Название: Der arme Jack
Автор: Фредерик Марриет
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788711447673
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Mein Vater pflegte in die Grogschenken zu gehen, um mit seinen Tischgenossen zu tanzen und zu zechen. Da ihn meine Mutter nicht nach so gemeinen Plätzen begleiten konnte, so ging er allein hin und kam nachts sehr spät oder gar nicht, jedenfalls aber sehr betrunken nach Haus. Auch pflegten die Weiber und guten Freundinnen der übrigen Matrosen ihr Hohnworte nachzurufen, wenn sie ausging, weil sie besser sein wolle, als andere.
Eines Tages, als sie Arm in Arm mit meinem Vater ausging, traf sie unglücklicherweise mit einer von ihren Woolwicher Bekannten zusammen. Dies war der herbste Schlag für sie, da sie sich vorgenommen hatte, nach Woolwich zurückzukehren — eine um so schlimmere Entdeckung, da sie jetzt von ihren alten Freundinnen gemieden, von ihresgleichen aber verunglimpft wurde. Ich kann das Benehmen meiner Mutter nicht verteidigen und muss gestehen, dass sie kein Mitleid verdiente, denn sie hatte diese leidige Stellung durch ihre eigene Thorheit und ihren Stolz herbeigeführt. Die Folge davon war übrigens, dass ihr Temperament noch mehr verbittert wurde, und weil sie an meinem Vater unaufhörlich zu tadeln hatte, so geriet er eines Abends, als er mehr wie gewöhnlich betrunken war, so in Zorn, dass die „Kammer-Jungfer einer gnädigen Frau“ eine tüchtige Ohrfeige erhielt, welche für sie die einzige Kerze auf dem Tische zu einer grossen Illumination machte. Dieser Schlag wurde nie vergessen oder vergeben, obschon mein Vater am andern Tage sehr reuig war und mit Besserungsversprechen um Verzeihung bat.
Um diese Zeit brach die französische Revolution aus und man sah einem Kriege mit Frankreich entgegen. Die Pressbanden wurden ausgeschickt; die Matrosen, welche davon wussten, hielten sich versteckt, bis sie die Stadt verlassen würden. Meine Mutter hatte jedoch ihren Entschluss gefasst; sie suchte einen Offizier auf, der einen Presshaufen kommandierte, gab ihm ihre Adresse, setzte meinem Vater Branntwein vor, bis er zur Betäubung betrunken war, liess die Bande ein, und noch vor Morgen befand sich mein Vater wohlbehalten an Bord des ‚Tender‘, der vor dem Tower lag. Mein Vater entdeckte diese Verräterei von ihrer Seite erst eine Weile nachher, was, wie ich später berichten werde, Anlass zu einer sehr erbaulichen Scene zwischen beiden gab. Am andern Tage erschien meine Mutter an Bord des ‚Tender‘, um meinen Vater zu besuchen, hielt ihr Nesseltaschentuch an die Augen, presste seine Hand zwischen dem eisernen Gitter und beklagte bitterlich ihr gemeinsames, hartes Los; als er sie aber bat, sie solle ihm in einer Blase ein wenig Branntwein zuschmuggeln, damit er sich einigen Trost verschaffen könne, warf sie ihren Kopf zurück und erklärte, „nichts könne sie veranlassen, etwas so Unschickliches zu thun.“ Mein Vater wandte sich darauf ab und beklagte den Tag, an dem er die Kammerjungfer einer gnädigen Frau geheiratet hatte.
Ein paar Tage nachher brachte ihm meine Mutter seine Kleider und zwei Pfund von seinem eigenen Gelde. Da ein Krieg in Aussicht stand, suchte sie ihn zu bereden, dass er sie bevollmächtige, sein Prisengeld einzuziehen; mein Vater war aber in dieser Beziehung klüger geworden und weigerte sich aufs entschiedenste. Er wandte ihr den Rücken zu und sie trennten sich.
Ich werde vorderhand meinen Vater seinem Glückssterne folgen lassen und mich mit dem meiner Mutter abgeben. Aus seiner Weigerung, die von ihr vorbereitet mitgebrachte Urkunde zu unterzeichnen, den Schluss ziehend, dass sie von meinem Vater in Zukunft nur wenig zu erwarten habe, und wahrscheinlich auch die Gefahr ins Auge fassend, welcher ein Seemann „durch Schlacht, Feuer und Schiffbruch“ ausgesetzt ist, nahm sie sich vor, ihre Hilfsmittel besser zu Rate zu halten und zu versuchen, ob sie nichts für sich selbst thun könne. Anfangs dachte sie daran, wieder in einen Dienst zu gehen und mich in Kost zu geben, aber sie entdeckte, dass meines Vaters Rückkehr nicht ohne Folgen geblieben und sie abermals im Begriffe war, Mutter zu werden. Sie mietete sich daher eine Wohnung in Fishers-Alley, einer kleinen, noch jetzt bestehenden Strasse in Greenwich, und gebar im Laufe der Zeit eine Tochter, welche sie Virginia nannte — nicht so sehr aus Achtung gegen ihre frühere Gebieterin, welche den gleichen Namen getragen hatte, sondern weil ihr diese Benennung besonders klangvoll und ladyartig vorkam.
Viertes Kapitel.
In welchem der Leser alles erfährt, was mir über meine erste Jugend im Gedächtnis geblieben ist. — Die Wahrheit des alten Sprichwortes bewiesen, „dass es ein kluges Kind sein muss, das seinen Vater kennt“.
Der Leser muss nicht erwarten, dass ich ihm viel von dem erzähle, was während der ersten vier Jahre meines Daseins vorging. Ich entsinne mich, dass eine Diele vor die Thür unseres Hauses, welche nach Fisher’s-Alley hinausging, gelegt wurde, um mich und später meine Schwester zu hindern, auf die Gasse hinauszukriechen. Fisher’s-Alley ist eine so enge Strasse, dass man die Nachbarn auf der entgegengesetzten Seite in ihrem Zimmer sprechen hören kann; ich pflegte mich gewöhnlich auf das Bett zu stützen, um zu lauschen, wenn die betrunkenen Männer und die angeheiterten Weiber mit einander zankten oder sich balgten. Meine Mutter, welche sparen wollte, hatte das ganze Haus gemietet und es möbliert. Ich hörte sie daher jeden Tag an der Thür sagen: „Herein spaziert, Gentlemen; ich habe ein nettes, reinliches Zimmer und kochend heisses Wasser“ — denn die Matrosen pflegten einzusprechen, um bei ihr Thee nebst anderm Getränk zu sich zu nehmen und zu rauchen. Ein Gleiches war auch hin und wieder bei den alten Pensionären der Fall, von denen meine Mutter mehrere hatte kennen gelernt. Ich war stets zerlumpt und schmutzig, denn meine Mutter vernachlässigte und misshandelte mich. Nach der Geburt meiner Schwester trug sie alle ihre Liebe auf Virginia über, die ein sehr schönes Kind war und stets gehätschelt und gut gekleidet wurde.
Von alle dem weiss ich nur wenig mehr, als dass mich meine Mutter mehrere Mal prügelte, weil ich meine Schwester „Jenny“ nannte. Ich folgte hierin nur dem Beispiele anderer, die ein Gleiches thaten; wenn aber meine Mutter dies hörte, so wurde sie stets sehr zornig und sagte ihnen, ihr Kind habe keinen so gemeinen Namen. Die Leute pflegten dann zu lachen und riefen nun absichtlich Virginia mit Jenny an, so oft sie vorbeikamen oder das Kind an der Thür sahen. Nachdem ich mein viertes Lebensjahr zurückgelegt hatte, begann ich über die Diele wegzuklettern, da es mir im Hause gar nicht mehr gefiel. Als ich älter wurde, pflegte ich nach den Quaitreppen am Ufer zu gehen — wo jetzt das neue Wirtshaus, der „Trafalgar“, steht — auf die Ebbe zu achten und alles, was ich finden konnte, zum Beispiel Holz- und Taustücke, aufzulesen. Auch wunderte ich mich über die Schiffe, die im Strome lagen, und über die Fahrzeuge, welche auf- und niedersegelten. Bisweilen blieb ich lange aus, um den Mond und die Lichter an Bord der vorbeifahrenden Schiffe zu betrachten; dann schlug ich wohl auch meine Augen zu den Sternen auf und sagte den Vers vor mich hin, den meine Mutter die kleine Virginia gelehrt hatte —
„Hübscher, kleiner Funkelstern,
Warum bist so fern, so fern
Über unserm Erdgetümmel,
Wie ein Diamant am Himmel?
Bei derartigen Nachtwandelpartieen durfte ich wohl darauf zählen, nichts als etwa eine tüchtige Prügelsuppe zum Abendessen zu erhalten, worüber dann Virginia aufwachte und zu weinen begann, weil meine Mutter mich schlug; denn wir liebten einander zärtlich. Die Mutter pflegte jeden Abend meine Schwester auf ihre Kniee zu nehmen und sie ihr Nachtgebet hersagen zu lassen. Mit mir that sie dies nie, weshalb ich auf das achtete, was Virginia hersprach, und dann in eine Ecke ging, um es für mich zu wiederholen. Ich konnte mir gar nicht denken, warum Virginia beten lernen sollte und ich nicht auch.
Wie bereits gesagt, vermietete meine Mutter Wohnungen und hielt ein vorderes Parterrezimmer für Leute, die da ihren Thee trinken und rauchen wollten. Wenn dann die Pensionäre kamen, so pflegte ich meinen Schemel herbeizuholen oder auf ihren Knieen zu sitzen und hörte auf ihre Geschichten, wobei ich mir alle Mühe gab, sie zu verstehen, obschon mir ihre wunderliche Sprache mehr СКАЧАТЬ