Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

Автор: Guy de Maupassant

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962817695

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СКАЧАТЬ durch den Kopf ge­hen, wie ich so mit der Fe­der in der Hand vor mich hin­träu­me, läuft mir plötz­lich ein lei­ser Schau­der durchs Hirn und ein Be­ben durchs Herz, und un­mit­tel­bar dar­auf sehe ich, ohne ver­nünf­ti­gen Grund, ohne lo­gi­sche Ide­en-Ver­ket­tung, sehe ich die­ses jun­ge Weib ganz deut­lich vor mir, zum Grei­fen nahe, vom Kopf bis zu den Fü­ßen… Sie, an die ich noch nie län­ger als drei Se­kun­den ge­dacht hat­te, so­lan­ge mir ihr Name durch den Kopf ging… Und plötz­lich ent­deck­te ich an ihr eine Fül­le von hol­den Ei­gen­schaf­ten, die mir nie auf­ge­fal­len wa­ren, einen sanf­ten Zau­ber, einen be­stri­cken­den Rei­z… Und sie rief jene ver­lieb­te Un­ru­he in mir wach, die uns ei­nem Wei­be nach­ge­hen heißt.

      Sie alle ken­nen jene ei­gen­tüm­li­chen Träu­me, die einen zum Herrn des Un­mög­li­chen ma­chen, ei­nem die ver­schlos­se­nen Tore un­ver­hoff­ter Freu­den und die sprö­des­ten Arme öff­nen. Wer von uns hat nicht jene un­ru­hi­gen, auf­re­gen­den, atem­lo­sen Träu­me ge­habt, wo wir das Weib, nach dem uns der Sinn stand, mit der größ­ten sinn­li­chen Schär­fe und Deut­lich­keit in den Ar­men ge­hal­ten ha­ben? Und ha­ben Sie nicht ge­merkt, wel­che über­ir­di­sche Won­ne in sol­chen ver­zück­ten Träu­men liegt? In wel­chen Tau­mel­zu­stand sie einen ver­set­zen, wie sie ei­nem das gan­ze We­sen durch­kämp­fen und das Herz mit un­end­li­cher, zärt­lichs­ter, über­strö­men­der Zärt­lich­keit er­fül­len; wie man das We­sen liebt, das man in die­sem gött­lich teuf­li­schen, Wirk­lich­keit schei­nen­den Gau­kel­spiel ohn­mäch­tig und glü­hend im Arme häl­t…

      Al­les dies emp­fand ich da­mals mit un­ver­ge­ss­li­cher Deut­lich­keit. Dies Weib war mein ei­gen ge­we­sen, ich fühl­te es! Als ich längst ent­täuscht er­wacht war, hat­te ich das sam­met­wei­che Ge­fühl ih­res Haa­res noch an den Fin­gern, den Schmelz ih­rer Haut noch in den Sin­nen, die Sü­ßig­keit ih­rer Küs­se noch auf den Lip­pen, den Klang ih­rer Stim­me noch im Ohre, den Druck ih­rer Umar­mung noch um den Hals; und der be­rau­schen­de Zau­ber ih­rer Lieb­ko­sun­gen er­füll­te mich ganz und gar.

      Und drei­mal in der­sel­ben Nacht hat­te ich den­sel­ben Traum.

      Als es Tag wur­de, er­füll­te mich nur der Ge­dan­ke an sie; ihr Bild spuk­te mir durch Herz und Hirn; es ver­ging kei­ne Mi­nu­te, wo ich nicht an sie dach­te.

      Ich wuss­te nicht mehr aus noch ein; schließ­lich stand ich auf, klei­de­te mich an und ging zu ihr. Als ich die Trep­pe her­auf stieg, zit­ter­te ich vor Auf­re­gung und fühl­te mein Herz ge­gen die Rip­pen häm­mern; ein un­wi­der­steh­li­ches Ver­lan­gen er­füll­te mich vom Kopf bis zu den Fü­ßen.

      Ich trat ein. Als sie mei­nen Na­men hör­te, rich­te­te sie sich hoch auf, und plötz­lich be­geg­ne­ten sich un­se­re Bli­cke mit merk­wür­di­ger Starr­heit. Ich setz­te mich und stot­ter­te ein paar un­zu­sam­men­hän­gen­de Wor­te, die sie gar­nicht zu hö­ren schi­en. Ich wuss­te nicht, was ich tun und sa­gen soll­te; dann plötz­lich stürz­te ich auf sie zu und um­schlang sie mit bei­den Ar­men. Mein gan­zer Traum ver­wirk­lich­te sich so rasch, so leicht und süß und toll, das ich plötz­lich in Zwei­fel war, ob ich auch wach wä­re… Sie war zwei Jah­re lang mei­ne Ge­lieb­te…

      – Und was schlie­ßen Sie dar­aus? frag­te eine Stim­me.

      Der Er­zäh­ler schi­en zu zö­gern.

      – Was ich dar­aus schlie­ße? frag­te er lang­sam. Ich schlie­ße dar­aus, dass dies ein ein­fa­ches Zu­sam­men­tref­fen war, ja ge­wiss! Und dann – wer weiß? – viel­leicht auch ein Blick von ihr, den ich nicht be­merkt hat­te, und den mir mein Ge­dächt­nis an je­dem Abend wie­der wachrief; denn es gibt ja sol­che ge­heim­nis­vol­len und un­be­wuss­ten Erin­ne­run­gen, wel­che ge­ra­de Das wie­der­ge­ben, was un­ser Be­wusst­sein ver­nach­läs­sigt und un­ser In­tel­lekt nicht be­ach­tet hat!

      – Nun, wie Sie wol­len, schloss ei­ner der Gäs­te. Aber wenn Sie hier­auf nicht an Ma­gne­tis­mus glau­ben, dann, mein ver­ehr­ter Herr, sind Sie ein ganz un­dank­ba­rer Mensch!

      *

      Der Weg stieg im Wal­de von Aïto­na sanft an. Rie­si­ge Pi­ni­en wölb­ten sich über uns zum seuf­zen­den Da­che und rausch­ten in ewi­ger Schwer­mut; rechts und links stie­gen ihre ge­ra­den dün­nen Stäm­me wie ein Meer von Or­gel­pfei­fen em­por, aus de­nen die ein­tö­ni­ge Mu­sik des Win­des in den Baum­kro­nen her­vor­zu­quel­len schi­en.

      Nach drei­stün­di­gem Mar­sche lich­te­te sich die­ses Durchein­an­der von lan­gen Baum­schäf­ten; hin und wie­der wölb­te eine rie­si­ge, al­lein­ste­hen­de Pi­nie, de­ren Wip­fel sich wie ein un­ge­heu­res Schirm­dach aus­spann­ten, ihr dunkles Grün, und plötz­lich er­reich­ten wir den Wald­rand ein paar hun­dert Schritt un­ter­halb der Enge, die in das wil­de Nio­lo­tal führt.

      Auf den bei­den hoch­ra­gen­den Kup­pen, die die­se Stel­le über­rag­ten, er­ho­ben sich ein paar un­för­mi­ge alte Bäu­me, die dem nach­fol­gen­den Ge­wim­mel wie Auf­klä­rer vor­an­zu­ge­hen schie­nen. Als wir uns um­dreh­ten, sa­hen wir den gan­zen Wald sich vor uns deh­nen, wie ein un­ge­heu­res Be­cken vol­ler Grün, des­sen Rän­der, von nack­ten Fel­sen um­starrt, an den Him­mel zu sto­ßen schie­nen.

      Wir gin­gen wei­ter und hat­ten den Hohl­weg nach zehn Mi­nu­ten er­reicht. Eine er­staun­li­che Land­schaft er­schloss sich da. Hin­ter ei­nem neu­en Wal­de lag ein Tal, wie ich es noch nie ge­se­hen, eine Stein­wüs­te von zehn Mei­len Län­ge, von fünf­tau­send Fuß ho­hen Ber­gen ein­ge­schlos­sen, nir­gends ein be­bau­tes Feld oder ein Baum. Es war das Nio­lo­tal, die Hei­mat der kor­si­schen Frei­heit, das un­be­zwing­ba­re Boll­werk, aus dem noch kein Ero­be­rer das Berg­volk ver­drängt hat.

      – Hier flüch­ten sich auch alle un­se­re Ban­di­ten hin, mein­te mein Beglei­ter.

      Bald schrit­ten wir auf der Tal­soh­le die­ses wil­den und un­ver­gleich­lich schö­nen Berg­kes­sels. Kein Halm, kei­ne Pflan­ze war um­her, nichts als Gra­nit, so­weit das Auge reich­te, eine leuch­ten­de Gra­nit­wüs­te, wel­che die pral­le Son­ne wie einen Back­ofen durch­glüh­te. Es war, als ob sie ei­gens über die­sen Stein­topf schweb­te. Wenn man die Au­gen zu den Fels­gra­ten er­hob, blieb man ge­blen­det und ge­bannt ste­hen. Sie schie­nen rot und ge­zähnt, wie lan­ge Koral­len­schnü­re, die zwi­schen den ro­ten Por­phyr­gip­feln auf­ge­hängt wa­ren, und der Him­mel dar­über war von sat­tem, veil­chen­far­be­nen Tone; so ver­färb­te er sich in der Nähe die­ser selt­sa­men Fels­zin­ken. Wei­ter un­ten war der Gra­nit von ste­chen­dem Grau und un­ter un­sern Fü­ßen war er wie zer­mah­len und zer­körnt; wir schrit­ten auf fun­keln­dem Stau­be. Uns zur Rech­ten zuck­te in lan­gem, ge­wun­de­nen Bet­te ein un­ge­stü­mer Berg­bach. Wie be­täubt wank­te man un­ter die­ser schwe­ben­den Glut, in die­sem Licht­meer durch das nack­te, bren­nen­de, tro­ckene, wil­de Tal, dem das schäu­men­de Wild­was­ser in Hast zu entei­len schi­en; denn es war ohn­mäch­tig, die­ses Ge­stein zu be­feuch­ten, und ver­lo­ren in die­sem Schmelzofen, der es gie­rig auf­saug­te, ohne je da­von durch­tränkt und er­frischt СКАЧАТЬ