Ellingham Academy - Die Botschaft an der Wand. Maureen Johnson
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      »Ich glaube, ein anderer Freund von uns war auch hin und wieder mal hier. David?«

      »Schon lange nicht mehr«, erwiderte Bath. »Früher schon, ja, mit Ellie.«

      »Aber nicht in letzter Zeit?«

      »Nein.« Bath überlegte. »Ist bestimmt schon ein Jahr her.«

      Keine Spur von David also, keine neuen Erkenntnisse über Hayes. Alles, was Stevie erreicht hatte, war, dieses Mädchen zum Weinen zu bringen und spät dran zu sein.

      »Danke, dass du dir Zeit für mich genommen hast.« Stevie stand auf und schüttelte ihr eingeschlafenes Bein aus. »Hat mich wirklich gefreut, dich kennenzulernen.«

      »Gleichfalls«, entgegnete Bath. »Schau doch mal wieder vorbei, bei einer unserer Performances zum Beispiel. Oder wann auch immer, du bist hier jederzeit willkommen.«

      Stevie nickte zum Dank und griff nach ihren Sachen.

      »Tut mir echt leid, was du alles durchmachen musstest«, bemerkte Bath, als Stevie schon an der Treppe war. »Ganz schön übel. Besonders das mit deiner Wand.«

      Stevie blieb wie angewurzelt stehen und drehte sich um.

      »Meiner Wand?«, wiederholte sie.

      »Darauf hat doch jemand eine Botschaft projiziert, oder?«, führte Bath aus. »Echt das Letzte. Ellie war stinksauer deswegen.«

      Hätte Bath gesagt: »Ach, übrigens, ich kann mich in einen Schmetterling verwandeln, guck mal!«, wäre Stevie wohl kaum überraschter gewesen. In der Nacht vor Hayes’ Tod war sie von einem leuchtenden Schriftzug an ihrer Wand geweckt worden, einer Art Rätsel im Stil des Wahrhaftigen Lügners. Das Beben, das jetzt durch ihren Körper lief, war jedoch nur teilweise der Erinnerung an diese seltsame nächtliche Begebenheit zuzuschreiben.

      »Das war nur ein Traum«, antwortete sie und ignorierte dabei ihr Handy, das in ihrer Tasche zu vibrieren angefangen hatte.

      »Ellie schien das anders gesehen zu haben.« Bath lehnte sich zurück, sodass ihr Tanktop den Blick auf ihr Seitendekolleté, garniert mit einem selbstbewussten Busch Achselhaar, freigab. »Sie war tierisch sauer deswegen.«

      »Wusste sie denn, wer das war?«

      »Kam mir zumindest so vor.«

      »Ach …« Stevies Gedanken überschlugen sich. »Ich dachte immer, wenn es überhaupt real war, wäre es am ehesten Ellie selbst gewesen. So als Streich, weißt du?«

      »Ellie?« Bath schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall. Nein. Ellies Kunst war demokratisch«, erklärte sie. »Sie hat nie mit Furcht gearbeitet. Ihre Kunst war eine Einladung und die setzt Einverständnis voraus. Sie wäre niemals ungefragt in deine Privatsphäre eingedrungen, erst recht nicht mit dem Ziel, dich zu erschrecken oder sich über dich lustig zu machen. So war sie einfach nicht.«

      Stevie dachte daran, wie Ellie auf Roota herumgetrötet hatte, ihrem geliebten Saxofon. Nicht dass Stevie direkt einverstanden mit diesem Lärm gewesen wäre, doch aggressiv hatte das Ganze absolut nicht gewirkt. Ungeübt ja, und vielleicht ein bisschen rücksichtslos. Aber alles in allem eher witzig.

      »Stimmt«, räumte Stevie schließlich ein. »So war sie wirklich nicht.«

      »Ist schon ’ne echt krasse Geschichte«, fuhr Bath fort. »Ein bisschen wie beim Gastmahl des Belsazar.«

      »Was?«

      »Na, wegen dieser Schrift an der Wand – wie Belsazars Menetekel im Alten Testament. Glaub mir, wenn man so heißt wie ich, interessiert man sich zwangsläufig für Bibelgeschichten. Und in der von Belsazar erscheint bei einem Fest auf einmal eine geheimnisvolle Schrift an der Wand, die keiner lesen kann.«

      Stevies Bibelkenntnisse waren nicht gerade berauschend. Als Kind war sie zwar hin und wieder in der Sonntagsschule gewesen, aber da hatten sie nur Bilder von Jesus ausgemalt und zur Klavierbegleitung der Lehrerin Kirchenlieder gesungen. Ansonsten war ihr aus der Zeit hauptsächlich ein Junge namens Nick Philby im Gedächtnis geblieben, der sich ständig Gras in den Mund gestopft und sie dann mit riesigen grünen Zähnen angegrinst hatte. So viel zu ihrer religiösen Bildung. Aber diese Geschichte mit der Schrift an der Wand kam ihr tatsächlich vage bekannt vor.

      »Rembrandt hat das Motiv in einem Gemälde verarbeitet«, erklärte Bath weiter, während sie etwas in ihren Laptop eintippte und ihn dann zu Stevie umdrehte.

      Das Bild, das sie aufgerufen hatte, zeigte einen Mann, der offenbar gerade von seinem Platz an der Festtafel aufgesprungen war und entsetzt hinter sich blickte. Dort griff eine Hand aus einer Nebelwolke heraus und zeichnete leuchtende hebräische Buchstaben an die Wand.

      »Das Menetekel. Die Botschaft an der Wand«, sagte Bath.

      Stevies Handy vibrierte erneut. Sie drückte ihre Einkaufstüte wie einen Schalldämpfer darauf.

      »Aber sie hat dir nicht gesagt, wer es war?«, fragte sie.

      »Nein. Nur, dass sie es total daneben fand, wie irgendwer versucht hat, dir Angst zu machen.«

      Brrrrrr.

      Also war es wirklich passiert. Jemand hatte eine Nachricht an ihre Wand projiziert. Und wenn es nicht Ellie gewesen war, wer dann? Etwa Hayes? Diese faule Socke, die nichts selbst erledigte? Wer hätte denn überhaupt genug Interesse an ihr gehabt, um zu solchen Maßnahmen zu greifen?

      Höchstens David. David war so was zuzutrauen. Und jetzt war er verschwunden.

      Brrrrrr.

      »Ja«, murmelte Bathsheba vor sich hin. »Ellie hat sowieso immer viel von den Wänden geredet.«

      »Den Wänden?«

      Brrrrrr.

      Und wenn das Handy aus ihrer Tasche geklettert und explodiert wäre – es hätte Stevie nicht weniger interessieren können.

      »Sie meinte, in den Wänden an der Ellingham könnte man die krassesten Sachen finden. Geheimverstecke und so. Klang, als hätte sie da einiges entdeckt.«

      Geheimverstecke. Sachen. In den Wänden.

      Da hatte sie ihre Information. In den Wänden waren Sachen. Sie war sich nicht ganz sicher, was das bedeutete oder wonach sie überhaupt suchen sollte. Aber wie es schien, spielten Wände in dieser Geschichte eine wichtige Rolle, ob nun jemand darauf schrieb oder dahinter verschwand.

      Und irgendjemand hatte auch eine Botschaft an ihrer Wand hinterlassen.

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      5

      Es gab Dunkelheit und Dunkelheit. Auf dem Berg herrschte die zweite Sorte.

      Daran hatte Stevie sich erst mal gewöhnen müssen, als der Herbst langsam in den Winter überzugehen begann. In Pittsburgh kam immer von irgendwoher Licht, von Straßenlaternen, Autos, den Fernsehern hinter СКАЧАТЬ