Gob Squad – What are you looking at?. Gob Squad
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СКАЧАТЬ Kunstbegriff, in dem Kunst und Alltag nicht voneinander zu trennen sind. »Man wurde nicht zur/zum Spezialist*in ausgebildet, sondern zur/zum Künstler*in, die/der nach Bedarf frei die Disziplinen und Methoden wechselt«, so Simon Will.

      Kunstformen wie Interventionen im öffentlichen Raum, Happening und Performance gehörten zum Ausbildungsprogramm. Joseph Beuys galt als eine der zentralen Bezugsfiguren, aber auch internationale Performancegruppen, wie die Wooster Group aus New York, waren richtungsweisend. Oder man besuchte im nur 50 Kilometer entfernten Sheffield die aktuellen Aufführungen von Forced Entertainment, der damals schon stilbildenden Live-Art-Company um den Autor und Regisseur Tim Etchells.

      Kurze Zeit später trafen bei einem Austauschsemester in Nottingham Johanna Freiburg und Berit Stumpf, zwei Studentinnen vom Gießener Institut für Angewandte Theaterwissenschaft, auf ihre englischen Kolleg*innen. Ihr Studium war geprägt durch eine enge Verbindung von Theorie und Praxis. Andrzej Wirth, der Begründer des Instituts, sorgte von Anfang an dafür, dass die Student*innen neben den Arbeiten von Robert Wilson und Heiner Müller mit Performance Art und der amerikanischen Theateravantgarde der 1970er Jahre vertraut gemacht wurden. Gleich nebenan, im benachbarten Frankfurt am Main, konnten sie am Theater am Turm viele damalige Erneuer*innen des Theaters ein- und ausgehen sehen, von Marina Abramović, Laurie Anderson oder der Wooster Group bis hin zu Jan Lauwers und der Needcompany, Rosas oder Jan Fabre.

      Darüber hinaus waren insbesondere Brechts Lehrstücktheorie und das praktische Ausprobieren und gemeinsame Überprüfen von Theatermitteln und damit verbundenen Wahrnehmungsweisen wichtige Bestandteile des Ausbildungsprogramms.

      Künstlerische Autonomie und selbstbestimmtes Arbeiten gehörten von vornherein zum studentischen Alltag: »Der Witz dieses Instituts bestand darin, dass man uns mit ungeordneten Inspirationen beworfen hat. Da standen nebeneinander ganz viele, ganz merkwürdige und schlecht zusammenpassende Lerninhalte, aus denen man sich die schönsten aussuchen konnte. Daraus Sinn zu generieren, war einem selbst überlassen«, so Lisa Lucassen, ehemalige Studentin und Mitglied des Performancekollektivs She She Pop. Offensichtlich hat dieser glücklicherweise wenig didaktische Ansatz dazu geführt, dass sich damals viele junge kreative Köpfe unter einem Dach versammelten und entsprechend gefördert werden konnten. Nicht nur Gob Squad, auch Künstler*innen und Gruppen wie She She Pop, Hans-Werner Kroesinger, René Pollesch, Rimini-Protokoll und Showcase Beat Le Mot, um nur einige zu nennen, schreiben als Absolvent*innen des Gießener Instituts mittlerweile selbst Theatergeschichte und haben nachfolgende Generationen beeinflusst.

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      Glastonbury, 1992

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      Is There Anybody Out There?, 1994

      Wesentlicher Mitbegründer des Studiengangs war auch Hans-Thies Lehmann, dessen Konzept des Postdramatischen Theaters nicht zuletzt die Ausbildung in Gießen entscheidend geprägt hat. Wer sich für Gießen entschieden hatte, wusste, hier geht es um etwas anderes als um das konventionelle Theaterverständnis mit dramatischen Figuren und klassischer Narration. Man war aufgefordert, über Alternativen nachzudenken, zu experimentieren und bisher Geltendes in Frage zu stellen.

      Einige Studierende gingen aber noch einen Schritt weiter. Sie stellten die Arbeitsweise und die Methoden des Theaterbetriebs selbst zur Disposition. So entstanden – auch als Reaktion auf die sogar im Gießener Institut noch vorherrschende Praxis, dass einzelne Männer auf der Probebühne Regie führten und dabei überwiegend Frauen inszeniert wurden – die ersten Kollektive, zu denen neben Gob Squad auch She She Pop und Showcase Beat Le Mot zählten. Ihre Gründung war als politischer Akt und radikale Abkehr von hierarchischen Strukturen und damit verbundener Arbeitsteilung zu verstehen. Das zukünftige Theater brauchte aus ihrer Sicht eine andere Praxis, und zwar nicht als Sonderweg, sondern als eine klare Alternative zum herkömmlichen Betrieb: Das gemeinschaftliche Arbeiten eigenverantwortlicher Künstler*innen und Produzent*innen als Gegenentwurf zum Konzept des Künstler-Subjekts, das den Gruppen von vornherein suspekt erschien.

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      An Effortless Transaction, 1996

       »WIR HABEN DAS GEMACHT, WOMIT WIR SAGEN KONNTEN, WAS WIR SAGEN WOLLTEN«

      »Wow, sowas gibt’s nicht nur in Nottingham, sondern auch in Gießen«, so Sean Patten rückblickend auf die ersten Begegnungen mit Studierenden am Gießener Institut. »Wir hatten plötzlich entdeckt, wir gehören zu einer internationalen Community von Künstler*innen, die null Interesse an konventionellem Theater und Stückinterpretationen hat. Für viele von uns war es ein Traum, als Kollektiv Performances zu machen, und zwar ausschließlich im öffentlichen Raum.«

      Und so führte die Zusammenarbeit während des Studiums schon bald, im Jahr 1994, zur offiziellen Gründung des deutschenglischen Performancekollektivs Gob Squad mit dessen Gründungsmitgliedern Johanna Freiburg, Alex Large, Sean Patten, Liane Sommers, Berit Stumpf und Sarah Thom.

      Von Anfang an galt die Verabredung: Keinen Geniekult um eine/n Regisseur*in und keine Theaterbühne als Spielort, stattdessen Performances in Echtzeit, entwickelt als Kollektiv und an realen Orten im öffentlichen Raum! Das konventionelle Theater war als Referenz für die eigene Arbeit kaum von Bedeutung. Eher dienten Performancekunst, Film, bildende Kunst, Popkultur und -musik als Inspirationsquellen. Alles ist Material und die Gleichwertigkeit der ästhetischen Mittel dabei Voraussetzung.

      Seit Beginn der Zusammenarbeit ging es um die Herausforderung, jenseits von vorgegebenen institutionellen Strukturen eigene Arbeitsweisen zu entwickeln und sich immer wieder, so wie es jeweils Sinn macht, neu zu erfinden.

      Das Arbeiten in einer Gruppe, die sich eher als Band verstanden wissen will und keine Hierarchien kennt, war dabei für Gob Squad unverzichtbare Ingredienz. »In der für uns relevanten Kultur ging es um Bands und Künstler*innen in Gruppen, deswegen war es für uns mehr als selbstverständlich, inspiriert von diesem Umfeld eigene Wege zu suchen«, so Sean Patten.

      Und das hieß konkret: kollektive Autorschaft, eigene Bilder herstellen und Entertainment im besten Sinne. Durch diese Arbeitsweise wurde die Funktion der/des Regisseur*in genau genommen abgeschafft. Das gemeinschaftliche Arbeiten steht im Mittelpunkt: »Keiner von uns strebt ein spezifisches Handwerk an, das nur er beherrscht und die anderen nicht«, sagt Bastian Trost. »Stattdessen setzt sich das Handwerk bei Gob Squad gerade aus der Kombination von Dramaturg-Sein, Performer-Sein, Autor-Sein und Zuschauer-Sein zusammen.«

      Schnell wurde deutlich, dass das Bedürfnis, eine Definition für diese Kunstrichtung zu finden, wichtiger für die Journalist*innen und Kulturpolitiker*innen war als für die Akteur*innen selbst: »Wir dachten, es ist uns eigentlich egal, wie ihr das nennt. Für uns war es etwas zwischen Theater, Live Art, Performance Art und Happening, und wir haben das gemacht, womit wir sagen konnten, was wir sagen wollten«, erklärt Sarah Thom.

      So fanden die oft mehrstündigen Performances anfangs auf öffentlichen Parkplätzen, in Wohnhäusern, Shoppingmalls, Hotels, einem Kleintransporter oder einer eigens für den Auftritt entwickelten beidseitig verspiegelten Box statt. Schon seit Mitte der 1990er Jahre unterstützten internationale Veranstalter*innen die Arbeiten von Gob Squad. Allen voran das NOW Festival in Nottingham und das Frankfurter TAT, später auch das Berliner Podewil, Kampnagel Hamburg und die Berlin Biennale. Als Koproduzent*innen brachten sie die frühen Projekte der Gruppe, deren Mitglieder damals zum großen Teil noch auf Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld angewiesen waren, mit auf den Weg.

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      Work, СКАЧАТЬ