Das Logierhaus zur schwankenden Weltkugel. Franziska zu Reventlow
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Название: Das Logierhaus zur schwankenden Weltkugel

Автор: Franziska zu Reventlow

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711460788

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СКАЧАТЬ meine Herrschaften.«

      Wir verließen das Haus nun ohne weiteres Widerstreben und standen im wahren Sinne des Wortes obdachlos auf der Straße. Da man uns auch hier gefolgt war und den Vorgang beobachtet hatte, würden wir in der ganzen Stadt kein Quartier mehr finden. Es blieb nichts übrig, als, immer noch gefolgt von den beiden Packträgern und einer nicht unbeträchtlichen Menschenmenge, in das Logierhaus »Zur schwankenden Weltkugel« zurückzukehren und dem dicken Mynheer zu erklären, wir hätten uns die Sache inzwischen anders überlegt. Er empfing uns mit schlecht verhehlter Schadenfreude und meinte, die Mauern würden sich wohl noch eine Zeitlang halten. Es war nur ein Glück, daß er von unserem Irrtum mit den viruelas nichts wußte.

      Unser Doktor stürzte noch am gleichen Tage zu einem der einheimischen Kollegen und bestand darauf, daß wir uns alle impfen ließen. Nur die Schwester wollte nichts davon wissen und sagte, ihr Leben stände in Gottes Hand. Daß sie wieder im Logierhaus wohnen sollte, beunruhigte sie weit mehr. Sie trug auf unseren Rat von jetzt an Zivil, und der junge Kaufmann versprach ihr, in Afrika nichts davon zu erzählen. Und auf das Trapezmädel hatte man ein wachsames Auge, damit es sich nicht wieder auf die Hintertreppe verirrte.

      Außerdem gedachten wir sobald als möglich das gastliche Eiland zu verlassen und einen anderen Ort aufzusuchen. Nur die Wahl dieses Ortes war noch die Frage.

      Mit Karten und Reisebüchern saßen wir am nächsten Nachmittag im Garten unter den Palmen, als Monsieur Mouton, der alte Franzose, mit seinem Ameisenbär herunterkam, sich in unserer Nähe niederließ und anstatt seinen »Matin« zu lesen, ein Gespräch anknüpfte. Ah, wir wollten also fort? – und weshalb denn, wenn man fragen durfte? – »eh bien, nous verrons, Sie sind nicht die Ersten, die wieder fort wollen – aber man kann nicht, man kommt nicht wieder weg.«

      »Aber warum denn nicht – wir würden einfach abreisen und basta. Kein Mensch könnte uns daran hindern.«

      »Nein, Menschen gewiß nicht, aber –« Mouton senkte die Stimme und fuhr in geheimnisvollem Ton fort, nach seinem Dafürhalten gehe es hier nicht mit rechten Dingen zu. Dieser Hieronymus sei kein Mensch wie wir anderen, sondern ein Gespenst, ein Revenant. Er sähe aus wie ein Gespenst, schnitte sich den Bart wie ein Gespenst – denn welcher Mensch aus Fleisch und Blut käme wohl auf den Gedanken, einen fächerförmigen Bart zu tragen?

      Und seine Art, sich an die Leute heranzumachen, beständig zu organisieren, wo eigentlich gar nichts zu organisieren war, kurz seine ganze Handlungsweise sei durchaus gespenstisch ... Er tue nichts Schlimmes, Gott bewahre, er glaubte eher die anderen zu beglücken, aber es komme immer ein Unheil dabei heraus. Jetzt zum Beispiel mache er eine umständliche Reise nach dem Festland herüber, um ein Krokodil zu kaufen.

      Ein Krokodil? Wir dachten eine stellenlose Gesellschaftsdame ... Nein, ein Krokodil – Mr. Mouton wußte es ganz bestimmt –»aber Gott weiß, was für Spuk er damit treiben wird« – der alte Herr warf einen bekümmerten Blick auf den Ameisenbär, der sich teilnahmslos an einer Palme scheuerte. »Oui, oui, oui, m’ssieurs, mesdames, c’est un revenant.«

      Wir mußten zugeben, daß wir auch schon ähnliches empfunden hatten, ohne uns darüber klar zu sein, aber wir glaubten nicht an Revenants und wir würden abreisen, ehe er mit dem Krokodil – oder der Gesellschaftsdame – zurückkam.

      Mouton lächelte skeptisch. In diesem Augenblick kam der dicke Holländer in den Garten, in Begleitung eines Herren. Er warf uns einen mißtrauischen Blick zu, dann gingen beide um das Haus herum, beklopften die Mauer und sprachen eifrig miteinander.

      »Das ist der Ingenieur«, sagte Mouton, »ah, diese Schurken!«

      Und auf unser Befragen – denn wir interessierten uns allmählich lebhaft dafür – erklärte er uns, das Haus sinke, weil der Boden zu locker sei. Unter der lockeren Schicht aber war Felsen; wenn nun die Mauer soweit sank, daß sie auf den Felsen stieß, mußte sie einknicken und in sich zusammenfallen. – »Ah, diese Schurken!« Der Anblick der beiden Herren regte ihn sichtlich auf, er wurde immer mitteilsamer und erzählte uns seine ganze Leidensgeschichte. Er war hergekommen – wie wir – von Hieronymus empfangen, überwältigt und in das Logierhaus eingeführt worden – wie wir. Er wurde, ehe er sich’s versah, Mitglied des Korrespondenzvereins und für den Flammenbund angeworben – wie wir – hier seufzte er schwer, bemerkte, er sei eben ein einsamer alter Mann und schien etwas zu verschweigen. – Ja und dann hatte er dem dicken Mynheer eine große Summe geliehen, angeblich um die »Schwankende Weltkugel« im Gleichgewicht zu erhalten. Aber sowohl die baulichen Maßnahmen, wie die Rückzahlung seines Kapitals wurden immer wieder hinausgeschoben – so war er hiergeblieben und zahlte keine Pension mehr, um wenigstens etwas auf seine Kosten zu kommen.

      Ebenso oder ähnlich war es der Amerikanerin ergangen – daraus leitete sie auch das Recht her, auf der Treppe zu sitzen und den Betrieb zu stören, wenn es ihr gerade einfiel. Ja, Mynheer wisse es schon so einzurichten, daß seine Gäste blieben – bis ihnen einmal das Dach über dem Kopf einstürzen würde.

      – Und wieder kam er darauf zurück, es gehe hier nicht mit rechten Dingen zu, man würde verhext, und täte Dinge, die einem sonst nicht in den Sinn kommen würden.

      Es gewann den Anschein, als sollte er recht behalten, denn Schwester Hildegard erkrankte an den Blattern, und es lag auf der Hand, daß wir sie nicht allein hier zurücklassen konnten. Das ominöse Plakat hing nun auch über unserer Tür. Mynheer grollte fürchterlich, daß wir sein Haus erst verlassen und dann verseucht hätten. Wir wurden gemieden und miserabel bedient, man brüllte uns alle möglichen Vorwürfe und Beleidigungen durch das Haustelefon zu, und wir suchten sie auf dem gleichen Wege zu entkräften oder zu widerlegen. Wurde das für beide Teile zu ermüdend, so machte sich auch wohl der Widerpart im Garten bemerkbar – wir erschienen am Fenster, und man setzte das anregende Gespräch mit erhobener Stimme und feindseligen Gesten fort.

      Inzwischen kehrte Hieronymus zurück und brachte sowohl das Krokodil als auch die stellenlose Gesellschaftsdame und einige Wüstenspringmäuse mit. Monsieur Mouton teilte uns entrüstet durchs Telefon mit, es habe gleich nach seinem Ameisenbär geschnappt, aber dennoch sei es sympathischer wie die Dame. Sie wohnte vorläufig noch im Hotel, und man richtete das Gartenhäuschen für sie ein, da sie der Ansteckung wegen das Haus nicht betreten wollte.

      Wir lagen den ganzen Tag im Fenster, es war wie ein Guckkasten für uns, immer wieder gab es etwas Neues zu sehen. Wir sahen, wie Mouton sich mit dem Hauswirt zankte oder seinen Ameisenbär promenierte, sahen, wie Hieronymus Edelmann mit fieberhaftem Eifer seine Menagerie und die Unterkunft der stellenlosen Dame organisierte. Für das Krokodil ließ er eine Extrabehausung mit Schwimmbassin bauen, bis die fertig war, wohnte es in einer großen Kiste. Man hatte ihm ein Halsband angelegt, und ein paarmal am Tage führte er es auf den Kieswegen spazieren, entweder, weil er dachte, daß etwas Bewegung an der frischen Luft ihm zuträglich sei oder nur um Mouton zu ärgern, der für seinen Ameisenbär zitterte und ihn jetzt ebenfalls an die Leine gelegt hatte, um ihn zu schützen. Zum Zeitunglesen kam er vor lauter Aufregung überhaupt nicht mehr. Wir sahen, wie er sein gerüsseltes Ungeheuer ängstlich an sich zog, während Hieronymus mit dem seinen herrisch den Weg hinabkam und durch das Monokel jede seiner Bewegungen kontrollierte, denn es schnappte manchmal nach seinen Beinen.

      Auch die Amerikanerin kam öfters herunter und fand das Krokodil »lovely« während sie dem Ameisenbär keinerlei Beachtung schenkte. Sie und Mouton waren geschworene Feinde, wahrscheinlich weil sie sich gegenseitig durch ihre Räusche und ihr spätes Nachhausekommen störten. Und aus dem verdächtigen Flügel links oben schauten des öfteren neugierige Gesichter herab.

      Wir sahen auch, wie die Wüstenspringmäuse in einem großen Käfig angeschleppt wurden und Hieronymus sich bemühte, sie zu einem harmonischen Zusammenleben mit seinen Meerschweinchen zu veranlassen. Das schlug vollständig fehl, die Springmäuse hüpften СКАЧАТЬ