Название: »Aus euch wird nie was«
Автор: Norbert Mayer
Издательство: Bookwire
Жанр: Афоризмы и цитаты
isbn: 9783902998828
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Kurz nach dem Krieg trat ein »Leutnant Gustl« in mein Leben. Er ist inzwischen leider auch schon tot, wie so viele aus dieser Zeit. Ich nannte ihn erst viel später nach der Figur von Arthur Schnitzler. Er hieß Gustav Breuer und stammte aus der großen Familie des Konrad Mautner. Der Gustl war nach New York emigriert, meldete sich im Krieg selbstverständlich zur US-Armee und kam zu jenen Truppen, die dann auch nach Österreich gelangten.
Vater lehrt Mutter Radfahren.
Eines Tages hält vor dem Haustor am Hofgraben in Innsbruck ein Jeep mit zwei Amerikanern. Der Beifahrer steigt aus und fragt, ob die Frau Wessely hier wohne und der Herr Hörbiger. Auf jeden Fall erschien bei uns im fünften Stock ein GI, ein österreichischer Jude in voller Uniform mit einem Jeep und einem Fahrer. Wir kriegten Kaugummi und fanden das toll. Gustav hat wienerisch geredet, obwohl er wie ein »Akrimaner« angezogen war. Dieser Gustl hat meine Schwester und mich in den Jeep hineingepackt und ist mit uns durch Innsbruck gefahren. Was Besseres gab es gar nicht.
Ich erinnere mich auch noch daran, dass viele marokkanische Soldaten auf den Parkbänken des Hofgartens mehr lagen als saßen, mit ihren Damen im Arm, ihren Bekanntschaften. Das nannte man Fraternisieren, wie ich später erfuhr. Für uns aber gab es Vorhaltungen von der Mutter: »Müsst ihr denn durch den Park gehen?«
Also, was gefährlich oder interessant war, wurde weggeschoben, genauso wie das Theater. Erklärungen gab es dazu nicht, nur den erhobenen Zeigefinger, der uns beschied, wie leicht man ins Unglück oder sonst wohin geführt werden könnte.
Meinem Leutnant Gustl bin ich dann einige Jahre später in den USA wieder begegnet, als ich für ein Jahr ein Stipendium für eine Schule für höhere Töchter in Washington D.C. erhalten hatte.
»Gustl, was machst du eigentlich?«, fragte ich ihn dort drüben beim ersten Treffen, weil ich zuvor in Wien tatsächlich noch nicht herausgefunden hatte, welchem Beruf er nachging.
Er hatte anscheinend immer Zeit. Leise lächelnd antwortete er: »Weißt du, ich verstehe es, mit den richtigen Leuten am richtigen Platz zusammenkommen.«
Ich habe ihn damals nicht verstanden. Das Wort Netzwerk kannte ich nicht, aber selbst wenn es so etwas damals vielleicht noch gar nicht gegeben hat – der Gustl war ein begnadeter Netzwerker. Dadurch hat er wohl auch für uns beide Karten für »Die Macht des Schicksals« in der alten Met in New York besorgt. Erstmals hörte ich eine Oper im Original auf Italienisch, umringt von Auswanderern, die wieder einmal ihre Sprache gesungen hören wollten. Die Inszenierung muss Dutzende Jahre alt gewesen sein. Die Geschichte habe ich überhaupt nicht verstanden, obwohl mein Begleiter versucht hat, sie mir zu erklären – aber mich haben dann andere Sachen interessiert.
Danach habe ich den Gustl nie wieder gesehen, wir hielten nur telefonisch und über die Verwandten Kontakt. Später schrieb mir seine Cousine Mariandl, die auch aus der Mautner-Familie kam, dass der Gustl gestorben sei und sie es nach vielen bürokratischen Hürden geschafft habe, dass die Urne mit seiner Asche aus den USA nach Wien komme. Sie solle in das Familiengrab auf dem Friedhof in Neuwaldegg. Ich machte mich auf, kam aber einen Tag zu spät zum Begräbnis. Das war das Ende meines »Leutnant Gustl«. Ich hatte mich um einen Tag vertan.
Zurück in Wien begann für mich 1946 die Gymnasialzeit. Wir waren die erste Klasse der »Schwestern vom armen Kinde Jesu« in Döbling nach dem Krieg. Die größte Sensation für meine Familie war, dass wir in unser Haus in Grinzing zurückkehren konnten, nachdem zuvor die Russen und die Amerikaner drin gewesen waren. Die Soldaten der Roten Armee wussten offenbar nicht, was Einbauschränke sind. Meine Mutter besaß ein sogenanntes Ankleidezimmer, wo eben die Kleider hingen. Viele Kleider – bis unter die Decke waren Schränke eingebaut. Man musste eine kleine Leiter hinaufsteigen, um dorthin zu kommen. Die Wände waren mit Chintz überzogen, nur die obere Reihe nicht, die war normal tapeziert. Genau dort gab es ein Fach zum Hängen für die Pelzmäntel, wegen der Motten war es aus Metall. Das war den Russen nicht geheuer. Einer der Soldaten legte mit der MP an und schoss die ganze Reihe durch. Wir haben noch die Einschüsse gesehen, den Pelzmantel hatte meine Mutter selbstverständlich in Tirol mit gehabt, als werdende Mutter wollte sie nicht frieren.
In dieser zweiten Wiener Zeit nach dem Krieg wurde ich als älteste Tochter schon des Öfteren von meiner Mutter ins Vertrauen gezogen, als ob ich schon fast erwachsen wäre. An diese Stunden erinnere ich mich besonders gerne. Deshalb will ich jetzt, bevor ich das Elternhaus verlasse, ein wenig über Paula Wessely erzählen, nicht so sehr als Star der Bühne und des Films, sondern als Frau, die das Kunststück zuwege brachte, Beruf und Familie zu vereinen. Und über ihren Mann, Attila Hörbiger, den Hahn im Korb dieses Viermäderlhauses.
Über meine Eltern habe ich bereits zu deren Lebzeiten, als sie noch auf der Bühne standen, ein Buch geschrieben: »Märchen ihres Lebens«, im Jahre 1975 wurde es veröffentlicht.
»Fast ein Poet«, 1967. Tournee. Tochter und Mutter (Sarah und Nora Melody)
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