e-tot. Uwe Post
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Название: e-tot

Автор: Uwe Post

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: heise online: Welten

isbn: 9783947619597

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      »Nein«, sagt Nele und grinst. »Aber sie ist himbeerrosa und kaum zu übersehen. Falls du sie irgendwo siehst …«

      »Witzig«, sagt Tom. »Hast du auf der Kommode nachgeschaut?«

      Nele verlässt das Bad und steht im Flur. Toms Stimme kommt aus Bad, Wohnküche und Schlafzimmer. Gleichzeitig.

      Im Flur klingt das seltsam. Hier steht kein Interface, genauso wenig wie in Stevens Zimmer. Der Junge will seinen Vater nicht ständig um sich haben.

      Nele schüttelt den Kopf. Was hat sie gerade nochmal gesucht?

      »Vielleicht ist sie runtergefallen«, ruft Tom.

      Nele bückt sich, und tatsächlich liegt ihre rosa Handtasche unter der Kommode. »Wenn ich dich nicht hätte«, brummt Nele. Sie geht in die Küche. Nimmt einen Schluck aus der Kaffeetasse, verzieht das Gesicht.

      »Der Kaffee ist sicher kalt«, sagt Tom. Seine Stimme kommt aus dem schwarzen, handtellergroßen Lautsprecher, der auf der Anrichte liegt. Nele überlegt. Tom hat keinen Zugriff auf Kameras. Dass sie ihr Gesicht verzogen hat, kann er nicht gesehen haben. Er muss gehört haben, dass sie zur Tasse greift und trinkt. »Respekt«, murmelt Nele. Sie kippt den grässlichen Kaffeerest weg und schaut aus dem Fenster. Draußen rollt gerade Schröders rot-gelb gestreifter Mini-Roboter vorbei, der mit Köter Kalle Gassi geht.

      In ihrer Hosentasche summt das Handy und erinnert sie an ihren Termin. Sie schreckt hoch, merkt, dass sie die leere Kaffeetasse an sich drückt, stellt sie weg und seufzt. »Jetzt fehlt nur noch …«

      »Eine Frisur?«, vermutet Tom.

      Nele schüttelt energisch den Kopf. »Steven.«

      Sie eilt über den Flur zu Stevens Zimmertür und hämmert mit der Faust dagegen. »Stevie! Ich muss los!«

      »Mir doch egal!«, tönt es von innen.

      Mit einem Stöhnen drückt Nele die Tür auf. Ihr dreizehnjähriger Sohn sitzt vor einem Game. Natürlich. »Ich muss zum Dienst«, sagt Nele. »Du kommst klar, oder?«

      Steven tut so, als hätte er nichts gehört. Auf dem großen Bildschirm vor ihm mäht er gerade mit einer Laserkanone vierarmige olivgrüne Zombies nieder. Zwischen umherfliegenden Gliedmaßen poppen Schriftzüge auf:

       Kühl! Episch! Party!

      »Du bist ja nicht alleine«, sagt Nele. Sie zögert, dann fügt sie sicherheitshalber hinzu: »Papa ist ja da.«

      Steven dreht sich zu Nele um, seine blauen Augen funkeln. »Ist er nicht«, zischt er.

      »Doch, er …«

      »Mama!«, entfährt es dem Jungen. »Papa ist tot! Die Stimme aus dem Lautsprecher ist eine beschissene Software

      Nele wendet sich ab. »Wenn irgendwas ist, kann Papa mich anrufen.«

      Steven zeigt auf das Smartphone, das auf dem Tisch neben ihm liegt. »Das kann ich selbst, Mama.«

      »Denk dran, dass die Osterferien bald vorbei sind«, sagt Nele. »Vielleicht solltest du zwischen zwei Angriffswellen mal in ein paar Bücher schauen.«

      Der Junge klammert sich an seinen Gamecontroller. »Ich wäre gerne tot! Dann müsste ich nicht in die Schule oder später mal arbeiten und könnte den ganzen Tag machen, was ich will.«

      »Hätte ich früher rund um die Uhr bloß Zombies gekillt, hätte ich sicher nicht Polizistin werden können«, murmelt Nele.

      »Ich bin stolz auf euch beide«, ertönt Toms Stimme aus der Wohnküche. Er hat mitgehört, obwohl er nicht im Raum ist. Die Mikrofone an den Interfaces sind ziemlich empfindlich. Nele tritt wieder in den Korridor und nimmt ihre weinrote Jacke vom Haken. »Vielleicht hilft Papa dir ein bisschen bei den Schulsachen«, sagt sie noch. »Bis nachher dann, ich hab euch lieb!«

      Statt einer Antwort hört Nele an den Todesschreien der Zombies, dass Steven das Spiel wieder gestartet hat.

      Auf dem Weg zu ihrer Dienststelle schießt Nele im Bus ein Selfie. Mit einer App montiert sie ein altes Bild von Tom daneben und ein Gartenfoto in den Hintergrund. Das Resultat sieht so aus, als würden die beiden gerade fröhlich in der Frühlingssonne tanzen.

      Nele lächelt zufrieden und postet das Bild in ihrer Timeline.

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      LEO1

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      Leo schwankt nach Hause. War wieder cool mit den Sportskameraden, und der neue Kumpel – wie hieß er doch gleich? – kickt gar nicht übel. Uuh … das war doch vielleicht ein Bier zu viel.

      Leo kotzt an einen Baum, es blinkt und glitzert. Tja, Luxus-Features halt, nicht jeder erbricht reines Gold. Der Schatz versickert im Boden, ist alles nur Deko, nichts wert, aber der Effekt unbezahlbar.

      Paul! Paul Aber-nicht-Pogba heißt der Knabe. Voll grinsend macht Leo, dass er nach hause kommt, da wartet frisches Goldkotz-Bier im Kühlschrank, und ein paar Upper müssten auch noch da sein. Auf das Zeug, das wie Libellen aussieht, fährt Leo besonders ab. Du lutschst sie, sie zappeln, vibrieren mit den Flügeln, auch noch im Bauch, ein echt geiles Feeling. Dagegen sind die echten Drogen, drüben im Reallife, wie trocken Brot, und noch dazu voll gefährlich.

      Wobei – es hatte ja auch ein paar Vorteile, das olle Leben. Leo fallen allerdings gerade keine ein. Damals musste Leo sich mit der Stütze und mit Kleinkriminalität über Wasser halten. Hier mal eine Oma verarscht, dort mal heimlich einen Kryptominer auf den PC eines Freundes geschmuggelt, ach ja, nicht zu vergessen die Karre. Parkte einmal vor dem Aldi und Leo sah, dass der Besitzer vergaß, sein E-Bike Marke Oberteuer Classic anzuketten. Ganz spontan klaute Leo das Teil, fuhr einfach los, ganz gemütlich. Schon cool, so ein Elektromotor. Ein überraschend lukrativer Job, noch dazu völlig abgasfrei.

      Tja, mit 22 hat man noch Träume. Tolle Träume. Also, wenn du die geilsten Drogen nimmst. Bloß sind die scheiße teuer. Teure Träume, die bezahlt werden wollen. Da kam der Russe gerade recht. 10.000 Jahre – wer kann dazu schon nein sagen? Also hat Leo unterschrieben, einen frischen Scan hochgeladen, und schwupp: Willkommen auf dem 1a-Luxusserver sansibar-1 von e-tot.de, deine verbleibende Mietdauer beträgt 9999 Jahre, 364 Tage, 23 Stunden und 59 Minuten.

      Was danach passiert ist, also mit seinem Körper – seinem »Ex«, wie er gern sagt –, egal. Leo hofft, dass die Narkose vernünftig gewirkt hat, bevor man ihm – nein, seinem Ex! – die Organe entnahm. Keine Ahnung, was sie mit dem Rest gemacht haben. Vielleicht hat der reiche Russe alles weiterverkauft, für das er keine Verwendung hatte, schließlich hatte sein Krebs weder Hornhäute noch Zehen befallen.

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