Название: Das Geheimnis der Fischerin vom Bodensee
Автор: Erich Schütz
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783839267066
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Im Gegensatz zu Doktor Simon sprüht Ellegast vor Zuversicht. Wobei gerade im Sommer, bei erhöhten Wassertemperaturen und Sauerstoffmangel, auch die Forellenzüchter im Schwarzwald das Problem der Furunkulose kennen. Die Veränderungen auf der Fischhaut werden dem erhöhten Stress der Tiere in zu warnem Wasser zugeschrieben. Letztendlich ist es eine bakterielle Infektionskrankheit, die sich im Fischschwarm bei enger Haltung durch Kot und Urin infizierter Fische verbreitet.
»Stellen Sie sich nicht so an, Herr Doktor«, schmunzelt Martin Ellegast, »noch nie ein Furunkel am Arsch gehabt?« Er nimmt den toten Fisch und seine Innereien und wirft alles zusammen in einen Plastikeimer neben dem Seziertisch. »Wir werden uns die Mühe machen müssen und jedes Fischchen liebevoll mit einer kleinen Spritze stärken.«
»Ich werde eine bakteriologische Diagnose erstellen, nach der wir ein wirksames Antibiotikum zusammenbauen«, gibt sich Doktor Simon geschlagen und spritzt mit einem Wasserschlauch das Blut des toten Felchen von der Tischwanne. Über ein leichtes Gefälle verschwinden die letzten Spuren der verletzten Innereien im Abfluss.
Martin Ellegast hatte schon in seinem Betriebswirtschaftsstudium erkannt, dass günstige Angebote immer der Erfolg rationeller Produktion sind. Auto, Fernsehen oder Handy eroberten nur als Massenprodukt den Markt. Dies gilt für ihn auch für Lebensmittel. Fleisch und Fisch liebten die Menschen schon immer, aber nicht immer konnten sie sich die Edelprodukte leisten. Natürlich erkannte auch er die Werbewirksamkeit der Auszeichnung »Wildfisch geangelt«. Doch Insider können darüber nur lachen. Was müsste ein Fisch kosten, wenn ein Angler früh am Morgen auf dem See seine Rute auswirft und am Mittag mit nur einem oder auch zwei Felchen nach Hause kommt. Der Schlüssel zum Erfolg heißt Arbeitsteilung und in seiner Branche Massenaufzucht und Fließbandschlachtung. In seinem Gehege zählt nicht der einzelne Fisch, sondern die Tonnen an Felchen, die er täglich am Fließband zerlegt, filetiert und als Convenience an seine Großkunden liefern will.
»Wir müssen unseren Berufsstand schützen!«, ruft Gerdi Ellegast in den Saal des Nebenzimmers im Gasthaus »Grüner Baum« in Moos. »Wir Berufsfischer sterben aus!« Tatsächlich werden es jedes Jahr weniger, mit den jährlich sinkenden Fangquoten sinkt auch die Zahl der Berufsfischer. Jedes Jahr melden sie neue Minusrekorde. Immer mehr Stichlinge und Quagga-Muscheln finden sich in dem ständig wärmer werdenden Seewasser und immer weniger Felchen. Da hängt so mancher Berufsfischer genervt seine Netze an den Nagel.
Deshalb hat der Wirt Hubert Neidhart zusammen mit Gerdi Ellegast alle noch registrierten Berufsbodenseefischer eingeladen. »Es geht um unseren Beruf, unsere Zukunft und auch um iseren See!«, appelliert Gerdi. Fast alle Berufsfischer, auch aus Bayern, Vorarlberg und der Schweiz, sind gekommen. Sie wollen von den Höri-Bauern lernen, wie man ein Lebensmittel mit einem amtlichen Patent schützen kann, wie dies die Höri-Bauern mit ihrer Bülle geschafft haben.
Die Höri-Bülle ist eigentlich nur eine kleine Speisezwiebel, die seit der Urbanisierung durch die Reichenauer Mönche auf der Bodenseehalbinsel Höri angebaut wird. Auf der Reichenau selbst hatten die Mönche keinen Platz für Zwiebeln, da pflanzten sie lieber ihre Reben für Wein.
Heute wäre die alte Zwiebelsorte längst vom Markt verschwunden, hätten nicht ein paar Hörianer sich für die besondere, kleine rote Zwiebel eingesetzt. Dank einigen Gärtnern und Wirten wie Hubert Neidhart heißt die Zwiebel jetzt Höri-Bülle und ist mit ihrer geografischen Herkunftsbezeichnung und -angabe bei der EU registriert und dadurch amtlich geschützt.
»Genauso müssen wir es auch mit unserem Felchen machen«, fordert Gerdi Ellegast, »ein Bodenseefelchen ist ein Blaufelchen, das kreuz und quer, wild und grenzenlos durch den Bodensee schwimmt!«
Hubert Neidhart erklärt, wie man aus dem Bodenseefelchen eine Marke als Wildfisch macht. »Wir müssen schneller als der Ellegast sein«, sagt er, »wenn er die Marke Bodenseefelchen anmeldet, kommen wir mit dem Wildfelchen zu spät.« Dann lacht er und schaut süffisant zu Gerdi: »Du weißt ja, wie schnell der ist, wie schnell hatte er dich an seiner Angel gehabt.«
»So leicht hab’ ich es ihm auch nicht gemacht«, schmunzelt sie. Sein Werben war tatsächlich lange Zeit ein Thema am See. Die Bodenseehymne der »Fischerin vom Bodensee« erinnert noch heute an Ellegasts Bemühungen, die hübsche Gasselerin zu erobern. Ein Liedtexter hatte ihn gar mit einem Hecht verglichen, der gerne von der Maid gefangen genommen worden wäre, bis aber umgekehrt er sie in seinem Netz gefangen hatte.
»Aber nichts ist von Dauer,« zwinkert Gerdi keck Hubert zu, während sie unterm Tisch einen Tritt von einer blonden jungen Frau bekommt, die aussieht, wie aus ihrem Gesicht geschnitten. »Mama«, zischt diese streng, »bitte!«
»Ja, du hast ja recht, das gehört nicht hierher, aber dass jetzt der Streit durch unsere eigene Familie geht«, schaut Gerdi Ellegast bekümmert zu ihrer Tochter Lena, »und dass dein Papa es so weit kommen ließ, das trifft mich eben besonders.«
»Wir schauen jetzt, dass wir einfach möglichst schnell für das Bodensee-Wildfelchen einen Markenschutz bekommen, dann sehen wir weiter«, antwortet Lena trocken und schaut dabei ihrer Mutter prüfend in die Augen. Die beiden können ihr inniges Mutter-Tochter-Verhältnis nicht verbergen.
Lena könnte heute als die Fischerin vom Bodensee in dem damals über ihre Mutter gedrehten Fernsehfilm als Double ihre Rolle übernehmen, niemand würde einen Unterschied sehen. Sicherlich müsste sie über ihren kurzen, schelmischen Haarschnitt eine Perücke mit Zöpfen ziehen. Die blonden Haare und dunklen Augenbrauen hat sie ohne Zweifel von ihrer Mutter geerbt, die sportliche Figur vielleicht von ihrem Papa. Die weichen Züge und freundlichen Augen aber waren nun einmal typisch Mama.
»Meinst du, dann ist der Brand vergessen?«, flüstert diese ihrer Tochter leise ins Ohr.
»Was meinst du?«, stellt die sich unwissend.
»Danke, dass du dichtgehalten hast!«, lächelt Gerdi wissend. »Seit deiner Grundschulzeit verschnörkelst du das große D wie sonst niemand.«
»Ich verstehe nicht.«
»Max kennt dich nicht, und du ihn auch nicht. Aber woher wusstest du, dass er neben Opas Haus wohnt?«, insistiert sie weiter. »Ich kenne deine Schrift, also: Woher wusstest du, wo du sein Auto findest, an dem du deinen Zettel hinterlassen hast?«
»Ich habe ihn aus deinem Küchenfenster gesehen, als ich dich das letzte Mal besucht habe, und ein Freund kennt ihn von seinen Auftritten als Musiker.« Ohne Luft zu holen, fügt sie schnell hinzu. »Aber wir waren es nicht!«
»Wer ist wir, und was habt ihr dort gesucht, und wer ist dein Freund?«
Lena kann vor ihrer Mutter sowieso kein Geheimnis lange für sich behalten, also packt sie aus: »Wir wollten ein Graffiti auf die Hauswand sprühen, in diesem Moment sehe ich, wie ein kleines Feuer in einer der Fritteusen in der Küche brennt. So sagt es auch die Feuerwehr, es war keine Brandstiftung! Das Öl soll sich an einer nicht ausgeschalteten Heizung entzündet haben, und du weißt, wie groß Papas Fritteusen sind. In der Zeitung stand etwas von über 600 Litern.«
»Ich hoffe, du hast damit wirklich nichts zu tun«, atmet Gerdi Ellegast erleichtert aus, »aber was, bitte, sollte das für ein Graffiti sein, und wer ist verdammt nochmal wir?«
»Njoschi ist ein Künstler, er hätte uns ein Felchen hinter Gitterstäben auf die Hauswand am Eingang gesprüht. Aber als ich das Feuer sah, war mir sofort klar, dass wir verschwinden mussten, dabei kam uns dieser Max in die Quere. Was wollte denn der Sekel da?«
»Morcheln pflücken«, lacht Gerdi Ellegast und schiebt dann ernsthaft nach, »er СКАЧАТЬ