Alltagsrassismus. Wolfgang Benz
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Название: Alltagsrassismus

Автор: Wolfgang Benz

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

Серия: Politisches Fachbuch

isbn: 9783734409929

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СКАЧАТЬ auf eine solche Art, daß ihm dieser Mißbrauch nicht nachgewiesen werden kann.“ Der Antisemit Fritsch war einer der Ahnherren des Nationalsozialismus. Gegen Muslime klingt es heute ähnlich, wenn Raddatz mit dem Anspruch des Sachverständigen behauptet, „der Islam“ folge einer „eingewachsenen Tendenz zu einer ganz natürlichen und historisch vielfach bestätigten Dominanz“, die sich in einer „fortschreitenden Landnahme durch mehrheitlich türkische Muslime“ zeige, deren Bastionen in Deutschland in „hochmotivierten, untereinander vernetzten Ghetto-Komplexen mit einer entsprechend flexiblen Schlagkraft“ sichtbar seien. Oder wenn in einem Internetforum gepöbelt wird: „Ich bin weder rechts noch links, habe auch nichts gegen Ausländer. Ich habe aber etwas dagegen, wenn bildungsferne muslimische Einwanderer unsere Kultur zerstören und uns mit ihrem irrwitzigen Aberglauben das Leben vermiesen wollen. Ich habe etwas dagegen, dass immer mehr integrationsunwillige Muslime bestimmen wollen, wo es lang zu gehen hat.“

      Die als negativ empfundene Eigenart der „Anderen“, kulturell, ethnisch, religiös oder wie auch immer definiert, dient der Hebung des eigenen Selbstbewusstseins und fixiert es durch die Gewissheit, dass die Anderen nicht integrationsfähig oder assimilationsbereit oder von ihrer Konstitution her kriminell, asozial und aggressiv sind. Das geht bis zu Verschwörungsphantasien, nach denen eine Minderheit nach Dominanz über die Mehrheit strebe. In der Geschichte der Judenfeindschaft ist die stereotype Vermutung seit Jahrhunderten verbreitet und wird immer wieder reproduziert, nach der „die Juden“ zu viel Einfluss in der Finanzwelt oder in der Kultur oder in den Medien oder sonst wo, wahrscheinlich sogar in allen Bereichen von Staat und Gesellschaft hätten und dass sie diesen Einfluss zum Schaden der Mehrheit, aber zum eigenen Nutzen, unablässig ausübten. Diese in der Mehrheit je nach Bildungsgrad, politischer Position, Herkunft und Sozialisation oder von anderen Faktoren bestimmte Vermutung bestätigt sich immer wieder in den Ergebnissen von Meinungsumfragen und gehört zum Grundbestand antisemitischer Einstellungen.

      Die Stereotypen in der Wahrnehmung von Minderheiten dienen der Selbstvergewisserung der Mehrheit und der Fortdauer des prekären sozialen Status der jeweiligen Minorität. Sozialpsychologisch ist die Existenz von Vorurteilen und ihre Attraktivität leicht zu erklären, das darin gestaute Konfliktpotenzial ist erheblich und bedeutet für das Zusammenleben der Menschen in einer komplexen Gesellschaft eine latente Bedrohung. Historische und aktuelle Beispiele der Entladung von Konflikten durch gewaltsamen Protest, durch Bürgerkrieg, Pogrom, Massaker bis hin zum Völkermord sind in großer Zahl anzuführen, sie beweisen, welchen sozialen Sprengstoff Vorurteile darstellen. Daher muss Aufklärung Vorurteile entkräften und Feindbilder zerstören. Das kann nur durch Argumente geschehen, die nachvollziehbar sind, die den Nebel der Mythen, in denen Ressentiments gedeihen, auflösen und der Vernunft den Weg frei machen. Verbote helfen so wenig wie Tabuisierung oder moralische Appelle.

      Gegen solche Konstrukte, die auch als harmlose Bilder auftreten können, wie der romantische Traum vom freien Leben der Roma mit ihren stolzen Männern und lockenden Frauen, ist Aufklärung notwendig, denn Konstrukte sind gefährlich. „Die Franzosen“ oder „die Rumänen“ waren jahrhundertelang mit schlechten Eigenschaften charakterisiert, die sie zum kollektiven Erbfeind westlich des Rheins bzw. östlich der Habsburger Monarchie machten. Nach zwei Weltkriegen konnten viele Feindbilder überwunden werden, erhebliche Anstrengungen waren dazu notwendig und ihr Erfolg war in hohem Maß Ergebnis politischer Bildung.