Sprachen lernen in der Pubertät. Heiner Böttger
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Название: Sprachen lernen in der Pubertät

Автор: Heiner Böttger

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: narr studienbücher

isbn: 9783823302766

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СКАЧАТЬ Das Neurotransmittersystem des Gehirns, verantwortlich für die Übertragung der Impulse von einer Nervenzelle auf andere durch Botenstoffe, verändert sich.

      So erhöht sich bei der Aussicht auf BelohnungBelohnung, Belohnungssystem beispielsweise die KonzentrationKonzentration des im Volksmund und populärwissenschaftlich fälschlicherweise als „Glückshormon“ bezeichneten Neurotransmitters DopaminDopamin im StirnlappenStirnlappen, dem präfrontalen Kortex, und vermindert dessen LeistungsfähigkeitLeistungsfähigkeit. Gleichzeitig steigt sie im Nucleus accumbens mit seinen Dopaminrezeptoren an. Dopamin ruft GefühleGefühle der MotivationMotivation, der Euphorie und der Vorfreude hervor und überschwemmt das Gehirn buchstäblich.

      Das „Übermannen der GefühleGefühle“, RisikobereitschaftRisikofreudigkeit, -bereitschaft und der Drang nach Anerkennung durch die peergroup hat seinen Ursprung dort im (meso)limbischen System: Vom Mandelkern (AmygdalaAmygdala), der die Information von außen verarbeitet, wallen sie ungefiltert und häufig unkontrollierbar hervor (vgl. Abb. 7). Durch diese während der AdoleszenzAdoleszenz typischerweise erhöhte Aktivität der Amygdala bei der emotionalen Reizverarbeitung können variable Gefühlszustände (vgl. Kap. 3.3) korrelieren, so z.B. verminderte AufmerksamkeitAufmerksamkeit oder impulsive Reaktionen auf Stressoren: Von himmelhoch jauchzend bis zutiefst betrübt reicht die emotionale Spanne. Dies schließt mögliche depressive Affekte mit ein (vgl. Spear 2010).

      Das limbische System ist vor allem eine funktionale, weniger eine anatomische, Einheit und gehört zu den ältesten Teilen des Gehirns. Im limbischen System wird deutlich repräsentiert, wie eng Lernen, Gedächtnis, MotivationMotivation und GefühleGefühle zusammenhängen. Es ist eine ringförmige Anordnung verschiedener Hirnareale mit Filterfunktion: Sie entscheiden hauptsächlich, ob und welche Inhalte verarbeitet werden, sodass diese dann gegebenenfalls langzeitlich in der Großhirnrinde abgespeichert werden können. Dabei spielen EmotionenEmotionen, Motivationen, Relevanz und Präferenzen eine entscheidende Rolle (Böttger 2016: 55).

      Erst im Alter zwischen 20 und 25 ist der präfrontale Kortex so weit ausgereift, dass er emotionale Affekte gezielt unterdrücken kann (vgl. Abb. 7a und b). Da Jugendliche in der AdoleszenzAdoleszenz tendenziell stärker ihr bereits gereiftes limbisches System nutzen (vgl. Sambanis 2013: 70f.), rangieren emotionale Verarbeitungen somit vor kognitiven. Der Verstand hat den Rest des Gehirns quasi noch nicht im Griff. Strategische, langfristige Planungen sind weitgehend noch nicht möglich. Für das Sprachenlernen liegt in dieser Erkenntnis ein Hinweis auf entsprechende Aufgabenformate (vgl. Kap. 5).

      Abb. 7a und b

      EntwicklungEntwicklung der kognitiven Kontrolle in der Adoleszenz (a) bzw. nach der Adoleszenz (b)

      Entwicklung der kognitiven Kontrolle (nach Geo kompakt 45/ 2015: 47)

      Die Fähigkeit, sich in andere zu versetzen, die eigene Perspektive zu verändern, ist vor der PubertätPubertät teils schon ausgeprägt. Während der Pubertät nimmt sie ab, mit dem Grad der HirnreifungHirnreifung dann erst wieder zu (vgl. 3.3.5). EmpathieEmpathie ist hochgradig sprachenrelevant – besonders auch in kommunikativen und interkulturellen Kompetenzen erhält sie Bedeutung. Die Beurteilung und Interpretation der Resultate dieses Perspektivwechsels allerdings ist meist noch geprägt durch den emotionalen Filter des limbischen Systems und weniger durch KognitionKognition.

      1.2.4 Weitere relevante Veränderungen

      Interhemisphärische Relaisstation: der Balken

      Das Corpus callosum ist ein neuronaler Faserbalken, der die Hemisphären im Gehirn verbindet. Auf der Suche nach weiteren Wachstumsmustern des sich entwickelnden Gehirns vor und während der PubertätPubertät ist festzustellen, dass sich dieses Hirnareal vor und während der Pubertät stark entwickelt, sich aber gleich anschließend abschwächt.

      Für Eltern und Lehrkräfte ist die Erkenntnis von hohem Interesse, dass diese Ergebnisse Studien zum Spracherwerb stützen, die eine Abnahme der Fähigkeit, neue Sprachen zu lernen, propagieren (Thompson et al. 2000).

      Hormonelle Besonderheiten

      Das HormonHormon Oxytocin ist u.a. verantwortlich für die Verstärkung sozialer Bindungen (vgl. Steinberg 2008) sowie die Selbstwahrnehmung während der PubertätPubertät. Ein großes Bestreben Jugendlicher ist, selbstbewusst und somit gelassen aufzutreten. Dies prägt sich auch im Sprachgebrauch aus (vgl. Kap. 2).

      Eine kleine Drüse im Zentrum des Gehirns, die Epiphyse oder auch ZirbeldrüseZirbeldrüse genannt, produziert das HormonHormon Melatonin, das den Tag-Nacht-Rhythmus steuert. Während der Wachstumsphase erzeugt es jedoch bei pubertierenden Jugendlichen Müdigkeit gleich einem Jetlag, d.h. in vielen Fällen mit einer Verzögerung von bis zu zwei Stunden gegenüber den „normalen“ Zeitabläufen (vgl. Sambanis 2013: 86).

      Dies erklärt die jugendliche Tendenz, länger aufbleiben zu wollen. Der Abbau des HormonsHormon geschieht wiederum mit gleicher Verzögerung, was morgendliche Müdigkeit und Schlafmangel zur Folge hat. Auf diesen Umstand sind institutionalisierte Bildungseinrichtungen nicht eingestellt, sie verlegen sogar teils den Unterrichtsbeginn wegen organisatorischer Notwendigkeiten (Busfahrpläne etc.) noch weiter in den frühen Morgen. Neben sich unweigerlich einstellenden Konzentrationsmängeln, die sich nicht nur auf das Sprachenlernen auswirken, sind erhöhte Reizbarkeit und Anfälligkeit für depressive Stimmungen (vgl. 3.2.1 und 3.3.5) erheblich lernkontraproduktiv.

      Kortex

      Die zerebrale Reorganisation wird in Untersuchungen mit EEGElektroenzephalographie (Elektroenzephalographie) ebenfalls deutlich. Dabei können zunehmende kognitive Fähigkeiten in der AdoleszenzAdoleszenz in Studien zur neuropsychologischen Intelligenzforschung mit Fokus auf die MyelinisierungMyelinisierung des präfrontalen Kortex belegt werden (Tamnes et al. 2010, 2012). Mit fortschreitender Adoleszenz zeigt sich beim Vergleich von Wellenfrequenzen eine starke Tendenz zur LeistungsfähigkeitLeistungsfähigkeit des StirnlappensStirnlappen und damit der Effizienz kognitiver Funktionen des beinahe Erwachsenen. Messbar ist gleichzeitig eine Abnahme des Glucose-Stoffwechsels, die diese Entwicklungsrichtung unterstützt (vgl. Spear 2010: 7).

      1.3 Genderunterschiede

      Die MyelinisierungMyelinisierung verläuft bei jungen Männern und Frauen bis zum Alter von etwa 18 Jahren leicht unterschiedlich ab und nivelliert sich dann in etwa. Abb. 8 verdeutlicht dies grob. Von erheblichem Interesse dabei ist der Umstand, dass sich dieser Prozess besonders in den für die SprachverarbeitungSprachverarbeitung verantwortlichen Hirnarealen niederschlägt. Lese- und SchreibkompetenzenSchreibkompetenzen wie auch feinmotorische Fähigkeiten, z.B. Handschrift, entwickeln sich ganz erheblich früher und schneller bei Mädchen. Diese Unterschiedlichkeit gleicht sich ab 18 Jahren dann aus, wenn nicht vorher eine genderspezifische Stigmatisierung stattfindet (vgl. Böttger 2016: 96).

      Abb. 8

      Genderabhängige MyelinisierungMyelinisierung

      Genderabhängige Myelinisierung (nach Blakemore 2006: 165)

      Die Aktivität in den beiden Hemisphären verdient ebenfalls Berücksichtigung bei der Unterstützung und Planung von Lernprozessen bei Jugendlichen: Im Alter von 14 bis 17 Jahren sind deutliche Unterschiede nachweisbar. Sie bestehen bei Mädchen vor allem in der klar effizienteren, funktionell symmetrischer organisierten Aktivierung der Hirnhälften zur Lösung sprachlicher Aufgaben. Obwohl das weibliche Gehirn durchschnittlich 13 Prozent kleiner СКАЧАТЬ