Название: Der Stechlin
Автор: Theodor Fontane
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783961182015
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»Soweit solch merkwürdiges Spiel der Natur überhaupt möglich ist, bin ich fest davon durchdrungen.«
In diesem Moment, nach abermaliger Passierung des Platzes mit der Glaskugel, erreichte das Paar die Bank unter dem Pflaumenbaumzweige. Die Schmargendorf hatte schon lange vorher nach zwei großen, dicht zusammensitzenden Pflaumen hinübergeblickt und sagte, während sie jetzt ihre Hand danach ausstreckte: »Nun wollen wir aber ein Vielliebchen essen, Herr Hauptmann; wo, wie hier, zwei zusammensitzen, da ist immer ein Vielliebchen.«
»Eine Definition, der ich mich durchaus anschließe. Aber mein gnädigstes Fräulein, wenn ich vorschlagen dürfte, mit dieser herrlichen Gabe Gottes doch lieber bis zum Dessert zu warten. Das ist ja doch auch die eigentliche Zeit für Vielliebchen.«
»Nun, wie Sie wollen, Herr Hauptmann. Und ich werde diese zwei bis dahin für uns aufheben. Aber diese dritte hier, die nicht mehr so ganz dazu gehört, die werd' ich essen. Ich esse so gern Pflaumen. Und Sie werden sie mir auch gönnen.«
»Alles, alles. Eine Welt.«
Es schien fast, als ob sich Czako noch weiter über dies Pflaumenthema, namentlich auch über die sich darin bergenden Wagnisse, verbreiten wollte, kam aber nicht dazu, weil eben jetzt ein Diener in weißen Baumwollhandschuhen, augenscheinlich eine Gelegenheitsschöpfung, in der Hoftür sichtbar wurde. Dies war das mit der Domina verabredete Zeichen, daß der Tisch gedeckt sei. Die Schmargendorf, ebenfalls eingeweiht in diese zu raschen Entschlüssen drängende Zeichensprache, bückte sich deshalb, um von einem der Gemüsebeete rasch noch ein großes Kohlblatt abzubrechen, auf das sie sorglich die beiden rotgetüpfelten Pflaumen legte. Gleich danach aber aufs neue des Hauptmanns Arm nehmend, schritt sie, unter Vorantritt der Domina, auf Hof und Flur und ganz zuletzt auf den Salon zu, der sich inzwischen in manchem Stück verändert hatte, vor allem darin, daß neben dem Kamin eine zweite Konventualin stand, in dunkler Seide, mit Kopfschleifen und tiefliegenden, starren Kakaduaugen, die in das Wesen aller Dinge einzudringen schienen.
»Ah, meine Liebste«, sagte die Domina, auf diese zweite Konventualin zuschreitend, »es freut mich herzlich, daß Sie sich, trotz Migräne, noch herausgemacht haben; wir wären sonst ohne dritte Tischdame geblieben. Erlauben Sie mir vorzustellen: Herr von Rex, Herr von Czako... Fräulein von Triglaff aus dem Hause Triglaff.«
Rex und Czako verbeugten sich, während Woldemar, dem sie keine Fremde war, an die Konventualin herantrat, um ein Wort der Begrüßung an sie zu richten. Czako, die Triglaff unwillkürlich musternd, war sofort von einer ihn frappierenden Ähnlichkeit betroffen und flüsterte gleich danach dem sein Monocle wiederholentlich in Angriff nehmenden Rex leise zu: »Krippenstapel, weibliche Linie.«
Rex nickte.
Während dieser Vorstellung hatte der im Hintergrund stehende Diener den oberen und unteren Türriegel mit einer gewissen Ostentation zurückgezogen; einen Augenblick noch, und beide Flügel zu dem neben dem Salon gelegenen Eßzimmer taten sich mit einer stillen Feierlichkeit auf.
»Herr von Rex«, sagte die Domina, »darf ich um Ihren Arm bitten.«
Im Nu war Rex an ihrer Seite, und gleich danach traten alle drei Paare in den Nebenraum ein, auf dessen gastlicher und nicht ohne Geschick hergerichteter Tafel zwei Blumenvasen und zwei silberne Doppelleuchter standen. Auch der Diener war schon in Aktion; er hatte sich inzwischen am Büfett in Front einer Meißner Suppenterrine aufgestellt, und indem er den Deckel (mit einem abgestoßenen Engel obenauf) abnahm, stieg der Wrasen wie Opferrauch in die Höhe.
Achtes Kapitel
Tante Adelheid, wenn sich nichts geradezu Verstimmliches ereignete, war, von alten Zeiten her, eine gute Wirtin und besaß neben anderm auch jene Direktoralaugen, die bei Tische so viel bedeuten; aber eine Gabe besaß sie nicht, die, das Gespräch, wie's in einem engsten Zirkel doch sein sollte, zusammenzufassen. So zerfiel denn die kleine Tafelrunde von Anfang an in drei Gruppen, von denen eine, wiewohl nicht absolut schweigsam, doch vorwiegend als Tafelornament wirkte. Dies war die Gruppe Woldemar-Triglaff. Und das konnte nicht wohl anders sein. Die Triglaff, wie sich das bei Kakadugesichtern so häufig findet, verband in sich den Ausdruck höchster Tiefsinnigkeit mit ganz ungewöhnlicher Umnachtung, und ein letzter Rest von Helle, der ihr vielleicht geblieben sein mochte, war ihr durch eine stupende Triglaffvorstellung schließlich doch auch noch abhanden gekommen. Eine direkte Deszendenz von dem gleichnamigen Wendengotte, etwa wie Czako von Czako, war freilich nicht nachzuweisen, aber doch auch nicht ausgeschlossen, und wenn dergleichen überhaupt vorkommen oder nach stiller Übereinkunft auch nur allgemein angenommen werden konnte, so war nicht abzusehen, warum gerade sie leer ausgehen oder auf solche Möglichkeit verzichten sollte. Dieser hochgespannten, ganz im Speziellen sich bewegenden Adelsvorstellung entsprach denn auch das gereizte Gefühl, das sie gegen den Zweig des Hauses Thadden unterhielt, der sich, nach seinem pommerschen Gute Triglaff, Thadden-Triglaff nannte - eine Zubenennung, die ihr, der einzig wirklichen Triglaff, einfach als ein Übergriff oder doch mindestens als eine Beeinträchtigung erschien. Woldemar, der dies alles kannte, war dagegen gefeit und wußte seinerseits seit lange, wie zu verfahren sei, wenn ihm die Triglaff als Tischnachbarin zufiel. Er hatte sich für diesen Fall, der übrigens öfter eintrat, als ihm lieb war, die Namen aller Konventualinnen auswendig gelernt, die während seiner Kinderzeit in Kloster Wutz gelebt hatten und von denen er recht gut wußte, daß sie seit langem tot waren. Er begann aber trotzdem regelmäßig, seine Fragen so zu stellen, als ob das Dasein dieser längst Abgeschiedenen immer noch einer Möglichkeit unterläge.
»Da war ja hier früher, mein gnädigstes Fräulein, eine Drachenhausen, Aurelie von Drachenhausen, und übersiedelte dann, wenn ich nicht irre, nach Kloster Zehdenick. Es würde mich lebhaft interessieren, in Erfahrung zu bringen, ob sie noch lebt oder ob sie vielleicht schon tot ist.«
Die Triglaff nickte.
Czako, dieses Nicken beobachtend, sprach sich später gegen Rex dahin aus, daß das alles mit der Abstammung der Triglaff ganz natürlich zusammenhänge. »Götzen nicken bloß.«
Um vieles lebendiger waren Rede und Gegenrede zwischen Tante Adelheid und dem Ministerialassessor, und das Gespräch beider, das nur sittliche Hebungsfragen berührte, hätte durchaus den Charakter einer gemütlichen, aber doch durch Ernst geweihten Synodalplauderei gehabt, wenn sich nicht die Gestalt des Rentmeisters Fix beständig eingedrängt hätte, dieses Dominaprotegés, von dem Rex, unter Zurückhaltung seiner wahren Meinung, immer aufs neue versicherte, »daß in diesem klösterlichen Beamten eine seltene Verquickung von Prinzipienstrenge mit Geschäftsgenie vorzuliegen scheine«.
Das waren die zwei Paare, die den linken Flügel, beziehungsweise die Mitte des Tisches bildeten. Die beiden Hauptfiguren waren aber doch Czako und die Schmargendorf, die ganz nach rechts hin saßen, in Nähe der dicken Fenstergardinen aus Wollstoff, in deren Falten denn auch vieles glücklicherweise verklang. An die Suppe hatte sich ein Fisch und an diesen ein Linsenpüree mit gebackenem Schinken gereiht, und nun wurden gespickte Rebhuhnflügel in einer pikanten Sauce, die zugleich Küchengeheimnis der Domina war, herumgereicht. Czako, trotzdem er schon dem gebackenen Schinken erheblich zugesprochen hatte, nahm ein zweites Mal auch noch von dem Rebhuhngericht und fühlte das Bedürfnis, dies zu motivieren.
»Eine gesegnete Gegend, Ihre Grafschaft hier«, begann er. »Aber freilich heuer auch eine gesegnete Jahreszeit. Gestern abend bei Dubslav von Stechlin Krammetsvögelbrüste, heute bei Adelheid von Stechlin Rebhuhnflügel.«
»Und was ziehen Sie vor?« fragte die Schmargendorf.
»Im allgemeinen, mein gnädiges Fräulein, ist die Frage wohl zugunsten СКАЧАТЬ