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die Götter Glück und Ruhm beschieden, den Sieg davon zu tragen. Erwäge es mit mir, mein lieber Simmias! wenn unser Vermögen zu empfinden und zu denken kein für sich erschaffenes Wesen, sondern eine Eigenschaft des Zusammengesetzten seyn soll: muß es nicht entweder, wie Harmonie und Ebenmaß, aus einer gewissen Lage und Ordnung der Theile erfolgen, oder, wie die Kraft des Zusammengesetzten, seinen Ursprung in der Wirksamkeit der Bestandtheile haben? – Allerdings, da, wie wir gesehen, kein Drittes sich gedenken läßt. – In Ansehung der Harmonie haben wir gesehen, daß z. B. jeder einzelne Laut nichts Harmonisches hat, und die Uebereinstimmung bloß in Gegeneinanderhaltung und Vergleichung verschiedener Laute bestehe: Nicht? – Richtig! – Eine gleiche Bewandniß hat es mit der Symmetrie und Regelmäßigkeit eines Gebäudes: sie bestehet in der Zusammenfassung und Vergleichung vieler einzelnen unregelmäßigen Theile. Dieses ist nicht zu leugnen. Aber diese Vergleichung und Gegeneinanderhaltung, ist sie wohl etwas anders, als die Wirkung des Denkungsvermögens? und wird sie, außer dem denkenden Wesen, irgendwo in der Natur anzutreffen seyn? – Simmias wußte nicht, was er hierauf antworten sollte. – In der undenkenden Natur, fuhr Sokrates fort, folgen einzelne Laute, einzelne Steine auf und neben einander. Wo ist hier Harmonie, Symmetrie, oder Regelmäßigkeit? Wenn kein denkendes Wesen hinkömmt, das die mannigfaltigen Theile zusammennimmt, gegeneinander hält, und in dieser Vergleichung eine Uebereinstimmung wahrnimmt, so weiß ich sie nirgend zu finden; oder weißt du, mein lieber Simmias! in der seelenlosen Natur ihre Spur aufzusuchen? – Ich muß mein Unvermögen bekennen, war seine Antwort, ob ich gleich merke, wohin dieses abzielet. – Eine glückliche Vorbedeutung! rief Sokrates, wenn den Gegner selbst seine Niederlage ahndet. Antworte mir indessen unverdrossen, mein Freund! denn du hast keinen geringen Theil an dem Siege, den wir über dich selbst zu erhalten hoffen: Kann der Ursprung einer Sache aus ihren eignen Wirkungen erkläret werden? – Auf keinerley Weise. – Ordnung, Ebenmaß, Harmonie, Regelmäßigkeit, überhaupt alle Verhältnisse, die ein Zusammennehmen und Gegeneinanderhalten des Mannigfaltigen erfodern, sind Wirkungen des Denkungsvermögens. Ohne Hinzuthun des denkenden Wesens, ohne Vergleichung und Gegeneinanderhaltung der mannigfaltigen Theile ist das regelmäßigste Gebäude ein bloßer Sandhaufen, und die Stimme der Nachtigall nicht harmonischer, als das Aechzen der Nachteule. Ja ohne diese Wirkung giebt es in der Natur kein Ganzes, das aus vielen außer einander seyenden Theilen bestehet; denn diese Theile haben ein jedes sein eignes Daseyn, und sie müssen gegen einander gehalten, verglichen, und in Verbindung betrachtet werden, wenn sie ein Ganzes ausmachen sollen. Das denkende Vermögen, und dieses allein in der ganzen Natur, ist fähig, durch eine innerliche Thätigkeit Vergleichungen, Verbindungen und Gegeneinanderhaltungen wirklich zu machen: daher der Ursprung alles Zusammengesetzten, der Zahlen, Größen, Symmetrie, Harmonie u. s. w. in so weit sie ein Vergleichen und Gegeneinanderhalten erfordern, einzig und allein in dem denkenden Vermögen zu suchen seyn muß. Und da dieses zugegeben wird, so kann ja dieses Denkungsvermögen selbst, diese Ursache aller Vergleichung und Gegeneinanderhaltung, unmöglich aus diesen ihren eigenen Verrichtungen entspringen, unmöglich in einem Verhältniß, Harmonie, Symmetrie, unmöglich in einem Ganzen bestehen, das aus außereinander seyenden Theilen zusammengesetzt ist: denn alle diese Dinge setzen die Wirkungen und Verrichtungen des denkenden Wesens voraus, und können nicht anders, als durch dieselben, wirklich werden. – Dieses ist sehr deutlich, versetzte Simmias. – Da ein jedes Ganzes, das aus Theilen, die außer einander sind, bestehet, ein Zusammennehmen und Vergleichen dieser Theile zum voraussetzet, dieses Zusammennehmen und Vergleichen aber die Verrichtung eines Vorstellungsvermögens seyn muß: so kann ich den Ursprung dieses Vorstellungsvermögens selbst nicht in ein Ganzes setzen, das ans solchen auseinanderseyenden Theilen bestehet, ohne eine Sache durch ihre eigenen Vernichtungen entstehen zu lassen. Und eine solche Ungereimtheit haben die Fabeldichter selbst, so viel ich weiß, noch niemals gewagt. Niemand hat noch den Ursprung einer Flöte in das Zusammenstimmen ihrer Töne, oder den Ursprung des Sonnenlichts in den Regenbogen gesetzt. – Wie ich vermerke, mein lieber Sokrates! ist nunmehro auch der Ueberrest unsers Zweifels dahin. – Er verdienet indessen besonders erwogen zu werden, erwiederte jener, wenn ich anders durch diese dornigten Untersuchungen eure Geduld nicht ermüde. Wage es immer, Freund! rief ihm Kriton zu, auch die Geduld dieser auf die Probe zu setzen. Du hast der meinigen wenigstens nicht geschonet, als ich heute früh auf die Ausführung eines Vorschlages drang – – Nichts von einer Sache, fiel ihm Sokrates in das Wort, die nunmehr ihre zuverläßige Richtigkeit hat. Wir haben hier Dinge zu untersuchen, die noch dem Zweifel unterworfen zu seyn scheinen. Zwar dieses nicht mehr, daß unser Vermögen zu empfinden und zu denken in der Lage, Bildung, Ordnung und Harmonie der körperlichen Bestandtheile zu suchen seyn sollte: dieses haben wir, ohne weder der Allmacht noch der Weisheit Gottes zu nahe zu treten, als unmöglich verworfen. Aber vielleicht ist dieses denkende Vermögen, eine von den Thätigkeiten des Zusammengesetzten, die von der Lage und Bildung der Theile wesentlich unterschieden, und dennoch nirgend anders, als im Zusammengesetzten, anzutreffen sind? Ist dieses nicht der einzige Ueberrest des Zweifels, den wir bestreiten? mein werther Simmias! – Richtig! – Wir wollen also diesen Fall setzen, fuhr Sokrates fort, und annehmen, unsere Seele sey eine Wirksamkeit des Zusammengesetzten. Wir haben gefunden, daß alle Wirksamkeiten des Zusammengesetzten aus den Kräften der Bestandtheile fließen müssen: werden also nach unserer Voraussetzung, die Bestandtheile unsers Körpers nicht Kräfte haben müssen, aus denen im Zusammengesetzten das Vermögen zu denken resultiret? – Allerdings! – Aber die Kräfte dieser Bestandtheile, von welcher Natur und Beschaffenheit wollen wir sie annehmen? sollen sie der denkenden Thätigkeit ähnlich oder unähnlich seyn? – Diese Frage begreife ich nicht recht, war Simmias Antwort. – Eine einzelne Sylbe, sprach Sokrates, hat mit der ganzen Rede dieses gemein, daß sie vernehmlich ist; aber die ganze Rede hat einen Verstand, die Sylbe keinen: Nicht? – Richtig! – Indem also nur jede Sylbe ein zwar vernehmliches, aber verstandleeres Gefühl erregt, so entspringst aus ihrem Inbegriffe dennoch ein verständiger Sinn, der auf unsere Seele wirkt. Allhier resultiret die Wirksamkeit des Ganzen aus den Kräften der Theile, die ihnen unähnlich sind. – Dieses läßt sich begreifen. – In Ansehung der Harmonie, Ordnung und Schönheit haben wir ein gleiches wahrgenommen. Das Wohlgefallen, das sie in der Seele wirken, entspringet aus den Eindrücken der Bestandtheile, deren jeder weder Wohlgefallen noch Mißfallen erregen kann. – Gut! – Abermals ein Beyspiel, daß die Thätigkeit des Ganzen aus Kräften der Bestandtheile, die ihnen unähnlich sind, entspringen könne. – Ich gebe es zu. – Ich weiß nicht, ob ich nicht vielleicht zu weit gehe, mein Freund! aber ich stelle mir vor, alle Thätigkeiten körperlicher Dinge können aus solchen Kräften des Urstofs entspringen, die ihnen ganz unähnlich sind. Die Farbe z. B. kann vielleicht in solche Eindrücke aufgelöset werden, die nichts gefärbtes haben, und die Bewegung selbst entspringet vielleicht aus ursprünglichen Kräften, die nichts weniger als Bewegung sind. – Dieses würde einen Beweis erfodern, sprach Simmias. – Es ist aber vorjetzt nicht nöthig, daß wir uns hierbey aufhalten, sprach jener, es ist genug, daß ich durch Beyspiele erläutert, was ich unter den Worten verstehe: die Wirksamkeit des Ganzen könne ans Kräften der Bestandtheile, die ihnen unähnlich sind, entspringen. Ist dieses nunmehro deutlich? – Vollkommen! – Nach unsrer Voraussetzung also würden die Kräfte der Bestandtheile entweder selbst Vorstellungskräfte, und also der Kraft des Ganzen, die aus ihnen entspringen soll ähnlich, oder voll einer ganz andern Beschaffenheit, und daher unähnlich seyn. Giebt es ein Drittes? – Unmöglich! – Antworte mir aber auch auf dieses, mein Lieber! Wenn aus einfachen Kräften eine von ihnen verschiedene Kraft im Zusammengesetzten entspringen soll, wo kann diese Verschiedenheit anzutreffen seyn? Außer dem denkenden Wesen sind die Kräfte des Ganzen nichts anders, als die einzelnen Kräfte der einfachen Bestandtheile, wie sie sich durch Wirkungen und Gegenwirkungen einander abändern, und einschränken. Von dieser Seite findet also die Unähnlichkeit nicht statt, und wir müssen abermals unsere Zuflucht zu dem denkenden Wesen nehmen, das die Kräfte in Verbindung und zusammengenommen sich anders vorstellet, als sie dieselben einzeln und ohne Verbindung denken würde. Ein Beyspiel hievon siehet man, außer der Harmonie, auch an den Farben. Bringet zwo verschiedene Farben in einen so kleinen Raum zusammen, daß sie das Auge nicht unterscheiden kann: so werden sie in der Natur noch immer getrennet, und isolirt bleiben; aber unsere Empfindung wird sich gleichwohl aus derselben eine Dritte zusammensetzen,
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