Der Geselle des Knochenhauers. Frank Goyke
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Название: Der Geselle des Knochenhauers

Автор: Frank Goyke

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Hansekrimi

isbn: 9783863935122

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СКАЧАТЬ Sprenger seufzte. Er schlug den Pelzkragen hoch, schaute seine Ratsleute aufmunternd an und forderte sie mit einem Nicken in Richtung der Saustraße auf, ihm zu folgen.

      »Wir wissen ja nicht einmal, ob der Verbrecher noch in der Stadt ist«, sagte Consul Einem.

      »Oder die Verbrecher«, gab Eggert Unverzagt zu bedenken. »Für eine Ausjagd ist es ja wohl zu dunkel«, meinte der Proconsul Sprenger unwirsch.

      »Und dann dieses Wetter!«, stöhnte Dirich Raven und strich sich über den Bauch.

      Heinrich von Alfeld hockte, mittlerweile vollständig angekleidet, auf einer Bank beim Kamin und ließ den Kopf hängen. Die beiden Bademägde, ebenfalls nicht mehr nackt, kauerten auf dem kühlen Steinboden. Immer wieder brachen sie in Tränen aus. Der Knecht wiederum lehnte an der Wand und starrte vor sich hin. Niemand verlor ein Wort, und keiner wagte, den Blick zu heben und zu dem Badezuber zu schauen, in dem die Leiche des Einbeckers versunken war. Der Vorhang war noch immer aufgezogen, und wer genau hinschaute, konnte die Blutspritzer an der weiß gekalkten Wand sehen, aber es schaute eben keiner hin.

      Der Bademeister wartete trotz des Unwetters vor seinem Haus in der Stobenstraße. Er war es gewesen, der das Verbrechen lauthals beschrien hatte, wie es das Gesetz verlangte. Außerdem hatte er die Nachbarn dazu angehalten, die Büttelei zu verständigen, und dafür gesorgt, dass die Glocke geläutet wurde. Immerhin war er ein Bediensteter der Stadt, er wusste genau, was von ihm erwartet wurde, Umsicht nämlich und Wohlverhalten.

      Einer der Büttel war sofort zu ihm geeilt, hatte einen angewiderten Blick in den Badezuber geworfen und wartete nun mit ihm auf die Ratsherren. Diese hatten keinen allzu langen Weg zurücklegen müssen. Sie waren durch die Saustraße gehastet, die den Markt an seiner südwestlichen Ecke verließ und in der viele hoch angesehene und reiche Bürger lebten, hatten den Hohen Weg überquert und dann bereits den Anfang der Stobenstraße erreicht, die sozusagen die westliche Verlängerung der Saustraße darstellte. Als er die Ratmannen entdeckte, ging der Bader unverzüglich auf sie zu.

      »Ihr Herren!«, rief er. »Welche Not, welche Not!«

      »Ja, ja!« Bürgermeister Sprenger schob den Bader beiseite. Sein Hermelinmantel hatte sich mittlerweile vollgesogen wie ein Schwamm, und er eilte voran zur Lovekenstube, also dorthin, wo man zumindest vor dem Regen Schutz fand.

      »Berichte!«, forderte Tile Brandis den Bademeister auf, während sie dem Bürgermeister folgten. Auch die übrigen Consules schlossen sich ihnen an.

      »Ich weiß nichts«, beteuerte der Bader. »Drei Gäste kamen heute nur …«

      »Drei?«

      »Ja, Herr! Der hochlöbliche Ratmann von Alfeld, sein Freund aus Einbeck und der Knochenhauer von Sankt Andreas, der hoch angesehene Herr Waldemar Klingenbiel …«

      »Der war auch im Bad?«

      »Nein, Herr. Er leidet seit Wochen unter Heiserkeit und Magendrücken. Ich habe ihn zur Ader gelassen.«

      »Ach was, Magendrücken?« Consul Raven zog die Brauen hoch. »Das kommt wohl von der Völlerei …«

      Die Männer betraten eine kurze und schmale Diele, von der mehrere Räume abgingen. Der Bader wies nach links. Dunst schlug den Ratsherren entgegen, als sie in die eigentliche Badestube einrückten.

      Heinrich von Alfeld hob den Blick. Er war selbst Ratmann, und doch stand er auf, als er den Primus inter pares zwischen Brandis, Raven, Einem und Unverzagt ausmachte, schließlich war er ein höflicher Mann selbst noch in einer Situation, in der niemand von ihm Höflichkeit erwartete. Der Knecht trat einen Schritt vor, die Mägde klammerten sich aneinander. Nach wie vor boten sie ein Bild des Jammers.

      »Wo?«, erkundigte sich Sprenger. Der Bader wies zu den beiden hölzernen Wannen. Sprenger ging sehr langsam auf sie zu. Er schaute in den rechten Zuber, und seine Gesichtshaut wurde augenblicklich weiß. »Teufel auch«, flüsterte er.

      Tile Brandis trat ebenfalls näher, während sich die drei übrigen Ratsherren lieber im Hintergrund hielten. Vornübergesunken schwamm ein nackter Mensch im Zuber. Ein Brett lag quer über der Wanne, auf dem eine Weinkruke und ein Becher umgestürzt waren. Der Rebsaft war über das glatte Holz gelaufen und dann in das Wasser getropft, aber nicht er hatte für dessen blutige Farbe gesorgt. Brandis drehte sich um.

      »Büttel!«, rief er. Dann deutete er zu dem Toten. »Hebe ihn heraus!«

      Der Büttel tat, wie ihm geheißen. Er packte den schweren Körper und mühte sich redlich, aber allein schaffte er es nicht, ihn aus dem Wasser zu zerren. Allerdings gelang es ihm, den Toten wenigstens aufzurichten. Dessen Kopf fiel sofort nach hinten. Sprenger und Brandis wichen einen Schritt zurück. Eine tiefe Wunde mit glatten Rändern, die offenbar bis zu den Wirbeln reichte, gähnte unterhalb des Kehlkopfs. Es sah aus, als habe der Tote einen zweiten, riesigen Mund, der die Ratsherren blutig angrinste.

      »Gott im Himmel!«, murmelte Tile Brandis und schaute rasch zu Heinrich von Alfeld. »Wer dies auch immer angerichtet hat, wie konnte er nur entkommen?«

      Balthazar Fannemann, Dominikanermönch, Professor der Theo logie, seit seiner Ernennung durch Papst Paul III. am zwanzigsten August im Jahr des Herrn 1540 Titularbischof von Missene, Weihbischof von Hildesheim und damit Vikar Bischof Valentins in pontificalibus, setzte sich zu Tisch. Da er nicht gern allein speiste, hatte er ein paar Vertraute um sich versammelt: den bischöflichen Offizial, der für die geistliche Gerichtsbarkeit im Stift zuständig war, den Subdiakon Johann Caspari von Sankt Godehard, der ihm bei vielen seiner Weihehandlungen half und gelegentlich delikate Aufträge erledigte, den Domherrn Arnold Friedag sowie als Ehrengast einen gerade aus Rom zurückgekehrten Pilger.

      Eigentlich war es nicht üblich, dass Wallfahrer zum Essen auf die Domburg eingeladen wurden, aber Bruder Eusebius war nicht irgendwer. Er gehörte ebenso wie Fannemann dem Dominikanerorden an, die beiden Männer kannten sich, und zwar seit langem. Sie hatten gemeinsam die theologische Fakultät der Universität von Paris besucht, waren sich bei Kapiteln der Ordensprovinz Saxonia gelegentlich wieder begegnet und hatten so manche gelehrte Disputation geführt, denn Eusebius war ein ausgesprochen schriftkundiger Mann und der Weihbischof immerhin Professor. Vielleicht war es zu hochgegriffen, von einer Freundschaft zu sprechen, aber Balthazar und Eusebius standen sich durchaus nahe. So nahm es nicht wunder, dass Bruder Eusebius nach seiner Ankunft in Hildesheim sogleich seinen alten Bekannten aufsuchte, von dessen beachtlicher Karriere er bereits auf seiner Reise gehört hatte.

      Fannemann hatte ihn gebeten, zum Essen dazubleiben, auch weil er von ihm Neuigkeiten aus dem Dunstkreis der päpstlichen Kurie zu erfahren hoffte. Die Bedienmagd hatte kaum die Gurkensuppe mit Safran, Pfeffer und Honig aufgetragen, da sprach er ihn sofort darauf an. »Nun verrate uns doch, lieber Bruder Eusebius, was pfeifen die Spatzen in Rom von den Dächern?«, bat er mit einem Lächeln.

      »Das lässt sich nicht mit ein paar Worten sagen, Eminenz«, entgegnete der Mönch. Der Weihbischof lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Eusebius sah angegriffen und erschöpft aus, aber er hatte ja auch eine lange, eine sehr lange Reise hinter sich.

      »Nicht doch!« Fannemann winkte ab, ohne die verschränkten Arme voneinander zu lösen. »Wir sind Ordensbrüder, also vergiss die Formalitäten.« Immerhin hatte Fannemann sein schwarz-weißes Habit angelegt und auf alle Zeichen seiner bischöflichen Macht und Würde verzichtet, die ohnehin nur geborgt waren; als Weihbischof vertrat er den Hildesheimer Oberhirten Valentin von Teteleben bei allen kirchlichen Amtshandlungen. Bischof Valentin hielt sich nur selten in seiner verarmten Diözese auf. Er war nicht nur Episcopus Hildensemensis, sondern auch Domherr zu СКАЧАТЬ