Demian: Die Geschichte von Emil Sinclairs Jugend. Hermann Hesse
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Название: Demian: Die Geschichte von Emil Sinclairs Jugend

Автор: Hermann Hesse

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 4064066115920

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СКАЧАТЬ ich, und kam mir vor wie ein Verbrecher, den man wegen einer gestohlenen Semmel verhört, während er Morde zu gestehen hätte. Es war ein häßliches und widriges Gefühl, aber es war stark und hatte einen tiefen Reiz, und es kettete mich fester als jeder andere Gedanke an mein Geheimnis und meine Schuld. Vielleicht, dachte ich, ist der Kromer jetzt schon zur Polizei gegangen und hat mich angegeben, und Gewitter ziehen sich über mir zusammen, während man mich hier wie ein kleines Kind betrachtet!

      Von diesem ganzen Erlebnis, soweit es bis hier erzählt ist, war dieser Augenblick das Wichtige und Bleibende. Es war ein erster Riß in die Heiligkeit des Vaters, es war ein erster Schnitt in die Pfeiler, auf denen mein Kinderleben geruht hatte, und die jeder Mensch, ehe er er selbst werden kann, zerstört haben muß. Aus diesen Erlebnissen, die niemand sieht, besteht die innere, wesentliche Linie unsres Schicksals. Solch ein Schnitt und Riß wächst wieder zu, er wird verheilt und vergessen, in der geheimsten Kammer aber lebt und blutet er weiter.

       Mir selbst graute sofort vor dem neuen Gefühl, ich hätte meinem Vater gleich darauf die Füße küssen mögen, um es ihm abzubitten. Man kann aber nichts Wesentliches abbitten, und das fühlt und weiß ein Kind so gut und tief wie jeder Weise.

      Ich fühlte die Notwendigkeit, über meine Sache nachzudenken, auf Wege für morgen zu sinnen; aber ich kam nicht dazu. Ich hatte den ganzen Abend einzig damit zu tun, mich an die veränderte Luft in unsrem Wohnzimmer zu gewöhnen. Wanduhr und Tisch, Bibel und Spiegel, Bücherbord und Bilder an der Wand nahmen gleichsam Abschied von mir, ich mußte mit erfrierendem Herzen zusehen, wie meine Welt, wie mein gutes, glückliches Leben Vergangenheit wurde und sich von mir ablöste, und mußte spüren, wie ich mit neuen, saugenden Wurzeln draußen im Finstern und Fremden verankert und festgehalten war. Zum erstenmal kostete ich den Tod, und der Tod schmeckt bitter, denn er ist Geburt, ist Angst und Bangnis vor furchtbarer Neuerung.

      Ich war froh, als ich endlich in meinem Bette lag! Zuvor als letztes Fegefeuer war die Abendandacht über mich ergangen, und wir hatten dazu ein Lied gesungen, das zu meinen liebsten gehörte. Ach, ich sang nicht mit, und jeder Ton war Galle und Gift für mich. Ich betete nicht mit, als mein Vater den Segen sprach, und als er endete: „— sei mit uns allen!“, da riß eine Zuckung mich aus diesem Kreise fort. Die Gnade Gottes war mit ihnen allen, aber nicht mehr mit mir. Kalt und tief ermüdet ging ich weg.

      Im Bett, als ich eine Weile gelegen war, als Wärme und Geborgenheit mich liebevoll umgab, irrte mein Herz in der Angst noch einmal zurück, flatterte bang um das Vergangene. Meine Mutter hatte mir wie immer gute Nacht gesagt, ihr Schritt klang noch im Zimmer nach, der Schein ihrer Kerze glühte noch im Türspalt. Jetzt, dachte ich, jetzt kommt sie noch einmal zurück — sie hat es gefühlt, sie gibt mir einen Kuß und fragt, fragt gütig und verheißungsvoll, und dann kann ich weinen, dann schmilzt mir der Stein im Halse, dann umschlinge ich sie und sage es ihr, und dann ist es gut, dann ist Rettung da! Und als der Türspalt schon dunkel geworden war, horchte ich noch eine Weile und meinte, es müsse und müsse geschehen.

      Dann kehrte ich zu den Dingen zurück und sah meinem Feind ins Auge. Ich sah ihn deutlich, das eine Auge hatte er eingekniffen, sein Mund lachte roh, und indem ich ihn ansah und das Unentrinnbare in mich fraß, wurde er größer und häßlicher, und sein böses Auge blitzte teufelhaft. Er war dicht bei mir, bis ich einschlief, dann aber träumte ich nicht von ihm und nicht von heute, sondern mir träumte, wir führen in einem Boot, die Eltern und Schwestern und ich, und es umgab uns lauter Friede und Glanz eines Ferientages. Mitten in der Nacht erwachte ich, fühlte noch den Nachgeschmack der Seligkeit, sah noch die weißen Sommerkleider meiner Schwestern in der Sonne schimmern und fiel aus allem Paradies zurück in das, was war, und stand dem Feind mit dem bösen Auge wieder gegenüber.

      Am Morgen, als meine Mutter eilig kam und rief, es sei schon spät und warum ich noch im Bett liege, sah ich schlecht aus, und als sie fragte, ob mir etwas fehle, erbrach ich mich.

      Damit schien etwas gewonnen. Ich liebte es sehr, ein wenig krank zu sein und einen Morgen lang bei Kamillentee liegenbleiben zu dürfen, zuzuhören, wie die Mutter im Nebenzimmer aufräumte, und wie Lina draußen in der Flur den Metzger empfing. Der Vormittag ohne Schule war etwas Verzaubertes und Märchenhaftes, die Sonne spielte dann ins Zimmer, und war nicht dieselbe Sonne, gegen die man in der Schule die grünen Vorhänge herabließ. Aber auch das schmeckte heute nicht und hatte einen falschen Klang bekommen.

      Ja wenn ich gestorben wäre! Aber ich war nur so ein wenig unwohl, wie schon oft, und damit war nichts getan. Das schützte mich vor der Schule, aber es schützte mich keineswegs vor Kromer, der um elf Uhr am Markt auf mich wartete. Und die Freundlichkeit der Mutter war diesmal ohne Trost; sie war lästig und tat weh. Ich stellte mich bald wieder schlafend und dachte nach. Es half alles nichts, ich mußte um elf Uhr am Markt sein. Darum stand ich um zehn Uhr leise auf und sagte, daß mir wieder wohl geworden sei. Es hieß, wie gewöhnlich in solchen Fällen, daß ich entweder wieder zu Bette gehen oder am Nachmittag in die Schule gehen müsse. Ich sagte, daß ich gern zur Schule gehe. Ich hatte mir einen Plan gemacht.

      Ohne Geld durfte ich nicht zu Kromer kommen. Ich mußte die kleine Sparbüchse an mich bekommen, die mir gehörte. Es war nicht genug Geld darin, das wußte ich, lange nicht genug; aber etwas war es doch, und eine Witterung sagte mir, daß etwas besser sei als nichts und Kromer wenigstens begütigt werden müsse.

       Es war mir schlimm zumute, als ich auf Socken in das Zimmer meiner Mutter schlich und aus ihrem Schreibtisch meine Büchse nahm; aber so schlimm wie das Gestrige war es nicht. Das Herzklopfen würgte mich, und es wurde nicht besser, als ich drunten im Treppenhaus beim ersten Untersuchen fand, daß die Büchse verschlossen war. Es ging sehr leicht, sie aufzubrechen, es war nur ein dünnes Blechgitter zu durchreißen; aber der Riß tat weh, erst damit hatte ich Diebstahl begangen. Bis dahin hatte ich nur genascht, Zuckerstücke und Obst. Dies nun war gestohlen, obwohl es mein eigenes Geld war. Ich spürte, wie ich wieder einen Schritt näher bei Kromer und seiner Welt war, wie es so hübsch Zug um Zug abwärts ging, und setzte Trotz dagegen. Mochte mich der Teufel holen, jetzt ging kein Weg mehr zurück. Ich zählte das Geld mit Angst, es hatte in der Büchse so voll geklungen, nun in der Hand war es elend wenig. Es waren fünfundsechzig Pfennige. Ich versteckte die Büchse in der untern Flur, hielt das Geld in der geschlossenen Hand und trat aus dem Hause, anders als ich je durch dieses Tor gegangen war. Oben rief jemand nach mir, wie mir schien; ich ging schnell davon.

      Es war noch viel Zeit, ich drückte mich auf Umwegen durch die Gassen einer veränderten Stadt, unter niegesehenen Wolken hin, an Häusern vorbei, die mich ansahen, und an Menschen, die Verdacht auf mich hatten. Unterwegs fiel mir ein, daß ein Schulkamerad von mir einmal auf dem Viehmarkt einen Taler gefunden hatte. Gern hätte ich gebetet, daß Gott ein Wunder tun und mich auch einen solchen Fund machen lassen möge. Aber ich hatte kein Recht mehr zu beten. Und auch dann wäre die Büchse nicht wieder ganz geworden.

      Franz Kromer sah mich von weitem, doch kam er ganz langsam auf mich zu und schien nicht auf mich zu achten. Als er in meiner Nähe war, gab er mir einen befehlenden Wink, daß ich ihm folgen solle, und ging, ohne sich ein einzigesmal umzusehen, ruhig weiter, die Strohgasse hinab und über den Steg, bis er bei den letzten Häusern vor einem Neubau hielt. Es wurde dort nicht gearbeitet, die Mauern standen kahl ohne Türen und Fenster. Kromer sah sich um und ging durch die Tür hinein, ich ihm nach. Er trat hinter die Mauer, winkte mich zu sich und streckte die Hand aus.

      „Hast du’s?“ fragte er kühl.

      Ich zog die geballte Hand aus der Tasche und schüttete mein Geld in seine flache Hand. Er hatte es gezählt, noch eh der letzte Fünfer ausgeklungen hatte.

       „Das sind fünfundsechzig Pfennig,“ sagte er und sah mich an.

      „Ja,“ sagte ich schüchtern. „Das ist alles, was ich habe, es ist zu wenig, ich weiß wohl. Aber es ist alles. Ich habe nicht mehr.“

      „Ich СКАЧАТЬ