Название: Was als Spiel begann - Ein Norwegen-Krimi
Автор: Unni Lindell
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788726344134
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Sie überlegte einen Moment. »Es geht um meine Ehe«, sagte sie müde. »In letzter Zeit fühle ich mich einfach nicht wohl. Und jetzt auch noch das.« Sie kämpfte mit den Tränen. Am Ende konnte sie sie nicht mehr zurückhalten. Sie steckte die Hand in die Tasche und zog ein Stück Küchenpapier hervor und presste es auf ihre Nase. »Wir waren sozusagen immer zusammen, Pavel, Beate, Siv Ellen und ich.«
»In welcher Weise waren Sie zusammen?«
»Einfach dadurch, dass wir in den Pausen oft zusammen saßen, dass wir uns vor der Vorstellung in einem Café trafen. Oder danach ausgingen. Das ist eigentlich alles. Sie waren gute Kollegen«, fügte sie hinzu, »und Siv Ellen hat offen über ihre Probleme mit Axel gesprochen.«
»Sie hat auch bei der Post gearbeitet, haben Sie auch noch einen Nebenverdienst?«
Jenny Brown schüttelte den Kopf. »Ich bin fest angestellt«, sagte sie. »Und Pavel und Beate sind das auch.«
»Was spielen Sie?«
»Violine. Siv Ellen hat als feste Freie gearbeitet, aber sie war sehr gut. Sie hatte schon als kleines Kind gespielt.«
»Glauben Sie, Sie können uns irgendetwas sagen, das uns weiterhilft?«, fragte Cato Isaksen. »Vielleicht etwas über Pavel Pletanek? Hat er sich in letzter Zeit auffällig verhalten?«
Jenny Brown sah ihn an. Ihr grüner Pullover war an den Bündchen aufgeriffelt. »Ich weiß nichts«, sagte sie.
Nach diesem Besuch saßen die Ermittler einige Zeit in ihrem vor dem Haus abgestellten Auto. »Was hast du für einen Eindruck von ihr?« Cato Isaksen sah seinen Kollegen auf dem Beifahrersitz an.
Roger Høibakk drehte sich zu ihm um. »Gar keinen, eigentlich. Und du?«
Cato Isaksen zuckte mit den Schultern, entdeckte aber im selben Moment Jenny Brown, die die Treppe zur Garage hinuntereilte. »Sieh mal«, sagte er und nickte in ihre Richtung.
Jenny Brown trug einen knallblauen Mantel. Der Mantel stand offen. Sie hob das Kinderfahrrad weg, öffnete die Garagentür und setzte sich in einen apfelgrünen Lupo.
Cato Isaksen drehte den Zündschlüssel um und fuhr rasch durch die kurze Wohnstraße. »Wieso hat sie es plötzlich so eilig, was meinst du?«
»Fahr hier rein«, sagte Roger Høibakk, »und dann folgen wir ihr.«
Cato Isaksen bog in die Auffahrt zu einer weißen Villa ein. Als Jenny Brown vorbeigefahren war, kehrten sie auf die Straße zurück und fuhren hinter dem Lupo her.
Der Großvater hatte Maiken ein Fotoalbum aus der Kindheit der Mutter gegeben. Sie hatte es noch nicht über sich gebracht, es zu öffnen. Sie hatte die Bilder schon oft gesehen. Jetzt wollte sie den kleinen Körper und das niedliche Gesicht der Mutter nicht anschauen. Oder den blauen Flieder, der noch immer im alten Garten des Großvaters wuchs. Der Strauch stand dort und sah aus wie sein eigener Herbst. Die Vorstellung von den Stichwunden im Hals ihrer Mutter hatte sich vor ihren Augen festgesetzt. Dort saß auch der Schmerz und brannte wie Salz. Das Furchtbare würde noch furchtbarer werden, wenn sie es neben die alten Bilder im Album hielt.
Der Großvater war ins Gästezimmer gezogen, dort hatte er schon oft übernachtet. Er war mit einem braunen Koffer voller frisch gebügelter Hemden und sauberer Socken gekommen, als ob er die ganze Zeit reisefertig gewesen wäre, überlegte Maiken. Sie machte für den alten Mann Frühstück. Es war kein Brot mehr da.
Der Großvater saß am Glastisch unter dem scharfen Licht des Kronleuchters. Er aß eine Tütensuppe. Dabei weinte er ein bisschen. Maiken ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie eher für ihn da war als er für sie. Es war schwer, sich vorzustellen, dass die Mutter seine Tochter gewesen war. Dass sie sein Kind gewesen war. Und dass sie jetzt tot war. Fort. Was wurde man, wenn man tot war? Ihr Herz schlug schmerzhaft in ihrer Brust. Alles machte Geräusche, sogar das Wasser war explodiert, als sie den Hahn aufgedreht hatte, und der Kühlschrank machte ein leises Brummgeräusch, wie ein unbekanntes Tier.
Die Nacht war lang und schrecklich gewesen. Das böse Sommerlicht, von dem sie wusste, dass es im Album vorhanden war, störte den Schlaf. Ihr Körpergeruch war stärker geworden, gefährlicher und schärfer. Als sei sie eine andere als die, die sie wirklich war. Sie lag im Bett und konnte nicht schlafen. Dann wurde sie von dem weiß glühenden Sommerlicht geweckt, das gar nicht da war. Sie hatte lebende Bilder von sich selbst gesehen, als habe sie auf den schwarzen Seiten des Albums Platz genommen, nicht das tote Kind, das ihre Mutter gewesen war. Maiken fiel ein, dass sie als kleines Kind niemals bereit gewesen war, sich schlafen zu legen, ehe die Mutter sie nicht davon überzeugt hatte, dass sich unter dem Bett oder im Schrank wirklich keine Ungeheuer verbargen. Sie waren nicht dort. Aber Maiken wusste trotzdem, dass es sie gab. Die sabbernden Ungeheuer mit den scharfen Hauzähnen gab es. Wenn nicht im Schrank, dann auf dem Dachboden oder im Keller. Einmal vor langer Zeit hatte der Großvater ihr mit einem scharfen Messer in ein Stück Holz hübsche Muster geschnitzt. Damals hatte auch die Großmutter noch zu Hause gelebt. Es war so scharf gewesen, dieses Messer, dass es Maiken streng verboten worden war, es anzurühren. Das Messer hing in einer Silberscheide neben der Tür an der Wand. Als sie klein war und im Haus der Großeltern schlafen ging und vor dem offenen Fenster Sommerabend war, hatte Maiken immer an dieses Messer gedacht. Der Vorhang war dicht und blau. Alles war so traurig, wenn man im Sommer schlafen gehen musste, als sei es der letzte Tag der Welt. Als werde niemals irgendein neuer Tag anbrechen.
Vergangenheit und Gegenwart gingen ineinander über. Als es vier Uhr wurde, stand sie auf. Sie schlich sich zur Tür des Großvaters und horchte. Sie hatte an Flucht gedacht. Sie hatte sich angezogen und war nach unten gegangen und hatte die Haustür geöffnet, aber der Hund in Nachbars Garten hatte in der Dunkelheit gebellt, und sie war wieder ins Haus gegangen. Was machte dieser Hund so spät noch draußen? Danach war sie auf den Dachboden gestiegen und hatte sich den Karton mit ihren eigenen winzig kleinen Kinderkleidern gesucht. Aber plötzlich war der Morgen dann doch gekommen. Das Licht sickerte durch die Spalten unten in den Wänden.
Maiken setzte sich neben den Großvater. Das Telefon klingelte. Zusammen saßen sie am Glastisch und warteten darauf, dass das Klingeln ein Ende nahm.
Der Großvater sagte, es gefalle ihm nicht, dass sie den Keller vermietet hatten. Er hatte Jeanette nur kurz begrüßt, als sie nach dem Besuch der Polizei am Samstagabend nach oben gekommen war. Er hatte sie fast nicht angesehen. Danach sagte er, Maiken dürfe ihrem Vater nicht so böse sein. Warum war er so? Hielt er vielleicht doch zum Vater? Gab es etwas, das Maiken nicht wusste?
Sie hörte, dass die Autos draußen auf der Straße vorbeifuhren, als sei nichts geschehen.
Plötzlich war der grüne Lupo verschwunden. Das Letzte, was sie davon sahen, waren die roten Hecklichter, als er in eine Seitenstraße der Bygdøy allé abbog. Sie fuhren hinterher, aber er war schon nicht mehr zu entdecken.
»Verflixt.« Roger Høibakk schaute zu Cato Isaksen hinüber. »Wie hat sie das geschafft?«
»Sie hat gemerkt, dass wir sie verfolgen. Da bin ich mir ganz sicher.«
»Was machen wir jetzt?«
»Wir fahren nach Vinderen«, sagte Cato Isaksen und fuhr langsam den Kristine Lundvei hoch.
»Pletanek wohnt hier gleich in der Nähe«, sagte Roger Høibakk.
»Wir schauen vorbei und sehen nach, ob er zu Hause ist.« Cato Isaksen sah einige Kinder, die sich am Eingang zum Frognerpark rauften.
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