Florentiner Novellen. Isolde Kurz
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Название: Florentiner Novellen

Автор: Isolde Kurz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788711445990

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СКАЧАТЬ als einzig vorhandenes Exemplar erstand. Meine Zweifel an der Echtheit des Textes widerlegte der gelehrte Prior und schwur bei seinem wundertätigen Gnadenbild, daß er die Handschrift zurücknehmen und den Kaufschilling dreifach erstatten wolle, wenn die Florentiner gelehrten Herren den Inhalt nicht für echt erkennten. So ward der Kodex mein, ich warf mich zu Pferde, und hier bin ich in so kurzer Zeit, als je ein Reisender den Gotthardpaß überschritten hat. Meine große Eile gestattete mir nicht mehr, das Gutachten deutscher Gelehrter einzuholen, aber ich zähle auf die Einsicht und Billigkeit der florentinischen Akademie, vor allem auf meinen gnädigen, hocherleuchteten Gönner, den Herrn Lorenzo Medici.«

      Marcantonio wischte sich den kalten Schweiß von der Stirne. Er erkannte mit furchtbarer Klarheit, daß sein Ruf, seine Ehre, sein Dasein, alles, alles zusammenbrach, wenn er nicht ebenso rasch und kühn wie verschlagen handelte. Er betrachtete den jungen Mann mit verstohlenen Blicken, die einem Todesurteil gleichkamen, und überlegte im Weiterschreiten, wie er sich am besten seines ahnungslosen Todfeindes entledige. Die Akademie! Lorenzo! Mehr brauchte er nicht zu denken, um jede Gewissensregung im Keim zu ersticken.

      Schnell erwog sein findiger Geist die Möglichkeiten mit ihrem Für und Wider. Daß der Jüngling allein gekommen, war schon ein günstiger Umstand, Herrn Bernardos früher Schlummer bot eine andere sichere Handhabe zu Marcantonios Rettung.

      Es galt vor allem, den Junkherrn aus der Nähe des Wohnhauses zu entfernen, und dann – Zeit gewonnen, alles gewonnen, dachte Marcantonio, indem er den ermüdeten Gast unter einem Rebendach nach dem Olivenwäldchen führte, das sich einen sanften Hügel hinanzog und in den Bezirk des Gutes mit eingeschlossen war. Sie hatten einen hohen Brückenbogen zu überschreiten, der über einen tief eingebetteten, jetzt fast vertrockneten Wildbach weg die beiden Hälften des Gutes verband, deren eine Seite mit dem Wohnhaus und dem Garten zu Terrassen geebnet war, während die andere als Olivenhain mit angrenzenden Ackerfeldern und Wiesengrund die ursprüngliche hügelige Gestalt beibehalten hatte. Dort stand auf einem Vorsprung in gleicher Höhe mit der Villa, aber durch den Wildbach auf die Entfernung eines Steinwurfes von derselben getrennt, ein ehemaliges Bauernhäuschen, das einmal bei Gelegenheit eines ländlichen Festes von Marcantonio mit einem hölzernen Anbau versehen worden war und jetzt zuweilen bei Überfüllung des Wohnhauses einem überzähligen Gast als Nachtherberge diente. Deshalb war in dem einzigen Zimmer des oberen Stockes immer ein Lager bereit, eine Strohmatte deckte den Boden, eine andere bildete den Fenstervorhang gegen die Sonnenglut. Die unteren Räume waren früher Ställe gewesen und wurden jetzt nebst dem hölzernen Schuppen als offene Heuböden benutzt, soviel sich in der anbrechenden Dunkelheit erkennen ließ.

      In dieses Häuschen, dessen Außenseite ganz von wilden Rosen umwuchert war, führte Marcantonio seinen späten Gast unter vielen Entschuldigungen, daß er ihm für heute kein besseres Quartier anbieten könne.

      Er entzündete ein zierliches Kettenlämpchen auf dem Tisch und öffnete die Türe, die nach der hölzernen Veranda führte, um frischere Luft einzulassen, aber draußen schien es ihm nicht minder schwül als innen. Er wollte dem Fremdling noch ein Mahl aufnötigen, aber dieser lehnte alles ab und bat nur um ein Glas Wasser für seinen immer brennenderen Durst.

      Da ließ es sich Marcantonio nicht nehmen, selbst nach dem Trunk zu gehen. Veit untersuchte währenddessen nach seiner Gewohnheit den neuen Raum, er warf das Schwert zu Boden und trat auf die hölzerne Veranda hinaus, die unter seinem Tritt erbebte und einen Regen zerflatternder Rosenblätter auf ihn niedersandte. Unter seinen Füßen fiel der Abhang felsig und steil wohl zwanzig Schuh tief nach dem Wildbach hinunter, der Marcantonios Anwesen in zwei Teile zerriß. Drüben dunkelte das Wohnhaus in unklaren Umrissen, nur einen kleinen steinernen Balkon, dem seinigen fast gegenüber, konnte er noch mit Deutlichkeit erkennen. Ob wohl hinter dieser Türe die Geliebte schlief? Es freute ihn, diesen Gedanken sich auszumalen und wie sie morgen früh an der steinernen Balustrade lehnen werde. Er warf eine Kußhand hinüber, dann schob er die Strohmatte von dem einzigen Fenster zurück und öffnete auch dieses, um sich zeitig durch die Sonne wecken zu lassen. Hier stand auf einem bemoosten Felsenhang über des Junkers Haupte eine hohe finstere Zypresse wie ein schwarzer Riesenfinger, der ihn warnend fortzuwinken schien.

      Jetzt kam Marcantonio mit einer Kanne Wein und zwei silbernen Bechern zurück. Er schwenkte die Becher mit Malvasier aus, den er auf die Veranda sprengte, und trank dem Junker auf das Glück seiner Ehe zu, aber er selbst nippte nur, während Veit den Wein auf einen Zug hinunterstürzte und, durch den raschen Trunk nur durstiger geworden, noch einen zweiten Becher leeren mußte. Beim Schein der Lampe fiel ihm auf, wie bleich sein Wirt war: er schien jählings gealtert, und seine Brust keuchte. Kein Wunder, denn die Schwüle in dem Gemach war fast erstickend. Veit eilte wieder auf die Veranda hinaus und drückte seinen blonden Krauskopf trunken und liebesselig gegen das kühle Laubgeschlinge.

      Marcantonio folgte ihm und sagte mit einer Anwandlung von Mitleid: »Wie wäre es, Herr Ritter, wenn Ihr mir noch heute den Kodex zeigtet, damit ich Euch gleich morgen mit meinem schwachen Urteil zur Seite stehen kann?«

      »Verzeiht«, war des Junkers unumwundene Antwort, »ich habe geschworen, ihn durch niemand berühren zu lassen, ehe ich ihn in Herrn Bernardos eigene Hände gebe. Des Tages ruht er sicher auf meiner Brust, bei Nacht lege ich ihn unter mein Kopfkissen«, fügte er lachend hinzu.

      Marcantonio Rucellai war ein reinlicher Mann und liebte es nicht, seine Hände mit Blut zu beflecken. Er würde auch gerne des Jünglings Leben geschont haben, hätte er nur eine andere Möglichkeit gesehen, ihn unschädlich zu machen. Er bebte innerlich vor der Tat zurück, ja, er wäre bereit gewesen, das Manuskript mit dem Opfer seines Vermögens zu erkaufen, aber er sah wohl, daß an einen gütlichen Ausweg nicht zu denken war.

      Er schüttelte seinem Gast die Hand.

      »Einen langen, festen Schlaf und süße Träume unter meinem Dach«, wünschte er und entfernte sich, indem er die Türe nach der Treppe angelehnt ließ.

      Veit wurde es plötzlich zu Mut, als ob tausend kleine Flämmchen über seinen Körper huschten. Er riß das Wams auf, zog die Papierrolle heraus, die ihn jetzt belästigte, und warf sie achtlos auf den Tisch. Seine Gedanken verwirrten sich, das Zimmer ging mit ihm im Kreise, und er mußte sich mit wankenden Knien an den Pfosten der Verandatüre klammern. Sonderbar, daß zwei armselige Becher Wein eine so berauschende Wirkung auf ihn übten! Junker Veit war sich doch bewußt, auch beim Glase seinen Mann zu stellen.

      »Aber freilich, dieser Griechenwein, der unter Florentinischer Sonne reift, ist auch ein anderer Held als unser zahmes Neckargewächs«, dachte er. »Ein Glück, daß sie mich nicht so sehen kann.«

      Und erschrocken zog er sich in das Innere des Zimmers zurück, als wäre zu fürchten, daß die Augen der Geliebten ihn noch durch die Dunkelheit in so unwürdigem Zustand erblicken könnten.

      Er tastete sich nach dem Lager, auf das er, angekleidet wie er war, niedersank. Doch nach einiger Zeit hob er mühsam den Kopf, denn es kam ihm vor, als ob die Tür geknarrt habe und die Strohmatte knistere.

      Da erblickte er eine Gestalt, die ihn trotz seiner Müdigkeit zum Lächeln reizte. Lucius Rufus war auf den Zehenspitzen hereingeschlichen, seinen schmächtigen Leib mit dem langen dünnen Hals im Gehen einziehend und wieder ausreckend, wie jene Raupe, die man Spanner nennt. Jetzt stand er vor dem Lager.

      »Was willst du, Lutz?« fragte der Jüngling in schläfrigem Tone.

      »Ah, Herr Ritter, Ihr seid noch nicht in Orpheus’ Armen?« flüsterte der Rote. »Ich kam, um zu sehen, ob Ihr nichts bedürfet.«

      Dabei horchte er mit vorgeneigtem Ohr nach dem Wäldchen hinaus.

      »Nichts, ich danke dir«, sagte Veit mühsam. Die Anstrengung des Sprechens riß ihn ein wenig aus der Betäubung. Er richtete sich auf.

      »Was СКАЧАТЬ