Название: Finsterdorf
Автор: Peter Glanninger
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783839267424
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Doch jetzt würde er hinausgehen und erheben. Der Anlass war ein wenig enttäuschend. Auch wenn er diesen Job nur deshalb bekommen hatte, weil ihn kein anderer haben wollte, war er froh, hier mal rauszukommen – wenn auch nur für ein paar Tage.
Es brauchte mehrere Versuche, bis er die zuständige Kollegin, Revierinspektorin Susanne Steiger, auf der Polizeiinspektion in Gresten telefonisch erreichte. Zunächst zeigte sie sich verwundert, dass das LKA sich wieder für die Angelegenheit der Bernadette Lindner interessierte. Nachdem Radek ihr aber erklärt hatte, warum, konnte sie sich eine bissige Bemerkung zum Zuständigkeitswirrwarr in der Landespolizeidirektion nicht verkneifen. Radek ging nicht näher darauf ein, sondern kam schnell zum eigentlichen Grund seines Anrufs: Er wollte wissen, warum sie der Meinung war, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden des Mädchens und Satanismus gebe.
»Es war nur so eine Vermutung«, antwortete Susanne Steiger, »weil Bernadette immer nur vom Teufel gesprochen hat. Sie wollte mir nicht sagen, wo sie in der Zeit ihrer Abgängigkeit gewesen ist und was sie getan hat. Aber sie machte einen ziemlich verwirrten Eindruck, war verstört und verängstigt und sprach eben ständig vom Teufel.«
»Haben Sie Hinweise gefunden, die auf Satanismus deuten?«
»Welche Hinweise meinen Sie?«
»Symbole, Zeichen, Tätowierungen, so etwas in der Art.«
»Nein … keine Ahnung … Ich weiß nicht, welche Symbole für Satanismus typisch sind.«
Radek verdrehte die Augen. Das hatte er vermutet, sonst hätte sie entweder keine Meldung weitergeschickt oder ihren Verdacht näher begründet. Er versuchte, noch mehr über die näheren Umstände zu erfahren, die die Kollegin in Gresten dazu veranlasst hatten, diesen Satanismusverdacht zu formulieren, aber außer dem bereits Genannten gab es keine Anzeichen. Schließlich teilte er ihr mit, dass er den Auftrag habe, sich die Angelegenheit näher anzusehen, und am Montag nach Gresten komme.
Sie sei im Dienst, antwortete sie.
Vielleicht könne sie es sich so einteilen, dass sie am Montag für ihn verfügbar sei. Dienstlich natürlich, fügte er hinzu, als er die Doppeldeutigkeit seines Verlangens bemerkte.
Sie lachte. Ja, das lasse sich einrichten, antwortete sie, dienstlich natürlich.
Dann beendeten sie das Gespräch. Zumindest hat sie Humor, dachte Radek.
Radek begann zu recherchieren. Auf der Homepage des Landeskriminalamts gab es eine 15 Jahre alte Broschüre zum Thema Satanismus. Das war alles, sonst nichts.
Aber er fand den Verfasser der Broschüre im internen Telefonbuch, ein Kollege vom Landesamt für Verfassungsschutz.
Radek rief ihn an und erwischte ihn sofort.
»Ja, früher haben wir uns auch mit Sekten und Satanisten beschäftigt«, erklärte der LV-Mann auf Radeks Frage. »In den letzten Jahren hat das niemanden mehr interessiert. Zu viel Aufwand.« Der Kollege schwieg. Vielleicht wartete er auf weitere Fragen. Doch nachdem Radek keine stellte, er wusste nicht, welche, fuhr er fort: »Außerdem glaube ich, dass es in Österreich keine Satanisten gibt. In diesem Bereich ist in den letzten Jahren nichts Nennenswertes passiert, keine spektakuläre Amtshandlung oder so. Möglicherweise laufen ein paar Jugendliche herum und machen sich einen Spaß daraus, die Erwachsenen mit ein bisschen Hokuspokus zu schockieren. Aber sonst? Eventuell einige Goths, die, statt Party zu machen, Schwarze Messe feiern – oder beides miteinander verbinden. Von einer kriminellen Satanistengruppe habe ich jedoch noch nie gehört. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass wir in den letzten Jahren etwas hereinbekommen hätten. Friedhofsschändungen oder etwas in der Art.« Er dachte einige Augenblicke nach und bekräftigte dann: »Nein, nichts, überhaupt nichts.«
Das hatte Radek bereits vermutet. Auch er konnte sich nicht entsinnen, irgendwann in den letzten Jahren etwas über Satanisten gehört zu haben. Während seiner Gymnasiumzeit ging einige Monate lang das Gerücht herum, dass es in der Nähe von Krems einen Satanistenzirkel gebe, aber das wurde nie bestätigt. Darüber hinaus hatte er von diesem Thema nie wieder etwas gehört.
Nach dem Telefonat begann Radek im Internet zu suchen. Er hatte sehr schnell einige grundsätzliche Informationen zum Thema beisammen, druckte vieles davon aus und legte es in einem Aktenordner ab. Wirklich Brauchbares kam dabei nicht zutage. Und dieses Wenige war noch dazu widersprüchlich. Er fand Meinungen, dass alles übertrieben sei und es keine erwähnenswerten satanistischen Aktivitäten gebe, aber auch Expertenaussagen über extrem gefährliche satanistische Gruppen, die sogar vor sexuellem Missbrauch oder Ritualmorden nicht zurückschreckten. Das meiste bezog sich allerdings auf Deutschland. In Österreich war das letzte relevante satanistische Verbrechen im Jahr 2015 in den Medien aufgetaucht. Außerdem gab es einige Berichte von satanistischen Umtrieben im nördlichen Burgenland drei Jahre zuvor.
Also nicht gerade ein Gegenstand, der jede Woche mit mehreren Anlassfällen glänzte.
Als Nächstes suchte Radek im Netz nach Informationen zu Schandau. Aber auch das war nicht sehr aufschlussreich. Ein stinknormales Nest an der Ybbs im südwestlichsten Zipfel von Niederösterreich. Erreichbar über die B31, die Ybbstalstraße, zwischen Göstling und Hollenstein, wenn man aus Scheibbs anreiste. Die Gemeinde hatte 563 Einwohner. Nicht gerade eine Weltstadt, dachte Radek. Interessant erschien ihm lediglich, dass der Bürgermeister von der Bürgerliste »Die Schandauer« gestellt wurde. Und das mit einer überwältigenden Mehrheit. »Die Schandauer« verfügten über zehn von vierzehn Sitzen im Gemeinderat. Der Rest verteilte sich auf die Sozialistische Union, die Christlich-Konservativen und die Nationale Partei.
Die Gemeinde wurde am Ende des 12. Jahrhunderts gegründet und 1208 das erste Mal urkundlich erwähnt. Das Gebiet gehörte damals zum Lehen der Peilsteiner, einem der mächtigsten Adelshäuser des Landes Salzburg. Die Peilsteiner verfügten auch über Besitzungen in Niederösterreich und Südtirol. Da der Ort im Ybbstal an einem Übergang von Niederösterreich in die Steiermark lag, wurde die Burg Rotenstein erbaut. Als das Geschlecht der Peilsteiner Ende des 14. Jahrhunderts ausstarb, fiel das niederösterreichische Lehen an die Familie der Lenksteins. Die machten Burg Rotenstein zu ihrer Stammburg. Sie befand sich bis zum heutigen Tag durchgehend im Besitz der Familie und war daher auch nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Schandau verlor ab dem 16. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung, als andere Orte an neuen, strategisch wichtigeren Verkehrsverbindungen entstanden. Vom vergangenen mittelalterlichen Glanz zeugten, neben der Burg, die gotische Kirche aus dem 15. Jahrhundert, ein mittelalterlicher Pranger und ein steinerner Metzen, der auf das Jahr 1340 datierte. Neuzeitliche Sehenswürdigkeiten gab es keine. Heute teilte der Ort das Schicksal vieler ländlicher Gemeinden: zum Leben zu klein, zum Sterben zu groß.
Auf der dürftig ausgestatteten Webseite der Gemeinde fand Radek auch einige Fotos vom Ort. Ein idyllischer Flecken, so machte es den Eindruck. Während er an diesem Freitagnachmittag die Fotos betrachtete, reifte in ihm ein schneller Entschluss. Wenn er schon einen Job umgehängt bekam, bei dem nicht viel zu gewinnen war, warum sollte er nicht die Arbeit mit dem Vergnügen verbinden? Die Uni begann erst in zwei Wochen und bis dahin hatte er nichts vor. Weshalb sollte er sich nicht zwei Ferientage gönnen und einen Kurzurlaub in Schandau machen? Ein Buch, Laufschuhe, Wanderschuhe möglicherweise und zwei erholsame Tage am Ende der Welt würden ihm sicher guttun.
Er reservierte telefonisch im Gasthaus »Falk« ein Zimmer. Nun war er mit Gierling und der Situation, die er ihm mit dieser Satanismusgeschichte eingebrockt hatte, wieder versöhnt. Wenn schon keine vernünftige Amtshandlung, dann sollte wenigstens der Erholungswert stimmen, dachte er.
6.
Die СКАЧАТЬ