Der Stechlin. Theodor Fontane
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Название: Der Stechlin

Автор: Theodor Fontane

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788726540147

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СКАЧАТЬ ,schi‘. Bildungsprätensionen sind mir fremd, aber man will sich doch auch nicht blossstellen.“

      Eine Treppe führte bis in den ersten Stock hinauf, eigentlich war es nur eine Stiege. Die Domina, nachdem sie die Herren bis an die unterste Stufe begleitet hatte, verabschiedete sich hier auf eine Weile. „Du wirst so gut sein, Woldemar, alles in deine Hand zu nehmen. Führe die Herren hinauf. Ich habe unser bescheidenes Klostermahl auf fünf Uhr angeordnet; also noch eine gute halbe Stunde. Bis dahin, meine Herren.“

      Oben war eine grosse Plättkammer zur Fremdenstube hergerichtet worden. Ein Waschtisch mit Finkennäpfchen und Krügen in Kleinformat war aufgestellt worden, was in Erwägung der beinah liliputanischen Raumverhältnisse durchaus passend gewesen wäre, wenn nicht sechs an ebenso vielen Türhaken hängende Riesenhandtücher das Ensemble wieder gestört hätten. Rex, der sich — ihn drückten die Stiefel — auf kurze zehn Minuten nach einer kleinen Erleichterung sehnte, bediente sich eines eisernen Stiefelknechts, während Czako sein Gesicht in einer der kleinen Waschschüsseln begrub und beim Abreiben das feste Gewebe der Handtücher lobte.

      „Sicherlich Eigengespinst. Überhaupt, Stechlin, das muss wahr sein, Ihre Tante hat so was; man merkt doch, dass sie das Regiment führt. Und wohl schon seit lange. Wenn ich recht gehört, ist sie älter als Ihr Papa.“

      „Oh, viel; beinahe um zehn Jahre. Sie wird sechsundsiebzig.“

      „Ein respektables Alter. Und ich muss sagen, wohlkonserviert.“

      „Ja, man kann es beinahe sagen. Das ist eben der Vorzug solcher, die man schlank‘ nennt. Beiläufig ein Euphemismus. Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren, und die Zeit natürlich auch; sie kann nichts nehmen, wo sie nichts mehr findet. Aber ich denke — Rex tut mir übrigens leid, weil er wieder in seine Stiefel muss —, wir begeben uns jetzt nach unten und machen uns möglichst liebenswürdig bei der Tante. Sie wird uns wohl schon erwarten, um uns ihren Liebling vorzustellen.“

      „Wer ist das?“

      „Nun, das wechselt. Aber da es bloss vier sein können, so kommt jeder bald wieder an die Reihe. Während ich das letztemal hier war, war es ein Fräulein von Schmargendorf. Und es ist leicht möglich, dass sie jetzt gerade wieder dran ist.“

      „Eine nette Dame?“

      „O ja. Ein Pummel.“

      Und wie vorgeschlagen, nach kurzem „sichadjustieren“ in der improvisierten Fremdenstube, kehrten alle drei Herren in Tante Adelheids Salon zurück, der niedrig und verblakt und etwas altmodisch war. Die Möbel, lauter Erbschaftsstücke, wirkten in dem niedrigen Raume beinah grotesk, und die schwere Tischdecke, mit einer mächtigen, ziemlich modernen Astrallampe darauf, passte schlecht zu dem Zeisigbauer am Fenster und noch schlechter zu dem über einem kleinen Klavier hängenden Schlachtenbilde: „König Wilhelm auf der Höhe von Lipa“. Trotzdem hatte dies stillose Durcheinander etwas Anheimelndes. In dem primitiven Kamin — nur eine Steinplatte mit Rauchfang — war ein Holzfeuer angezündet; beide Fenster standen auf, waren aber durch schwere Gardinen so gut wie wieder geschlossen, und aus dem etwas schief über dem Sofa hängenden Quadratspiegel wuchsen drei Pfauenfedern heraus.

      Tante Adelheid hatte sich in Staat geworfen und ihre Karlsbader Granatbrosche vorgesteckt, die der alte Dubslav wegen der sieben mittelgrossen Steine, die einen grösseren und buckelartig vorspringenden umstanden, die „Sieben-Kurfürsten-Brosche“ nannte. Der hohe, hagere Hals liess die Domina noch grösser und herrischer erscheinen als sie war und rechtfertigte durchaus die brüderliche Malice: „Wickelkinder, wenn sie sie sehen, werden unruhig, und wenn sie zärtlich wird, fangen sie an zu schreien.“ Man sah ihr an, dass sie nur immer vorübergehend in einer höheren Gesellschaftssphäre gelebt hatte, sich trotzdem aber zeitlebens der angeborenen Zugehörigkeit zu ebendiesen Kreisen bewusst gewesen war. Dass man sie zur Domina gemacht hatte, war nur zu billigen. Sie wusste zu rechnen und anzuordnen und war nicht bloss von sehr gutem, natürlichem Verstand, sondern unter Umständen auch voller Interesse für ganz bestimmte Personen und Dinge. Was aber, trotz solcher Vorzüge, den Verkehr mit ihr so schwer machte, das war die tiefe Prosa ihrer Natur, das märkisch Enge, das Misstrauen gegen alles, was die Welt der Schönheit oder gar der Freiheit auch nur streifte.

      Sie erhob sich, als die drei Herren eintraten, und war gegen Rex und Czako aufs nene son verbindlichstem Entgegenkommen. „Ich muss Ihnen noch einmal aussprechen, meine Herren, wie sehr ich bedaure, Sie nur so kurze Zeit unter meinem Dache sehen zu dürfen.“

      „Du vergisst mich, liebe Tante“, sagte Woldemar. „Ich bleibe dir noch eine gute Weile. Mein Zug geht, glaub’ ich, erst um neun. Und bis dahin erzähl’ ich dir eine Welt und — beichte.“

      „Nein, nein, Woldemar, nicht das, nicht das. Erzählen sollst du mir recht, recht viel. Und ich habe sogar Fragen auf dem Herzen. Du weisst wohl schon, welche. Aber nur nicht beichten. Schon das Wort macht mir jedesmal ein Unbehagen. Es hat solch ausgesprochen katholischen Beigeschmack. Unser Rentmeister Fix hat recht, wenn er sagt: Beichte sei nichts, weil immer unaufrichtig, und es habe in Berlin — aber das sei nun freilich schon sehr, sehr lange her — einen Geistlichen gegeben, der habe den Beichtstuhl einen Satansstuhl genannt. Das find’ ich nun offenbar übertrieben und habe mich auch in diesem Sinne zu Fix geäussert. Aber andrerseits freue ich mich doch immer aufrichtig, einem so mutig protestantischen Worte zu begegnen. Mut ist, was uns not tut. Ein fester Protestant, selbst wenn er schroff auftritt, ist mir jedesmal eine Herzstärkung, und ich darf ein gleiches Empfinden auch wohl bei Ihnen, Herr von Rex, voraussetzen?“

      Rex verbeugte sich. Woldemar aber sagte zu Ezako: „Ja, Czako, da sehen Sie’s. Sie sind nicht einmal genannt worden. Eine Domina — verzeih, Tante — bildet eben ein feines Unterscheidungsvermögen aus.“

      Die Tante lächelte gnädig und sagte: „Herr son Czako ist Offizier. Es gibt viele Wohnungen in meines Vaters Hause. Das aber muss ich aussprechen, der Unglaube wächst, und das Katholische wächst auch. Und das Katholische, das ist das Schlimmere. Götzendienst ist schlimmer als Unglaube.“

      „Gehst du darin nicht zu weit, liebe Tante?“

      „Nein, Woldemar. Sieh, der Unglaube, der ein Nichts ist, kann den lieben Gott nicht beleidigen; aber Götzendienst beleidigt ihn. Du sollst keine andern Götter haben neben mir. Da steht es. Und nun gar der Papst in Rom, der ein Obergott sein will und unfehlbar.“

      Czako, während Rex schwieg und nur seine Verbeugung wiederholte, kam auf die verwegene Idee, für Papst und Papsttum eine Lanze brechen zu wollen, entschlug sich dieses Vorhabens aber, als er wahrnahm, dass die alte Dame ihr Dominagesicht aufsetzte. Das war indessen nur eine rasch vorüberziehende Wolke. Dann fuhr Tante Adelheid, das Thema wechselnd, in schnell wiedergewonnener guter Laune fort: „Ich habe die Fenster öffnen lassen. Aber auch jetzt noch, meine Herren, ist es ein wenig stickig. Das macht die niedrige Decke. Darf ich Sie vielleicht auffordern, noch eine Promenade durch unsern Garten zu machen? Unser Klostergarten ist eigentlich das Beste, was wir hier haben. Nur der unsers Rentmeisters ist noch gepflegter und grösser und liegt auch am See. Rentmeister Fix, der hier alles zusammenhält, ist uns, wie in wirtschaftlichen Dingen, so auch namentlich in seinen Gartenanlagen ein Vorbild; überhaupt ein charaktervoller Mann und dabei treu mie Gold, trotzdem sein Gehalt unbedeutend ist und seine Nebeneinnahmen ganz unsicher in der Luft schweben. Ich hatte Fix denn auch bitten lassen, mit uns bei Tisch zu sein; er versteht so gut zu plaudern, gut und leicht, ja beinahe freimütig und doch immer durchaus diskret. Aber er ist dienstlich verhindert. Die Herren müssen sich also mit mir begnügen und mit einer unsrer Konventualinnen, einem mir lieben Fräulein, das immer munter und ausgelassen, aber doch zugleich bekenntnisstreng ist, ganz von jener schönen Heiterkeit, die man bloss bei denen findet, deren Glaube feste Wurzeln getrieben hat. Ein gut Gewissen ist das beste Ruhekissen. Damit hängt es wohl zusammen.“

      Reg, СКАЧАТЬ