Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Автор: Guy de Maupassant
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962817695
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Plötzlich bekam Rahel einen Erstickungsanfall, sie hustete, dass ihr die Tränen über die Backen liefen, während ihr Rauch aus Nase und Mund drang. Herr von Eyrich hatte ihr beim Küssen eine Dampfwolke ins Gesicht geblasen. Sie ließ sich äusserlich nichts merken und sagte kein Wort; aber ein zorniger Blick aus ihren schwarzen Augen traf ihren Besitzer.
Man setzte sich. Der Major schien ganz ausgezeichnet guter Dinge zu sein. Er nahm Pamela zu seiner Rechten und Blondine zu seiner Linken. »Das war eine brillante Idee von Ihnen, Herr Hauptmann!«, sagte er seine Serviette entfaltend.
Die Lieutenants Otto und Fritz setzten ihre Nachbarinnen etwas dadurch in Verlegenheit, dass sie dieselben wie anständige Damen behandelten. Aber der Baron von Helfenstein, ganz in seinem Element, schwadronierte wie ein Husar, stiess allerhand frivole Worte aus, und schien mit seiner roten Haarkrone ganz Feuer und Flamme zu sein. Er sprach ein schauderhaftes Französisch und die plumpen Liebenswürdigkeiten, die er den Mädchen zuflüsterte, sprudelten mit einem wahren Speichelregen zwischen seinen Zahnlücken hervor.
Übrigens verstanden die Mädchen von allem nur die Hälfte; ihr Begriffsvermögen schien erst zu erwachen, als er anfing schmutzige, durch seine Aussprache verstümmelte Zoten hervorzustossen. Da fingen alle an wie toll durcheinander zu lachen; sie legten sich über den Schoss ihrer Nachbarn und wiederholten die Ausdrücke des Hauptmanns, die dieser dann noch mehr verdrehte, damit sie recht schmutzig klangen. Sie taten ihm bald diesen Gefallen, nachdem ihnen einmal die erste Flasche zu Kopfe gestiegen war; ihre wahre Natur offenbarte sich in ihren Reden und Gebärden. Sie küssten die Schnurrbärte ihrer Nachbarn rechts und links, kniffen sie in die Arme, schrien ausgelassen, tranken aus allen Gläsern, sangen französische Couplets und Bruchstücke deutscher Lieder, die sie durch den täglichen Verkehr mit den Feinden gelernt hatten.
Bald wurden auch die Herren durch diese Weiberkörper vor ihren Augen und ihren Armen verrückt. Sie schrien, lachten und zerschlugen Teller und Gläser, während hinter ihnen die Soldaten sie, ohne eine Miene zu verziehen, stillschweigend bedienten.
Nur der Major bewahrte seine ruhige Haltung Mamsell Fifi hatte Rahel auf den Schoss genommen und regte sich unnütz an ihr auf. Bald küsste er wie toll die rabenschwarzen Härchen auf ihrem Nacken wobei er durch den engen Spalt zwischen Kleid und Haut die linde Wärme, vermischt mit den eigentümlichen Duft ihres Körpers einsog. Bald wieder ergriff ihn seine wilde Radausucht, und mit wütender Lüsternheit kniff er sie durch den Stoff hindurch, dass sie laut aufschrie. Er umfasste sie und presste sie an sich, als wollte er sich mit ihr vereinen; er drückte seinen Mund innig auf die frischen Lippen der Jüdin, und küsste sie, dass sie fast den Atem verlor. Plötzlich biss er so fest zu, dass ein Blutfaden über das Kinn des Mädchens rann und auf die Taille tropfte.
»Das zahl ich Dir heim!« zischte sie, ihn abermals scharf ansehend, während sie das Blut abwischte.
»Wenn’s weiter nichts ist!« lachte er mit hartem Blick.
Zum Nachtisch wurde Sekt eingeschenkt. Der Major erhob sich, und mit demselben Tone mit dem er das Hoch auf irgend eine fürstliche Persönlichkeit ausgebracht haben würde, sagte er:
»Auf das Wohl der Damen!«
Eine ganze Reihe von Toasten begann jetzt, Toaste mit der Galanterie betrunkener Lieutenants vermengt voll schmutziger Witze, die bei der schlechten Aussprache noch roher klangen. Einer nach dem andren erhob sich und suchte etwas geistreiches und komisches zu sagen. Die Weiber, trunken bis zum Umfallen, klatschten jedes Mal mit verglasten Augen und geifernden Lippen wie toll ihren Beifall.
Der Hauptmann wollte sichtlich der Orgie einen galanten Anstrich geben.
»Auf unsere Siege über die weiblichen Herzen!« rief er, nochmals das Glas erhebend.
Da sprang der Lieutenant Otto auf, ein rechter deutscher Bär, dem der Wein den Kopf verdreht hatte.
»Auf unsere Siege über Frankreich!« brüllte er von trunkenem Patriotismus hingerissen.
Trotz ihrer Trunkenheit schwiegen die Weiber diesesmal; Rahel zuckte zusammen.
»Du hör mal,« wandte sie sich zu ihm, »ich kenne Franzosen, vor denen Du so was nicht sagen würdest.«
Der kleine Freiherr, auf dessen Schosse sie noch immer sass, schlug eine unbändige Lache auf; der Wein machte ihn ausgelassen.
»Ach, warum nicht gar?« rief er. »Ich habe noch keinen gesehen! Sobald wir kommen, reissen sie aus.«
»Das lügst Du, Lump!« schrie ihm Rahel wütend ins Gesicht.
Eine Sekunde lang ruhte sein kalter, harter Blick auf ihr, wie er auf den Gemälden ruhte, nach denen er später mit dem Revolver schoss.
»Na, mein Schatz, davon wollen wir lieber nicht weiter reden,« fing er dann wieder lachend an. »Sässen wir vielleicht hier, wenn sie Kourage hätten?« Er wurde lebhafter.
»Aber wir sind jetzt die Herren!« rief er. »Uns gehört Frankreich.«
Mit einem Ruck war sie von seinem Schoss herunter und taumelte auf ihrem Stuhl. Er aber sprang auf, hob sein Glas über den Tisch und wiederholte:
»Uns gehört Frankreich mit seinen Bewohnern, mit seinen Wäldern, Häusern und Feldern!«
Die Übrigen eben so plötzlich von einer unsinnigen militärischen Begeisterung erfasst, hoben ebenfalls in ihrer rohen Trunkenheit die Gläser.
»Es lebe Preussen!« brüllten sie wie aus einem Munde. Und sie leerten die Gläser mit einem Zuge.
Schweigend, СКАЧАТЬ