Название: Mein
Автор: Lilly Grünberg
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783945163696
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»Hörst du mir überhaupt noch zu?«
Shit, ertappt.
»Ähm, also, nimm’s mir nicht übel, aber ich wollte noch unter die Dusche, muss mich noch schminken und weiß auch noch nicht, was ich anziehe.«
Denise lachte. »Sag halt, dass ich dir auf die Nerven gehe und dich aufhalte! Viel Spaß heute Abend!«
Puh, erleichtert legte Maureen auf. Eigentlich war Denise ja doch eine verständnisvolle und liebe Freundin.
Hoffentlich machte sie heute das Richtige. Ein wenig nervös dachte Maureen zurück an vergangene Tage.
Nach Peter hatte es noch einen zweiten Mann in ihrem Leben gegeben. Für kurze Zeit. Severin war ein passabler Liebhaber gewesen, dazu gut aussehend und erfolgreich in seinem Job als angehender Rechtsanwalt. Sie hatten beide auf geistiger Augenhöhe verkehrt, über Politik und Wirtschaft diskutiert, nur in besseren Kreisen verkehrt. Nur leider war Severin nicht treu gewesen, womit Maureen wieder bei der Schlussfolgerung ankam, dass Männer die geborenen Lügner waren. Über Monate war es ihm gelungen, ihr glaubhaft zu erklären, dass er Überstunden machte oder für ein bis zwei Tage auf Dienstreise wäre, bis ein dummer Zufall die Wahrheit ans Licht brachte. Nun erklärte sich auch von alleine, warum er viel zu selten Lust auf Sex hatte.
Als Maureen ihn zur Rede stellte, leugnete er nicht, eine Geliebte zu haben, aber es sei nichts Ernstes, er wolle schon die ganze Zeit über Schluss machen. Morgen, gleich morgen, ganz bestimmt.
Aber da hatte er sich in ihr getäuscht. Maureen gehörte nicht zu den Frauen, die solchen Versprechungen glaubten. Ihr genügte die Enttäuschung, überhaupt betrogen worden zu sein. Nicht mit einem One-Night-Stand, nein, über Wochen, wie ihr sein Online-Kalender verriet, den sie noch in derselben Nacht heimlich durchstöberte. Bisher hatte sie diesen als Severins Privatsphäre betrachtet und war davon ausgegangen, dass der Timer sowieso nur Geschäftstermine enthielt. Aber sie wollte es jetzt genau wissen und stellte fest, das stimmte nicht.
Nach einer durchweinten Nacht verlangte sie von Severin am nächsten Morgen, seine Sachen zu packen und auszuziehen. Es folgte ein unschöner Streit, dann war es vorbei.
Seither lebte sie alleine und manchmal erschien ihr die große Wohnung entsetzlich leer. Wenn sie abends heimkam, stellte sie als erstes das Radio an, um die Stille zu vertreiben. Die Leere in ihrem Bett ließ sich jedoch weder durch einen Vibrator noch durch Masturbation vertreiben. Dies dämpfte nur ihre körperlichen Bedürfnisse, wirklich befriedigt wurden sie davon nicht. Die Berührung von Lippen auf ihrer Haut, das lüsterne Stöhnen des Partners, dies waren Dinge, die sich nicht simulieren ließen.
Es war deshalb sehr lieb, dass ihre Freundinnen sich Sorgen machten und Maureen wieder in einer glücklichen Beziehung sehen wollten, aber würde das funktionieren?
Sich auszuziehen, einander nackt gegenüber zu treten und Sex zu haben war vermutlich nicht so schwer. Aber wie sollte sie ihre Seele wieder einem neuen Partner öffnen, ihn in ihre intimsten Gedanken und Ängste, in ihre Hoffnungen und Träume einbeziehen, mit ihm ihre Zukunft planen?
Sie war kein Angsthase und gewohnt, für sich selbst zu entscheiden und analytisch vorzugehen. Also würde sie genau das auch heute Abend machen.
5
Das war’s dann also. Ein schlechter Tag für die Erfüllung seines Horoskops. Die Unwägbarkeiten des Lebens wie ein ganz gewöhnlicher Stau waren in der Prognose nicht berücksichtigt. Zwar setzte sich die Kolonne gerade wieder in Bewegung, aber seine Zeit war vorbei. Die rötlichen Berge in der Ferne verblassten langsam in der einsetzenden Dämmerung.
Verdammt, warum hatte Maik ihm nicht diesen Gefallen getan, statt sich über ihn lustig zu machen. Linus erinnerte sich gut an ein Dutzend Situationen, in denen er seinem Freund ohne nachzudenken geholfen hatte. Waren best-friends-Beziehungen nicht dafür da, sich gerade in kritischen Momenten zur Seite zu stehen?
Einen tiefen Seufzer von sich gebend streckte Linus sich hinter seinem Lenkrad. Eigentlich müsste er stinksauer auf Maik sein, innerlich toben, wie stur sich dieser stellte. Aber nein, der stille Frust überwog. Zum einen lag es einfach nicht in seiner Mentalität, jemandem böse zu sein. Und zum anderen war ja er selbst derjenige, der die Sache falsch angepackt hatte. Und vielleicht war das Ganze überhaupt eine Schnapsidee gewesen.
Wäre nicht dieses Gesicht, das ihm nicht mehr aus dem Kopf ging. Er musste sie sehen, eher würde er keine Ruhe finden! Aber wie sollte er das anstellen?
Ein lauter Fluch schallte durch den Wagen und er hieb einige Male wütend auf das Lenkrad ein, ehe er sich zusammenriss und sanft das Gaspedal durchdrückte, um in der wieder anrollenden Kolonne mitzuschwimmen.
Ein paar Autolängen vor ihm stand ein weiß-roter Mini mit eingeschalteter Warnblinkanlage auf der Standspur, eine junge Frau in einer dicken Winterjacke wartend dahinter, die Kapuze mit dem flauschigen Pelzkragen tief ins Gesicht gezogen. Der Grund ihrer Panne war aus Linus’ Warte nicht erkennbar, nach einem Unfall sah es eigentlich nicht aus. Aber dass er ihr helfen musste, war glasklar. Nicht nur weil er im Augenblick sowieso nichts Besseres vorhatte und Ablenkung benötigte. Sein Helfersyndrom musste genetisch bedingt sein (sein Vater war Notarzt und seine Mutter Psychotherapeutin) und leitete ihn schon sein ganzes Leben lang.
Sobald Linus sich der Position des liegengebliebenen Wagens genähert hatte, setzte er den Blinker und wechselte auf die rechte Spur, als ihm der nachfolgende Fahrer Platz machte. Vorbei am Mini, reihte er sich vor diesem ein, schnappte sich Schal und Handschuhe, und stieg aus.
Die Fahrerin wirkte sichtlich erleichtert, als sie ihn auf sich zukommen sah. »Sie schickt mir der Himmel«, erklärte sie.
»Das ist bei Engeln so üblich«, erwiderte er augenzwinkernd und sie schenkte ihm ein zustimmendes Lachen. Wie wohl sich diese kleine Geste gerade jetzt anfühlte!
»Ich habe erst vor fünf Minuten angerufen und mich auf eine längere Wartezeit eingestellt. Das ist jetzt purer Zufall, dass Sie der Stau hierher gespült hat, oder?«
»Ja, das kann man so sagen«, entgegnete er und reichte ihr die Hand. »Linus Gruber.«
»Lola Gehrke«, erwiderte sie mit angenehm klingender Stimme und festem Händedruck.
Zweimal LG schoss es Linus kurz durch den Kopf und für einen kurzen Augenblick verspürte er so etwas wie ein schüchternes Kribbeln auf seiner Haut.
»Ich geb’ nur schnell den Kollegen Bescheid, dass ich übernehme, wenn es Ihnen recht ist.«
Sie nickte.
»Wo haben Sie angerufen, Frau Gehrke. Bei den Orangen Engeln?«
»Natürlich«, hauchte sie. »Wo sonst? Wer vertraut denn nicht СКАЧАТЬ