Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Читать онлайн книгу Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant страница 269

Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

Автор: Guy de Maupassant

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962817695

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      »Es ist schlim­mer wie bei den Tie­ren,« ent­geg­ne­te Herr Sau­va­ge.

      »Und zu den­ken, dass das so wei­ter ge­hen wird, so­lan­ge als es Re­gie­run­gen gibt!« rief Herr Mo­ris­sot aus, der ge­ra­de einen Weiß­fisch ge­fan­gen hat­te. »Die Re­pu­blik wür­de den Krieg nicht er­klärt ha­ben …« mein­te Herr Sau­va­ge.

      »Bei den Kö­ni­gen,« un­ter­brach ihn Herr Mo­ris­sot, »spielt der Krieg aus­wärts; bei der Re­pu­blik hat man ihn im ei­ge­nen Lan­de.«

      Und nun be­gan­nen sie eine ge­müt­li­che Un­ter­hal­tung über die schwie­rigs­ten po­li­ti­schen Streit­fra­gen mit je­nem ge­sun­dem Ur­teil, wel­ches ein­fa­che ru­hi­ge Leu­te so oft zei­gen, die sich dar­über ei­nig sind, dass man nie­mals wirk­lich frei ist. Der Mont-Va­le­ri­en don­ner­te dazu ohne Un­ter­lass, ver­wüs­te­te fran­zö­si­sche Häu­ser, ver­nich­te­te Men­schen­le­ben, rot­te­te zahl­lo­se Ge­schöp­fe Got­tes aus, zer­stör­te so man­chen schö­nen Traum, so man­che er­sehn­te Freu­de, und er­weck­te in den Her­zen zahl­lo­ser Frau­en, Müt­ter und Mäd­chen drü­ben in an­de­ren Län­dern end­lo­ses Her­ze­leid.

      »Das ist das Le­ben,« sag­te Herr Sau­va­ge.

      »Sa­gen Sie lie­ber: Der Tod,« ent­geg­ne­te la­chend Herr Mo­ris­sot.

      Aber plötz­lich zuck­ten sie er­schreckt zu­sam­men, als sie hin­ter sich Fuss­trit­te ver­nah­men. Sich um­wen­dend, ge­wahr­ten sie dicht ne­ben ih­nen vier Män­ner, vier be­waff­ne­te, große, bär­ti­ge Män­ner, in eine Art Li­vree wie Die­ner ge­klei­det und mit fla­chen Müt­zen be­deckt, wel­che, das Ge­wehr im An­schlag, sie be­ob­ach­te­ten.

      Die An­gel­ru­ten ent­san­ken ih­ren Hän­den und trie­ben den Fluss hin­ab.

      In ei­nem Au­gen­blick wa­ren sie er­grif­fen, ge­bun­den, fort­ge­führt, in einen Kahn ge­wor­fen und nach der In­sel über­führt. Hin­ter dem Hau­se, wel­ches sie für leer­ste­hend ge­hal­ten hat­ten, be­merk­ten sie jetzt ei­ni­ge zwan­zig deut­sche Sol­da­ten.

      Eine Art zot­ti­ger Rie­se, der auf ei­nem Stuh­le rei­tend sei­ne große Por­zel­lan­pfei­fe rauch­te, frag­te sie in gu­tem Fran­zö­sisch: »Nun mei­ne Her­ren, sind Sie mit ih­rem Fisch­fang zu­frie­den?«

      Ein Sol­dat leg­te das mit Fi­schen ge­füll­te Netz, wel­ches er sorg­lich mit­ge­bracht hat­te, zu Füs­sen des Of­fi­ziers.

      »Ah!« mach­te der Preus­se »es ist gut ge­gan­gen, wie ich sehe. Aber nun von et­was an­de­rem. Hö­ren Sie mich ru­hig an.«

      »In mei­nen Au­gen sind Sie zwei Spio­ne, die zu mei­ner Beo­b­ach­tung aus­ge­sandt wur­den. Ich habe Sie auf­ge­grif­fen und wer­de Sie er­schies­sen las­sen. Sie ha­ben sich fi­schend ge­stellt, um ihre ei­gent­li­che Ab­sicht zu ver­heim­li­chen. Nun sind Sie in mei­ner Ge­walt. Umso schlim­mer für Sie. Das ist nun mal im Krie­ge nicht an­ders.«

      »Aber, da Sie über die Vor­pos­ten hin­aus­ge­kom­men sind, ha­ben Sie für die Rück­kehr si­cher ein Lo­sungs­wort. Ge­ben Sie mir das­sel­be, und ich las­se Gna­de vor Recht er­ge­hen.«

      Die bei­den Freun­de stan­den bleich ne­ben­ein­an­der; ein leich­tes ner­vö­ses Zit­tern be­weg­te ihre Hän­de. Aber sie schwie­gen.

      »Nie­mand wird et­was da­von er­fah­ren«; nahm der Of­fi­zier wie­der das Wort. »Sie wer­den un­be­hel­ligt nach Hau­se zu­rück­keh­ren. Das Ge­heim­nis wird mit Ih­nen wie­der ver­schwin­den. Wenn Sie sich aber wei­gern, so ist das Ihr Tod, und zwar so­fort. Also wäh­len Sie.«

      Sie blie­ben re­gungs­los ohne den Mund zu öff­nen.

      »Be­den­ken Sie,« sag­te der Of­fi­zier ru­hig, mit der Hand nach dem Flus­se deu­tend, »dass Sie in fünf Mi­nu­ten auf dem Grun­de des Was­sers lie­gen wer­den. In fünf Mi­nu­ten. Den­ken Sie an Ihre An­ge­hö­ri­gen.«

      Der Mont-Va­le­ri­en don­ner­te wei­ter.

      Die bei­den Ang­ler stan­den schwei­gend da. Der Deut­sche er­teil­te in sei­ner Spra­che ei­ni­ge Be­feh­le. Dann schob er sei­nen Stuhl wei­ter zu­rück, um nicht zu nahe bei den Ge­fan­ge­nen zu sein. Zwölf Mann stell­ten sich, Ge­wehr bei Fuss, zwan­zig Schritt vor ih­nen auf.

      »lch gebe Ih­nen eine Mi­nu­te Zeit; kei­ne Se­kun­de län­ger.« be­gann der Of­fi­zier wie­der.

      Dann er­hob er sich plötz­lich, nä­her­te sich den bei­den Fran­zo­sen, nahm Mo­ris­sot beim Arm, führ­te ihn et­was fort, und sag­te ihm lei­se:

      »Schnell das Lo­sungs­wort. Ihr Ka­me­rad wird nichts da­von er­fah­ren. Ich wer­de tuen, als hät­te ich mich an­ders be­son­nen.

      Mo­ris­sot ant­wor­te­te nichts.

      Der Preus­se wand­te sich nun an Herrn Sau­va­ge und stell­te ihm die­sel­be Fra­ge.

      Herr Sau­va­ge ant­wor­te­te nichts.

      Nun stan­den bei­de wie­der ne­ben­ein­an­der.

      Der Of­fi­zier kom­man­dier­te; die Sol­da­ten leg­ten an.

      Da fiel der Blick Mo­ris­sot’s zu­fäl­lig auf das Netz mit Fi­schen, wel­ches ei­ni­ge Schrit­te vor ih­nen im Gra­se lie­gen ge­blie­ben war.

      Ein Son­nen­strahl ließ den Fisch­hau­fen er­glän­zen, in dem sich noch Le­ben rühr­te. Mo­ris­sot fühl­te eine An­wand­lung von Schwä­che. Sei­ne Au­gen füll­ten sich trotz al­ler An­stren­gung mit Trä­nen.

      »Adieu Herr Sau­va­ge.« mur­mel­te er.

      »Adieu Herr Mo­ris­sot,« ant­wor­te­te die­ser.

      Sie drück­ten sich die Hän­de, wäh­rend ein un­über­wind­ba­res Zit­tern ih­ren gan­zen Kör­per durch­lief. »Feu­er!« kom­man­dier­te der Of­fi­zier.

      Wie auf einen Schuss knall­ten die zwölf Ge­weh­re.

      Herr Sau­va­ge fiel wie ein Klum­pen vorn­über. Mo­ris­sot, der et­was grös­ser war, zuck­te hef­tig, dreh­te sich um sich selbst und fiel quer über sei­nen Ka­me­ra­den, das Ge­sicht zum Him­mel ge­wandt, wäh­rend das Blut aus sei­ner auf der Brust durch­lö­cher­ten Blou­se rie­sel­te.

      Der Deut­sche er­teil­te neue Be­feh­le.

      Sei­ne Leu­te ver­schwan­den und ka­men bald dar­auf mit ei­ni­gen Stri­cken und Stei­nen zu­rück, welch letz­te­re sie an die Füs­se der bei­den To­ten ban­den. Dann schlepp­ten sie die­sel­ben an’s Ufer.

      Der Mont-Va­le­ri­en hör­te nicht auf zu grol­len; er war jetzt wie ein Vul­kan an­zu­se­hen.

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