Название: Nach mir komm ich
Автор: Will Berthold
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788711726983
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Niemand sieht dem Ermittler an, daß er vor Ort herumschnüffelt. Raguses Nachbarn, mit denen er ins Gespräch kommt, merken nicht einmal, daß sie ausgefragt werden. Der Mann, der so viele Schlagzeilen machte, lebt hier zurückgezogen, weitgehend unbeachtet in einem großen Wohnhaus, auf dessen Tür ein Schild die Kanzlei des Rechtsanwalts Dr. Walter Endrichs anzeigt. Nur wenige wissen, daß der Ziegenbart der umstrittene Skandalpublizist ist. Man hält Raguse in seiner Umgebung für einen typischen Schwabinger, der nur dadurch auffällt, daß er viel auf Reisen ist. Sein Privatleben wird seinem Verfolger so farblos geschildert, als führte er keines. Gelegentlich sieht man Raguse im lebhaften Gespräch mit Kumpanen in Schwabinger Kneipen, Keine Streitereien, keine Alkoholexzesse, keine Mädchen-Affären.
Der Mann scheint so auf seine manischen Nachforschungen fixiert, daß er am Leben vorbeigeht. Zu Hausbewohnern ist er höflich. Die Miete zahlt er pünktlich, Besuch bekommt er selten. Als einziger Vorwurf klingt ab und zu bei den Nachbarn durch, daß er gepflegter aussehen könnte.
In einem Reisebüro in der Nähe erfährt Schmeißer, daß der Ausgeforschte seine Tickets meistens hier kauft. Die letzte Reise vor etwa drei Wochen führte ihn nach New York.
Hier gibt es noch viel zu klären, aber das wird Schmeißers Helfern überlassen, die er nach diesem Gespräch hinzuziehen muß. Er hat schon öfter mit einer fähigen Auskunftei zusammengearbeitet, ihr wird er den Auftrag erteilen, den professionellen Entlarver rund um die Uhr zu beschatten.
Der Rechercheur hat seinem Gesicht einen beinahe dümmlichen Ausdruck aufgesetzt. Er wird diese Berufsmaske zumindest so lange tragen, bis er dem Aufgelauerten begegnet.
Wieder wirbelt der Wind Staub auf. Schmeißer reibt sich den Schmutz aus den nassen Augen. Er sieht noch genug, um vor einem Zeitungsstand unvermittelt stehenzubleiben:
Auf einem wie ein Steckbrief aufgemachten Werbeaushang der ›Bild‹-Zeitung prangt das Foto seines Auftraggebers. Darunter steht:
Henry kamossa in bedrängnis?
Es ist das falsche Fahndungsplakatp, pdas die Polizei gestern in Ascona, im Ferienparadies der Millionäre, sichergestellt hat. Der letzte Börsencoup mit den Grams-Aktien scheint dem allgewaltigen Finanz-Jongleur kein Glück zu bringen. Bei mehreren Zeitungen, auch in unserer Redaktion, sind anonyme Briefe eingegangen, in denen schwere Vorwürfe gegen den Wirtschafts-Giganten erhoben werden. Es ist nicht aüszuschließen, daß mit diesen genau aufeinander abgestellten Aktionen, von Neidern und Intimfeinden ein Kesseltreiben gegen den prominenten Aufsteiger eingeleitet wirdp.
Das Pseudo-Fahndungsplakat muß ›Bild‹ schon zugespielt worden sein, bevor es in Ascona angeschlagen wurde. Schmeißer kauft wahllos mehrere Zeitungen und geht weiter. Michael Buddes Befürchtungen über eine konzertierte Schmutzaktion gegen Kamossa scheinen sich zu erfüllen. Vermutlich betreibt ein unbekannter Drahtzieher – womöglich aus der engsten Umgebung – aus dem Hintergrund auf verschiedenen Ebenen und von mehreren Seiten den Rufmord.
Der Rechercheur nimmt nicht an, daß ein Mann wie Raguse an so kindischen und durchsichtigen Aktivitäten teilnimmt – aber der Unbekannte könnte dem Enthüllungsspezialisten bisher unbekanntes Material zugespielt haben, um ihn in seinen Dschungelkrieg einzüspannen.
Viel zu früh begibt sich Schmeißer in das kleine Café. Er weiß, daß der tägliche Gast sich immer am Stammtisch niederläßt. Er nimmt daneben Platz, ordert Kaffee, vertieft sich in die Zeitungen.
Er braucht nicht lange zu warten.
Er erkennt den Eintretenden in der schäbigen Lederjacke schon in der Tür, einen hageren Mann mit eingefallenen Wangen, der aussieht wie ein Magenkranker. Verwilderter Haarwuchs, struppiger Ziegenbart, die ungesunde Gesichtsfarbe des Nachtarbeiters und Kettenrauchers.
Ohne Raguse nach seinem Wunsch zu fragen, serviert ihm die Kellnerin Kaffee, Brötchen, zwei Eier im Glas – für einen Magenkranken hat er einen gesunden Appetit.
Während er zerstreut in seiner Tasse herumrührt, beginnt er mit der Zeitungslektüre.
Schmeißer läßt ihm etwas Zeit, erhebt sich dann und tritt an ihn heran. »Entschuldigen Sie, Herr Raguse«, sagt er und stellt sich mit einem unverständlichen Namen vor. »Dürfte ich Sie für einen Moment stören? Es ist wichtig.«
Der Angesprochene liest seine Zeitung weiter, ohne aufzusehen. »Können Sie mir sagen«, erwidert er dann und weist auf eine Meldung in der ›Süddeutschen Zeitung‹, »was eine neunköpfige Studienkommission des Bayerischen Landtags in Zentralafrika zu suchen hat?«
»Vielleicht wollen sich die Abgeordneten davon überzeugen, daß die Neger schwarz sind.«
Raguse betrachtet zum ersten Mal den untersetzten Störenfried und fordert ihn dann mit einer Handbewegung auf, Platz zu nehmen. »Was wollen Sie von mir?« fragt er und schiebt die Zeitung weg.
»Ich weiß, daß Sie sich wenig aus Geld machen«, beginnt Schmeißer direkt »trotzdem möche ich Ihnen ein veritables Geschäft vorschlagen.«
»Geschäft?« fragt Raguse uninteressiert. »Ich habe Ihren Namen nicht verstanden.«
»Namen sind Schall und Rauch«, versetzt der Privatdetektiv. »Was hätten Sie davon, wenn ich mich Ihnen als Hans-Peter Müller vorstellen würde?«
»Also daher weht der Wind«, antwortet der Ziegenbart. »Sie haben mit dem Kronwein-Verlag zu tun.«
»Ganz im Gegenteil.«
»Dann sind Sie von der Konkurrenz.«
»Richtig. Lassen wir zunächst einmal offen, welchen Verlag ich vertrete. Ich sage einstweilen nur, daß er finanziell durch und durch gesund ist.« Bevor ihn Raguse unterbrechen kann, fährt der Unterhändler fort: »Sie haben der Unternehmensgruppe Kronwein eine Option für eine Biographie übergeben, die morgen abläuft.«
»Woher wissen Sie das?«
»Geben Sie denn gleich einen Informanten preis?« fragt Schmeißer zurück. »Kronwein hat offensichtlich das vereinbarte Stillschweigen gebrochen. Sie können also aussteigen und morgen bei uns einsteigen.«
»Und dabei wieder eine Vereinbarung unterschreiben, die keinen Pfifferling wert ist?«
»Nein. Bestimmt nicht«, versichert der Schnüffler. »Wir würden für eine siebentägige Option statt 10 000 Mark 50 000 verlieren – und das ist auch für uns ziemlich viel Geld.«
»Kennen Sie denn das Manuskript?«
»Keine Zeile«, erwidert der Ermittler. »Aber ich weiß, was es enthält.«
»Das ist wohl auch nicht so schwer zu erraten«, versetzt der Journalist. »Hat Doppelschmidt geplaudert?«
»Der ist dafür zu korrekt.«
»Also, heraus mit der Sprache: Wen vertreten Sie?«
»Den Dreiweg-Verlag«, erwidert der Unterhändler. »Kennen Sie ihn?«
»Ganz guter Name. Aber die Leute sind ziemlich pleite.«
»Das stört Sie doch am wenigstens, Herr Raguse«, entgegnet Schmeißer. »Hinter diesem Verglagshaus steht jetzt eine Finanzgruppe, die es mit Geld СКАЧАТЬ