Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Читать онлайн книгу Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant страница 37

Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

Автор: Guy de Maupassant

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962817695

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СКАЧАТЬ fehlt es mir schon nicht, aber die Mit­tel?«

      Sein Freund be­trach­te­te ihn vom Kopf bis zu den Fü­ßen, wie ein prak­ti­scher Mensch, der einen Ge­gen­stand ab­schätzt; dann ver­setz­te er in über­zeug­tem Ton:

      »Sieh mal, mein Jun­ge, hier hängt al­les von dei­nem Auf­tre­ten ab. Ein fin­di­ger Kopf bringt es hier leich­ter bis zum Mi­nis­ter als bis zum Bü­ro­chef. Man muss sich auf­drän­gen und nicht schüch­tern bit­ten. Aber wie, zum Hen­ker, kommt es, dass du nichts Bes­se­res ge­fun­den hast als eine Stel­le bei der Nord­bahn?«

      »Ich habe über­all ge­sucht«, er­wi­der­te Du­roy, »und nichts ge­fun­den. Au­gen­blick­lich habe ich zwar et­was in Aus­sicht, man bie­tet mir eine Stel­le als Stall­meis­ter in der Reit­bahn von Pel­le­rin an. Da be­kom­me ich min­des­tens drei­tau­send Fran­cs.«

      Fo­res­tier blieb plötz­lich ste­hen:

      »Tu das nicht. Das ist dumm, wo du doch zehn­tau­send Fran­cs ver­die­nen könn­test. Du ver­schließt dir mit ei­nem Schla­ge die Zu­kunft. In dei­ner Schreib­stu­be bist du we­nigs­tens ver­steckt, nie­mand kennt dich, und wenn du dich stark ge­nug fühlst, kannst du ei­nes schö­nen Ta­ges auch von dort aus Kar­rie­re ma­chen. Aber wenn du Stall­meis­ter bist, dann ist al­les aus. Du kannst ge­ra­de­so­gut Ober­kell­ner in ei­nem Re­stau­rant wer­den, wo ganz Pa­ris ver­kehrt. Wenn du erst ein­mal Leu­ten der Ge­sell­schaft oder ih­ren Söh­nen Reit­un­ter­richt ge­ge­ben hast, dann könn­ten sie sich nicht mehr dar­an ge­wöh­nen, dich als ih­res­glei­chen zu be­trach­ten.«

      Er schwieg, dach­te ei­ni­ge Se­kun­den nach und frag­te:

      »Hast du das Abi­tu­ri­um ge­macht?«

      »Nein, ich bin zwei­mal durch­ge­fal­len.«

      »Das tut nichts, wenn du dei­ne Stu­di­en nur ei­ni­ger­ma­ßen zu Ende ge­führt hast. Wenn von Ci­ce­ro oder Ti­be­ri­us die Rede ist, dann weißt du un­ge­fähr, wer das ist?«

      »Ja, un­ge­fähr.«

      »Gut, mehr weiß über­haupt nie­mand, mit Aus­nah­me von ei­nem Dut­zend Dumm­köp­fen, die nicht im­stan­de sind, sich selbst zu hel­fen. Je­den­falls ist es nicht schwer, als in­tel­li­gent und ge­bil­det zu gel­ten. Man darf sich nur nicht bei ei­ner of­fen­ba­ren Un­wis­sen­heit er­wi­schen las­sen. Man dreht und wen­det sich, man weicht dem Hin­der­nis aus, um­geht es und be­wäl­tigt das an­de­re mit Hil­fe ei­nes Kon­ver­sa­ti­ons­le­xi­kons. Alle Men­schen sind dumm wie die Gän­se und un­wis­send wie Kar­pfen.«

      Er sprach in ru­hig spöt­ti­schem Tone, wie ei­ner, der die Welt kennt und blick­te da­bei lä­chelnd auf die vor­über­ge­hen­de Men­ge. Plötz­lich aber be­gann er zu hus­ten und blieb ste­hen, bis der An­fall vor­über war. Dann fuhr er in mut­lo­sem Ton fort:

      »Ist es nicht ent­setz­lich, dass ich die­se Bron­chi­tis nicht los wer­de? Und jetzt sind wir mit­ten im Hoch­som­mer. Oh! Im Win­ter geh ich nach Men­ton, um mich aus­zu­ku­rie­ren. Mag kom­men, was will, mei­ne Ge­sund­heit geht mir über al­les.«

      Sie wa­ren jetzt am Bou­le­vard Pois­so­niè­re und stan­den vor ei­ner großen Glas­tür, die von in­nen mit ei­ner Zei­tung be­klebt war. Drei Leu­te wa­ren ste­hen­ge­blie­ben, um das Blatt zu le­sen.

      Über dem Tor stand in großen Buch­sta­ben aus Gas­flam­men der Name der Zei­tung: »La Vie Françai­se« ge­schrie­ben. Und die Passan­ten, die plötz­lich in das grel­le Licht die­ser drei Wor­te tra­ten, wur­den nun auf ein­mal deut­lich sicht­bar wie am hel­lich­ten Tage, um dann so­fort wie­der im Dun­kel zu ver­schwin­den.

      Fo­res­tier öff­ne­te die Tür:

      »Geh rein«, sag­te er.

      Du­roy ging hin­ein, stieg eine pomp­haf­te, schmut­zi­ge Trep­pe hin­auf, die man von der Stra­ße aus ganz über­bli­cken konn­te, ging durch das Vor­zim­mer, in dem zwei Bü­ro­die­ner sei­nen Ge­fähr­ten grüß­ten, bis er in einen War­te­raum ge­lang­te. Die Räu­me wa­ren ver­staubt und ab­ge­nutzt, mit Ta­pe­ten aus schmut­zi­gem, un­ech­tem, grü­nem Samt, die vol­ler Fle­cken und hier und da durch­lö­chert wa­ren, als hät­ten die Mäu­se sie an­ge­knab­bert.

      »Setz dich,« sag­te Fo­res­tier, »ich bin in fünf Mi­nu­ten wie­der da.«

      Und er ver­schwand hin­ter ei­ner der drei Tü­ren, die aus die­sem Zim­mer führ­ten.

      Der selt­sa­me, ei­gen­tüm­li­che, un­be­schreib­li­che Ge­ruch ei­nes Re­dak­ti­ons­bü­ros er­füll­te den Raum. Du­roy blieb un­be­weg­lich, et­was ein­ge­schüch­tert und über­rascht sit­zen.

      Von Zeit zu Zeit lie­fen Leu­te an ihm vor­bei; sie ka­men aus ei­ner Tür und ver­schwan­den durch die an­de­re, noch ehe er Zeit hat­te, sie an­zu­se­hen. Bald wa­ren es jun­ge, sehr jun­ge Leu­te mit ge­schäf­ti­gem Ge­sichts­aus­druck, die in der Hand ein Blatt Pa­pier tru­gen, das bei ih­rem Lau­fen im Win­de flat­ter­te. Manch­mal wa­ren es auch Set­zer, un­ter de­ren von Tin­te be­schmutz­ten Lei­nen­kit­teln man rein­wei­ße Hemd­kra­gen und eine ele­gan­te Tuch­ho­se von mo­der­nem Schnitt sah. Vor­sich­tig tru­gen sie be­druck­te Pa­pier­strei­fen, fri­sche, noch feuch­te Kor­rek­tur­fah­nen. Bis­wei­len trat ein klei­ner Herr mit ei­ner et­was auf­fal­len­den Ele­ganz, mit ei­ner et­was zu en­gen Tail­le, mit Bein­klei­dern, die zu eng an­la­gen, und mit über­mä­ßig spit­zen Schna­bel­schu­hen, ein, ir­gend­ein Re­por­ter, der Neu­ig­kei­ten aus der Le­be­welt brach­te. Auch an­de­re ka­men, erns­te, ge­wich­ti­ge Per­sön­lich­kei­ten. Sie tru­gen Zy­lin­der­hü­te mit ganz fla­chen Rän­dern, als ob sie sich durch die­se Form von der gan­zen üb­ri­gen Mensch­heit un­ter­schei­den woll­ten.

      Fo­res­tier er­schi­en wie­der, Arm in Arm mit ei­nem hoch­ge­wach­se­nen, ma­ge­ren Mann in den drei­ßi­ger Jah­ren. Die­ser war in einen Frack, mit wei­ßer Kra­wat­te, ge­klei­det, hat­te dunkles Haar, einen Schnurr­bart mit scharf­ge­dreh­ten Spit­zen und eine dreis­te, selbst­be­wuss­te Mie­ne. Fo­res­tier sag­te zu ihm:

      »Adieu, ver­ehr­ter Meis­ter!«

      Der an­de­re drück­te ihm die Hand: »Auf Wie­der­se­hen, mein Lie­ber!« und stieg dann, einen Spa­zier­stock un­ter dem Arm, pfei­fend die Trep­pe hin­ab.

      »Wer ist das?« frag­te Du­roy.

      »Jaques Ri­val — du weißt doch? — der be­rühm­te Chro­nist und Duel­lant. Er hat eben sei­ne Kor­rek­tur durch­ge­le­sen. Ga­rin, Mon­tel und er gel­ten au­gen­blick­lich als die geist­volls­ten und wirk­sams­ten Feuil­le­to­nis­ten in ganz Pa­ris. Für zwei Ar­ti­kel, die er wö­chent­lich schreibt, ver­dient er bei uns jähr­lich drei­ßig­tau­send Fran­cs.

      Beim Wei­ter­ge­hen be­geg­ne­ten sie ei­nem klei­nen di­cken Herrn mit lan­gen Haa­ren und un­sau­be­rem Äu­ße­ren, der schwerat­mend die Trep­pe hin­auf­kam.

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