Название: Das kommt nicht wieder
Автор: Georg Markus
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783902998453
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»So werde ich es machen …«
Große der Weltgeschichte begehen Selbstmord
Selbstmord. Die Tat der Verzweiflung, der letzte Aufschrei einer gequälten Seele macht vor keinem Stand halt. Auch vor den ganz Großen nicht. Tschaikowsky, van Gogh, Hemingway, Adalbert Stifter, Stefan Zweig sind unsterblich.
Und waren nicht fähig, zu leben.
Wie manch andere Künstler, wie Könige, Prinzen und Politiker.
Ferdinand Raimund hatte so viel Schwermut und Melancholie in sich, daß er sich das Leben nahm, nachdem sein Hund ihn gebissen hatte. Am 29. August 1836 ereignete sich ein zunächst unbedeutend erscheinender Vorfall: der Volksdichter und Schauspieler war, von einer erfolgreichen Gastspielreise aus Hamburg kommend, auf seinen Besitz im niederösterreichischen Gutenstein zurückgekehrt, wo ihn sein Hund liebevoll empfing. Das Tier hatte unglücklicherweise kurz vorher mit einem anderen Hund im Dorf gerauft und sich dabei eine schmerzhafte Verletzung zugezogen. Bei der Begrüßung berührte Raimund den geliebten Hund unabsichtlich an der Wunde, so daß dieser instinktiv nach seinem Herrchen schnappte und an der Hand verletzte.
Was noch lange kein Drama gewesen wäre, weitete sich infolge der angekränkelten Psyche des Dichters zur Katastrophe aus. Nachdem ihm eine Zigeunerin in jungen Jahren prophezeit hatte, er würde dereinst an den Folgen eines Hundebisses sterben, war Raimund nun überzeugt davon, er wäre durch die Verletzung an Tollwut erkrankt und müsse elendiglich zugrunde gehen. Zwar ließ er noch eine Kutsche anspannen, um seinen Arzt zu konsultieren, doch als er unterwegs von einem schweren Gewitter überrascht wurde und im Gasthof Zum Goldenen Hirschen in Pottenstein übernachten mußte, verlor er die Nerven.
Um vier Uhr früh schoß er sich mit seinem Revolver, den er immer bei sich hatte, eine Kugel in den Kopf. Ferdinand Raimund starb nach einer Woche qualvollen Leidens.
Und hatte damit im Alter von 46 Jahren wahrgemacht, was er den Tischler Valentin im Verschwender singen läßt: Da leg’ ich meinen Hobel hin und sag’ der Welt ade …
Vincent van Gogh hatte mehrere Selbstmordversuche hinter sich, ehe er tatsächlich starb: Nach einem Streit mit seinem Freund Paul Gauguin schnitt er sich einen Teil der linken Ohrmuschel ab, worauf er, da die Aorta durchtrennt war, fast verblutete. Wieder genesen, schluckte er mehrmals giftige Malutensilien und begab sich dann freiwillig in die Irrenanstalt von Saint-Rémy in der Nähe von Arles.
Auch – und gerade – in den schlimmsten Phasen der Selbstzerstörung und während seiner stationären Behandlungen in Nervenheilanstalten schuf van Gogh einige der bedeutendsten Werke der Kunstgeschichte.
Bis er am 27. Juli 1890 in Auvers-sur-Oise bei Paris zum Revolver seines Zimmerherrn griff, die Waffe gegen seinen Unterleib richtete und abdrückte. Er starb zwei Tage danach.
War es die Verzweiflungstat eines erfolglosen Genies, dessen Bilder zu seinen Lebzeiten unverkäuflich waren? (Während sein Porträt Dr. Gachet bei einer Auktion in New York vor einigen Jahren umgerechnet mehr als 800 Millionen Schilling erzielte.)
»Er hat mehr an seinem Innenleben gelitten als an der äußeren Erfolglosigkeit«, meint der Wiener Psychiater Dr. Stephan Rudas. »Auch wenn van Gogh seine Bilder verkauft hätte, hätte ihn das nicht geheilt.«
Der Fall Ernest Hemingway untermauert diese These, denn auch er wählte den Freitod, und das, obwohl er zu Lebzeiten überaus erfolgreich war. Freilich ist seine Familie in eine tragische Kette von Suizidfällen verstrickt. Nicht nur der Dichter selbst, sondern auch sein Vater, sein Bruder, seine Schwester und – erst im Juni 1996 – seine Enkelin Margaux endeten durch Selbstmord.
Ernest Hemingway hat in Anwesenheit mehrerer Zeugen vorgeführt, daß Suizidgefährdete tatsächlich dazu neigen, ihr tödliches Vorhaben – als Aufschrei, als letzten Hilferuf – anzukündigen. Auf Kuba »spielte« der Literaturnobelpreisträger einmal die Szene regelrecht durch. »Sehen Sie, so werde ich es machen«, sagte er, setzte sich barfuß auf einen Sessel und stellte den Gewehrkolben zwischen seine Beine. Dann beugte er sich vor, schob sich die Laufmündung in den Mund und drückte mit der großen Zehe auf den Abzug, bis es klickte. »So begeht man Harakiri«, erklärte er, »denn der Gaumen ist der weichste Teil des Kopfes.«
In seinem letzten Jahr sprach er immer häufiger vom nahenden Ende, stellte sich manchmal neben den Gewehrschrank, hielt seine Waffen in der Hand und starrte zum Fenster hinaus.
Trotz seiner schweren Depression wurde er wenige Tage vor seiner Verzweiflungstat als Patient der weltberühmten Mayo-Klinik entlassen. »Es ist nicht zu hart ausgedrückt, daß den Ärzten der Klinik hier ein entscheidender Fehler unterlaufen ist. Denn es war ja auch den medizinischen Laien aus Hemingways Umgebung bekannt, welches ausweglose Wahngebilde er aufgebaut hatte«, meint der Wiener Arzt und Medizinhistoriker Hans Bankl, der in seinen Büchern den Tod außergewöhnlicher Menschen analysiert.
Mehrmals konnte »Hem« durch Freunde und Angehörige von dem immer wieder angekündigten Schritt abgehalten werden, doch als er sich am Abend des 1. Juli 1961 mit den Worten »Gute Nacht, mein Kätzchen« von seiner vierten Frau Mary verabschiedete, dachte sie nicht an eine gefährliche Situation. Und mußte am nächsten Morgen im Flur des Landhauses in Ketchum im US-Bundesstaat Idaho seinen Leichnam entdecken, ein Gewehr zwischen den Beinen. Der Selbstmord war von ihm genauso durchgeführt worden, wie er ihn angekündigt hatte.
Ein Jahr nach Hemingway wurde die Welt durch den spektakulären Freitod Marilyn Monroes erschüttert. Sie hatte seit langem in einem fatalen Teufelskreis gelebt, nahm nachts Unmengen von Tabletten, um schlafen zu können, und pumpte sich tagsüber mit Aufputschmitteln voll, um wieder wach zu werden. Der 36jährige Filmstar war immer von Männern umgeben und doch allein, ein Sexsymbol, das kein Glück in der Liebe fand. Das belegen vier gescheiterte Ehen – zuletzt mit Arthur Miller – und zahllose Liebschaften – darunter die Brüder John F. und Robert Kennedy. Es war ein »chronischer Selbstmord«, meint Professor Bankl, der sich über viele Jahre hinzog.
Tatsächlich hatte auch sie sich mehrmals umzubringen versucht, was aber in der Glitzerwelt von Hollywood unterging, nicht ernst oder einfach nicht zur Kenntnis genommen wurde.
Als die Haushälterin Eunice Murray am Sonntag, dem 5. August 1962, um 3.30 Uhr noch immer Licht in ihrem Schlafzimmer brennen sah, alarmierte sie Dr. Greenson, den Psychiater der Monroe, der sofort kam und durch das Fenster in den Raum stieg. »Ich erkannte aus etlichen Metern Entfernung, daß Marilyn nicht mehr am Leben war«, sagte er später. »Da lag sie, mit dem Gesicht nach unten und entblößten Schultern, und als ich näher trat, konnte ich erkennen, daß sie mit der rechten Hand das Telefon umklammert hielt.«
Als ob der Hörer ihr die Einsamkeit hätte nehmen können.
»Es gibt keine Krankheit namens Selbstmord«, sagt Dr. Rudas, »aber es gibt verschiedene Ursachen, die eine solche Verzweiflungstat auslösen können.« Diese sind: