinem Leibe hat, das hat man. All die andern Vorsichten sind Unsinn.«

      »Recht so«, sagte Hradscheck. »So mach ich’s auch. Aber wir sind bei dem Geld und dem Einnähen ganz von Polen abgekommen. Ist es denn wahr, Szulski, dass sie Diebitschen vergiftet haben?«

      »Versteht sich, es ist wahr.«

      »Und die Geschichte mit den elf Talglichten auch? Auch wahr?«

      »Alles wahr«, wiederholte Szulski. »Daran ist kein Zweifel. Und es kam so. Constantin wollte die Polen ärgern, weil sie gesagt hatten, die Russen fräßen bloß Talg. Und da ließ er, als er eines Tages elf Polen eingeladen hatte, zum Dessert elf Talglichte herumreichen, das zwölfte aber war von Marzipan und natürlich für ihn. Und versteht sich nahm er immer zuerst, dafür war er Großfürst und Vizekönig. Aber das eine Mal vergriff er sich doch, und da hat er’s runterwürgen müssen.«

      »Wird nicht sehr glatt gegangen sein.«

      »Gewiss nicht … Aber, Ihr Herren, kennt Ihr denn schon das neue Polenlied, das sie jetzt singen?«

       »Denkst du daran – –«

      »Nein, das ist alt. Ein neues.«

      »Und heißt?«

      »Die letzten Zehn vom vierten Regiment … Wollt Ihr’s hören? Soll ich es singen?«

      »Freilich.«

      »Aber Ihr müsst einfallen …«

      »Versteht sich, versteht sich.«

      Und nun sang Szulski, nachdem er sich geräuspert hatte:

      Zu Warschau schwuren tausend auf den Knieen:

      Kein Schuss im heil’gen Kampfe sei getan,

      Tambour schlag an, zum Blachfeld lasst uns ziehen,

      Wir greifen nur mit Bajonetten an!

      Und ewig kennt das Vaterland und nennt

      Mit stillem Schmerz sein viertes Regiment.

      »Einfallen! Chorus.« »Weiter, Szulski, weiter.«

      Ade, ihr Brüder, die zu Tod getroffen

      An unsrer Seite dort wir stürzen sahn,

      Wir leben noch, die Wunden stehen offen,

      Und um die Heimat ewig ist’s getan;

      Herr Gott im Himmel, schenk ein gnädig End

      Uns letzten Zehn vom vierten Regiment.

      Chorus:

      »Uns letzten Zehn vom vierten Regiment.«

      Alles jubelte. Dem alten Quaas aber traten seine schon von Natur vorstehenden Augen immer mehr aus dem Kopf.

      »Wenn ihn jetzt seine Frau sähe«, rief Kunicke.

      »Da hätt’ er Oberwasser.«

      »Ja, ja.«

      Und nun stieß man an und ließ die Polen leben. Nur Kunicke, der an Anno 13 dachte, weigerte sich und trank auf die Russen. Und zuletzt auch auf Quaas und Kätzchen.

      Mietzel aber war ganz übermütig und halb wie verdreht geworden und sang, als er Kätzchens Namen hörte, mit einem Male:

      »Nicht mal seiner eignen Frau,

      Kätzchen weiß es ganz genau.

      Miau.«

      Quaas sah verlegen vor sich hin. Niemand indessen dachte mehr an Übelnehmen.

      Und nun wurde der Ladenjunge gerufen, um neue Flaschen zu bringen.

      VI.

      So ging es bis Mitternacht. Der schräg gegenüber wohnende Kunicke wollte noch bleiben und machte spitze Reden, dass Szulski, der schon ein paarmal zum Aufbruch gemahnt, so müde sei. Der aber ließ sich weder durch Spott noch gute Worte länger zurückhalten; »er müsse morgen um neun in Frankfurt sein.« Und damit nahm er den bereitstehenden Leuchter, um in seine Giebelstube hinaufzusteigen. Nur als er die Türklinke schon in der Hand hatte, wandt’ er sich noch einmal und sagte zu Hradscheck: »Also vier Uhr, Hradscheck. Um fünf muss ich weg. Und versteht sich, ein Kaffee. Guten Abend, Ihr Herren. Allerseits wohl zu ruhn!«

      Auch die Bauern gingen; ein starker Regen fiel und alle fluchten über das scheußliche Wetter. Aber keine Stunde mehr, so schlug es um, der Regen ließ nach und ein heftiger Südost fegte statt seiner über das Bruch hin. Seine Heftigkeit wuchs von Minute zu Minute, so dass allerlei Schaden an Häusern und Dächern angerichtet wurde, nirgends aber mehr als an dem Hause der alten Jeschke, das grad in dem Windstrome lag, der, von der andern Seite der Straße her, zwischen Kunickes Stall und Scheune mitten durchfuhr. Klappernd kamen die Ziegel vom Dachfirst herunter und schlugen mit einem dumpfen Geklatsch in den aufgeweichten Boden.

      »Dat’s joa groad, as ob de Bös kümmt«, sagte die Alte und richtete sich in die Höh, wie wenn sie aufstehen wolle. Das Herausklettern aus dem hochstelligen Bett aber schien ihr zu viel Mühe zu machen, und so klopfte sie nur das Kopfkissen wieder auf und versuchte weiterzuschlafen. Freilich umsonst. Der Lärm draußen und die wachsende Furcht, ihren ohnehin schadhaften Schornstein in die Stube hinabstürzen СКАЧАТЬ