Von Hause. Paul Keller
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Название: Von Hause

Автор: Paul Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9788711517390

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СКАЧАТЬ hatte, war jetzt bitterster Ernst geworden.

      „Du musst mir helfen, Hollmann; ich ermach’s nich alleine.“

      Der Gastwirt erholte sich von seiner Bestürzung; dann versprach er, dem Freunde zu helfen. Jetzt erblickte er auch mich und schnob mich wohl erst zornig an; aber nach einigem Hin und Her erlaubte er mir sogar, mich dem kleinen traurigen Zug anzuschliessen.

      Die Leiche einer jungen Frau und Mutter auf einem kleinen wackeligen Wägelchen, vorn an der Deichsel der leise schluchzende Mann, hinten, den Karren schiebend, Hollmann und ich, so ging es langsam den Bergweg hinauf. Ein müder Nachtwind surrte durch die Bäume, ein feiner Regen rieselte vom Himmel. Was war das für eine traurige Fahrt! Und doch pochte mir das Herz in ungewohnten Schauern, und die Wangen brannten mir viel mehr von der Aufregung als von der Anstrengung.

      Bei einer Wegbiegung blieben die Männer halten und lugten nach der Höhe. Ein Licht brannte dort oben, wohl in dem Häuslein irgend eines Webers oder kleinen Bauern.

      „Die Strasse ist sicher!“ sagte Hollmann; denn das Licht war ein Signal für die Schmuggler, dass kein Grenzer auf dem Wege war, es war wie ein Leuchtturm für die Gefährdeten unten im dunklen Waldmeer.

      Liebich legte sich mit dem ganzen Oberkörper auf den Sarg und fing wieder an zu weinen. Er presste den Kopf an das harte Holz, das sein Liebstes umschloss, er küsste den Sarg, er umklammerte ihn mit den Armen.

      Es dauerte eine geraume Weile, ehe wir wieder weiterfuhren. Den Zollhäusern wichen wir auf einem Nebenwege aus. Als wir aber jenseits der böhmischen Station waren, erlosch plötzlich das Licht am Berge.

      Die Männer blieben stehen und lauschten.

      Wir waren in Gefahr.

      „Vorsicht!“

      Wir hielten an. Liebich schnaufte tief und grimmig auf.

      „Nich amal die Toten lassen se ihres Weges ziehen!“

      Dann legte er den Finger an die Lippen. Das Wägelchen mit dem Sarge stand ganz am Rande der Strasse. Liebich drückte sich an einen Baum, und Hollmann zog mich leise hinter den Sarg. Dort kauerten wir uns nieder.

      Minuten vergingen. Sacht und fein rieselte der Regen. Die Berglehne stieg schwarz gegen den Nachthimmel empor. Mich fror. Da huschte Liebich unhörbar die Strasse entlang auf eine Brücke zu. Ich sah, wie er darunter verschwand.

      „Was macht er?“ fragte ich kaum hörbar.

      „Ruhig!“ brummte der Gastwirt ziemlich laut. „A sucht die Brücke und a Graben ab. Da stecken se meist — und nu nich immerfort reden, sonst —“

      „Halt!“

      Wie aus der Erde herausgeschossen, stand ein Mann vor uns.

      Wenzel Hollmann — der Grenzjäger war es. Er hatte die Flinte unter dem Arm.

      „Halt! — Wer seid Ihr?“

      Er trat näher.

      „Der Hahnenwirt,“ sagte er betroffen. „Was machen Sie hier? Was ist das für ein Sarg?“

      Der Wirt war fürchterlich erschrocken, aber er wollte sich’s nicht merken lassen und sagte in schwerem Missmut:

      „Wenzel. Sie kennen mich! Sie wissen, dass ich der ehrlichste Mann im ganzen Gebirge bin, der noch nie daran gedacht hat, das Allergeringste zu schmuggeln. Also, lassen Se mich in Ruhe und gehen Se Ihres Weges.“

      „Was ist das für ein Sarg?“ wiederholte der Grenzjäger statt aller Antwort seine Frage. Er trat heran und wollte die Decke, die nur das Kopfende des Sarges freiliess, entfernen.

      Da kam ein gurgelnder Laut von der Brücke her.

      „Lass den Sarg stehen! Geh weg vom Sarg, du verfluchter Spürhund!“

      Liebich raste heran.

      „Ich schlag’ dich tot, wenn du den Sarg anrührst!“

      „Was ist mit dem Sarge?“ fragte der Grenzer mit eiskalter Stimme.

      „Das geht dich nichts an!“

      „Was ist in dem Sarge?“

      Der Grenzer hob die Flinte. Da mengte sich der Gastwirt ein.

      „Schiess nicht, Wenzel — Liebichs Frau liegt in dem Sarg — die Franziska —“

      Der Grenzer liess die Flinte sinken.

      „Die Franziska?“ fragte er betroffen. „Ist sie gestorben?“

      „Es geht dich nichts an,“ brummte Liebich.

      Da fing der Grenzjäger jäh an zu lachen.

      „Oho, Brüderlein, es geht mich wohl was an. Es geht mich sehr viel an. Ein neuer Sarg ist auch steuerpflichtige, und ausserdem — deine Frau liegt nicht in dem Sarg!“

      „Nicht in dem Sarg?“ wiederholte der Hahnenwirt verwundert. Auch ich machte grosse Augen.

      „Es ist einer von den ekelhaftesten Schmugglertricks,“ fuhr der Grenzer fort, „einen Sarg zu benutzen, um Waren zu schwärzen. Da hat man keinen Respekt vor Leben und Tod, keinen Respekt vor dem Kreuze, das auf dem Sarg ist. Gotteslästerlich ist das — pfui, Hollmann, Ihnen hätte ich das nicht zugetraut. Alle drei sind meine Arrestanten!“

      Mir wurde übel. Als Zögling einer Königlich Preussischen Lehranstalt hier unter so abenteuerlichen Verhältnissen verhaftet zu werden, musste von den traurigsten Folgen für mich sein. Auch der Hahnenwirt neben mir zitterte.

      „Ich hab’s nicht gewusst,“ sagte er. „Ich hab’ ihm geglaubt —“

      Der Grenzer lachte spöttisch.

      „Reden Sie nicht — Sie kennen doch den Liebich — Sie werden schon gewusst haben, dass in dem Sarg wahrscheinlich was ganz anderes steckt, als eine Leiche.“

      Er trat wieder an den Sarg heran und hob die Decke.

      „Rühr’ den Sarg nicht an,“ brüllte Liebich, „oder ich vergreif’ mich an dir!“

      Die Augen standen ihm heraus.

      „Also marsch zum Amt! Da wird sich ja herausstellen, was in dem Sarg ist. Angefasst und vorwärts marsch!“

      „Bei unserer alten Freundschaft —“ fiel Hollmann in bittendem Tone ein.

      „Damit ist’s aus,“ entgegnete der Grenzer in barschem Tone. „’s ist eine gotteslästerliche Schuftigkeit so was!“

      Ich gab ihm im stillen recht und bereute aufs bitterste, mich in den bösen Handel eingelassen zu haben. Dicke Tränen rollten mir über die Backen, während ich das Wägelchen mit dem Sarge schieben half und der Grenzjäger mit der scharfgeladenen Flinte hinter uns herschritt. Mühsam ging es einen Berg hinauf. Es hatte aufgehört zu regnen, und der späte Mond war klar aus den Wolken getreten. Niemand sprach ein Wort; nur das schwere Ächzen Liebichs war vernehmbar. Das Wägelchen stiess СКАЧАТЬ